web_SuE_March_2017
Verzögerungskosten erkennen und geltend machen – Teil 1 – Angebot erstellt, Leistungen wie immer knapp kalkuliert, Zuschlag erhalten, Baustellenstart eingetaktet. Bis hierhin entspricht alles dem üblichen Ablauf einer Auftragsausführung. Das Chaos beginnt spätestens dann, wenn die eingeplante Auftragsausführung sich kurzfristig verzö- gert oder sich während der Durchführung Sachverhalte ergeben, die zu einer Bau- stellenunterbrechung führen. Wurde vorher vielleicht noch ein kleiner Gewinnaufschlag einkalkuliert, führt die Verzögerung oder Unterbrechung zu betrieblichen Mehrko- sten, die dann nicht selten den vermeint- lichen Gewinnaufschlag aufzehren oder die Baustelle von vornherein ins Minus drehen. Nicht selten wird dieser Umstand als „übliches Risiko“ des Bauausführenden hingenommen, selbst dann, wenn die Ursachen nicht in dessen Verantwortungsbereich liegen. In der praktischen Umsetzung ist dann der Unternehmer gefordert für seine Mitarbeiter eine alternative Auftragsausführung zu generieren, was nicht immer gelingt oder bei mangelnder Überbrückbarkeit die Mitarbeiter in den Urlaub zu schicken, Gutstunden abzubauen oder im un- günstigsten Falle, sogar freistellen zu müssen. Egal von welcher Fallkonstellation ausgegan- gen werden muss, es entsteht dem Betrieb ein wirtschaftlicher Nachteil, der im Regelfall auch von ihm getragen wird. Aber ist das zwingend so oder gibt es Mög- lichkeiten des Betriebes, diesen wirtschaftlichen Nachteil dem Auftraggeber/Verursacher „in Rech- nung zu stellen“? Es kommt darauf an: Wenn bestimmte Voraussetzungen eingehal- ten sind, so kann man als Auftragnehmer einen Entschädigungsanspruch gegen den Auftragge- ber geltend machen. Beispiel: Eine Firma hatte den Auftrag, im Zeitraum vom 01.08. bis 15.09. Leistungen an einem Bauvorhaben zu erbringen. Die Firma wollte am 01.08. mit den Leistungen beginnen, muss- te aber feststellen, dass die gesamten Vorlei- stungen noch nicht fertiggestellt waren. Die Ausführung verzögerte sich um zwei Monate, so- dass die Firma erst am 01.10. beginnen konnte. Aufgrund schlechter Witterung und auch noch Störung durch andere Gewerke verzögerte sich auch diese Bauausführung, sodass die Bauzeit nicht sechs Wochen, sondern drei Monate betrug. Parallel laufende Aufträge konnten nicht richtig abgearbeitet werden. Die Mehrkosten, die der Firma durch diese Bauverzögerung entstanden sind, möchte sie von ihrer Auftraggeberin gerne entschädigt erhalten. Was muss dazu geschehen? Sofern eine Entschädigung für Mehraufwen- dungen wegen einer Bauzeitverlängerung gefor- dert wird, so ist diese Entschädigung immer aus der Vergütungsvereinbarung, die in dem Werk- vertrag enthalten ist, abzuleiten. Als Auftragnehmer muss man erst einmal darlegen und dokumentieren inwieweit warte- zeitbedingte Mehrkosten entstanden sind. Z. B. durch Vorhaltung von Arbeitskräften und Kapital (Material). Für einen bestimmten Zeitraum wer- den Mitarbeiter auf der Baustelle eingesetzt, ver- längert sich die Bauzeit und sind die Mitarbeiter die doppelte Zeit auf der Baustelle anwesend, so können weitere wartezeitbedingte Mehrkosten nachgewiesen werden. Sollten Nachtragsange- bote beauftragt worden sein, so wird davon aus- gegangen, dass im Rahmen von beauftragten Nachträgen auch eine dementsprechende Bau- zeitverlängerung enthalten sein kann. Um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, ist eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung notwen- dig. Gegenüberzustellen ist dabei der Ist- und der Sollablauf. Das heißt, wenn bei einer Baustelle mit bestimmten Arbeiten ein Umfang von 900 Stunden geplant war, jetzt aber 1.500 Stunden benötigt wurden, ohne dass sich der Auftrags- umfang verändert hat, so beträgt der Ist-Ablauf 600 Stunden mehr als der geplante Ablauf. Die Bauzeitverlängerung muss also nachvollziehbar gemacht werden. Hierzu ist es am besten, dass dargelegt wird, wie der Bauablauf tatsächlich geplant wurde, welche Teilleistungen in welcher Zeit erstellt werden sollten und wie die Arbeits- kräfte eingesetzt werden sollten. Dem ist dann der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen. Eine solche Darstellung muss natürlich auch ermöglichen, dass die angesetzten Bauzeiten mit der Preiskalkulation übereinstimmen und dass die hierfür vorgesehenen Mittel auch ausgereicht hätten, um die Baustelle tatsächlich mit ausrei- chend Arbeitskräften zu besetzen. Hier gibt die Rechtsprechung einen umfang- reichen Prüfungskatalog an die Auftragnehmer. Dieser muss auch bedenken, dass eventuell Um- stände vorliegen, die gegen eine Behinderung sprechen. So könnte es möglich sein, dass ein- zelne Bauabschnitte vorgezogen werden oder Arbeitskräfte anderweitig eingesetzt werden. Auch hierzu müsste etwas vorgetragen werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass auf dieser Grundlage eine Behinderungsanzeige (schriftlich) an den Auftraggeber gesandt wird. Darauf, dass irgendetwas offenkundig ist und der Auftrag- geber dies weiß, wird man sich im Nachhinein nicht verlassen können. Die Ausführungen klingen zwar etwas an- spruchsvoll, sind jedoch in der Regel mit einer normalen Kalkulation und einer guten Dokumen- tation der Baustelle zu meistern. So wird jeder Betrieb in seiner Kalkulation ein bestimmtes Stundensoll aufstellen, in dem die Arbeiten zu erledigen sind. In der nächsten Ausgabe wird die Auswir- kung einer Bauzeitverzögerung einmal konkret berechnet. Betriebswirtschaft Es schreibt für Sie Diplom-Betriebswirt Wolfgang Krauß Seit über 25 Jahren in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Handwerks betrieben tätig Kolbing 35 · 83556 Griesstätt Telefon: (08039) 9097220 Mobil: (0172) 7499102 E-Mail: wolfgangkrauss-beratung@t-online.de Internet: www.beratungfuershandwerk.de www.die-erfolgswerker.de Es schreibt für Sie RA Andreas Becker Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Nienburger Str. 14a 30167 Hannover Telefon: (0511) 1231370 Fax: (0511) 12313720 E-Mail: info@becker-baurecht.de Internet: www.becker-baurecht.de Bauchemische Produkte „Abdichtungen und Beschichtungen für Innen- u. Außenbereiche“ 05601/93430 Schützen & Erhalten · März 2017 · Seite 30
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