web_SuE_March_2017
Ausbildung Allmählich werden sie aufgeweicht, die Grenzen der Männerdomänen im Handwerk. Langsam aber sicher erobern Frauen auch die typischen „Männerberufe“ Es herrscht gerechte Geschlechtervertei- lung – zumindest auf dem Papier. Auf Ausbildungsflyern, in Zeitungsanzeigen und im Online-Portal der Arbeitsagenturen haben alle Berufsbezeichnungen eine weibliche Endung. Junge Frauen können sich hier zur Beton- und Stahlbauerin, zur Zimmerin oder zur Stuckateurin ausbilden lassen. Was sich gut liest, sieht in der Praxis allerdings völlig anders aus. Die Baubranche ist nach wie vor eine Männer- domäne. Frauen, die mit Mörtel und Putz oder als Maurerin arbeiten, sind die Ausnahme. Nur in der Buchhaltung und Verwaltung von Baufir- men sind sie zahlreicher zu finden – und oft sind es dann die Ehefrauen der Unternehmer, die da so „mit reingerutscht“ sind. Wenn man sich den Nachwuchs anschaut, wird klar, dass sich das so bald auch nicht än- dern wird. Noch immer sind die meisten Bewerber für Ausbildungsstellen in der Baubranche aus- schließlich männlich. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einerseits sind Bauberufe in der Vorstel- lung vieler Menschen nun mal reine Männersa- che, das ist historisch gewachsen. Sowohl Män- ner als auch Frauen denken vielfach so. Obwohl Arbeitsagenturen, Berufsausbilder und Schulen versuchen, die Berufe auch für Frauen interessant zu machen, Praktika für Schülerinnen vergeben und an sogenannten „Girls‘ Days“ teilnehmen, interessiert sich nur eine verschwindend geringe Zahl Mädchen für eine Ausbildung im Baugewer- be. Bauberufe haben leider viele Eigenschaften, die junge Menschen abschrecken – Männer wie Frauen. Dazu gehören oftmals frühes Aufstehen oder harte körperliche Arbeit. Doch genau aus diesem Grund könnte die Baubranche in Zukunft darauf angewiesen sein, mehr Frauen zu beschäftigen. Denn die geringe Attraktivität der Bauberufe sorgt für Nachwuchs probleme im Baugewerbe – männliche wie weib- liche. Mädchen außen vor zu lassen, können sich die Betriebe in Zukunft nicht mehr leisten. Doch einmal als Männerdomäne gebrandmarkt, ist es ein langer Weg für eine Branche, sich zu öffnen. Frauen, die in diese maskuline Welt eindringen, werden nicht selten mit Argwohn betrachtet. „Eine Frau in einem Handwerksberuf ist als Außenseiterin besonders sichtbar und jeder Schritt, den sie tut, wird beobachtet“, weiß Nicole Rohleder zu berichten. Sie arbeitet als Prokuristin in der Sanierungsfirma ihres Mannes Thomas, vornehmlich im Büro − aber eben auch ab und an auf Baustellen, wenn Not am Mann bzw. an der Frau ist. „Entrümpelungen, Feinreinigungen nach Schimmelsanierungen, Anstricharbeiten mit Sa- nierfarben, Erd- und Pflasterarbeiten – ich bin schon überall eingesprungen, wo es erforder- lich war. Aber der Anfang war schwierig. Man muss sich gegenüber den männlichen Kollegen erst einmal behaupten, um akzeptiert zu wer- den.“ Das gilt nicht nur für die Fachkompetenz im Büro, die Nicole Rohleder sich im Laufe der Jahre durch zahlreiche praktische Erfahrungen und Fortbildungen angeeignet hat, um mitreden zu können. Es gilt erst recht für die Tätigkeit draußen auf den Baustellen. „Ich habe es mit viel Ehrgeiz und Fleiß geschafft. Die Kollegen bzw. unsere Mitarbeiter haben mich vollständig akzeptiert. Das gab für meinen Mann das aus- schlaggebende Signal, eine weibliche Auszubil- dende einzustellen, als die Tochter eines Mitar- beiters mit einer Bewerbung an uns herantrat.“ Bis dahin hatte auch Thomas Rohleder, Holz- und Bautenschutzmeister und Inhaber der klei- nen Sanierungsfirma mit 12 Mitarbeitern, nicht über die Einstellung einer weiblichen Auszubil- denden nachgedacht. Tagelang diskutierte er mit seiner Frau über das Für und Wider, über even- tuelle Umstände, die das verursachen könnte, zum Beispiel im Bereich sanitärer Anlagen, Um- kleidemöglichkeiten etc. Doch dann war es be- schlossene Sache: Vanessa wurde am 01.08.2014 die erste weibliche Auszubildende zur Holz- und Bautenschützerin der Firma TR Bau- und Sanie- rungstechnik GmbH. „Frauen sind die neuen Männer“, lacht Va- nessa heute. Und sie hat gut lachen, denn ihr fiel der Einstieg leicht, arbeitet ihr Vater doch als Vorarbeiter im Bereich der Sanierung in ihrer Firma. Sie weiß, dass sie damit einen guten Start hatte, weil die Kollegen es ihr leicht machten. Schützen & Erhalten · März 2017 · Seite 38 Fotos: Nicole Rohleder
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