web_SuE_March_2017
Ausbildung Vorurteile oder Diskriminierung waren kein The- ma, auch nicht, wenn es um Bereiche ging, in de- nen sie allein schon aus körperlichen Gründen mit den Kollegen nicht mithalten konnte. „Aber eine gewisse körperliche Robustheit und Abstriche an die eigene Weiblichkeit muss man schon mitbrin- gen“, sagt sie ganz klar. „Geschminkt und gestylt unter die Vollmaske – das geht nicht. Auch mit Dreck darf man nicht zimperlich sein. Und die meisten Männer auf der Baustelle sprechen auch so ihre eigene Sprache…“, fügt sie augenzwin- kernd hinzu. Da muss man auch schon mal über Frauenwitze mitlachen. Nein, böse gemeint hat es noch keiner der Kollegen, aber ab und an wird schon mal ein wenig gestichelt. Dann stichelt Vanessa zurück. Das ist gut für das Betriebskli- ma – und für ihr Selbstbewusstsein. „Ein gemischtes Team ist vorteilhaft für den Betrieb, das bringt neuen Schwung in die Sache“, findet auch Thomas Rohleder. Der allgemeine Um- gangston im Betrieb ist freundlicher geworden, die Kollegen schauen bei einer weiblichen Aus- zubildenden schon mal eher drauf, ob die über- tragenen Aufgaben auch körperlich zu bewälti- gen sind. Rücksichtnahme in Maßen ist in den jeweiligen Sanierungsteams selbstverständlicher geworden. So wie bei den älteren oder körperlich nicht so gut situierten Kollegen. Dann werden die Aufgaben innerhalb des Teams einfach um- disponiert – aber das Team findet immer eine Lösung. Das fördert die Zusammenarbeit. Das funktioniert nur, wenn auch alle männlichen Mitarbeiter in der Firma mitspielen. „Und das tun sie“, sagt Vanessa nicht ohne Stolz. Die langen, dunkelblonden Haare trägt sie bei der Arbeit immer zu einem Zopf zusammen- gebunden, das Gesicht ungeschminkt, die Fin- gernägel unlackiert. Sie trägt dunkelblaue Hosen und gelbe T-Shirts mit Firmenlogo, genauso wie ihre männlichen Kollegen. Einzige Ausnahme: Es sind Frauenhosen. „Die sitzen einfach besser“, das haben Vanessa und ihre weiblichen Kolle- ginnen vom Büro herausgefunden. Und so wird Arbeitskleidung zumindest getrennt bestellt für Männlein und Weiblein, auch wenn die Op- tik dieselbe ist. Ansonsten gibt es keine Extras. Vanessa schleppt ihren eigenen Werkzeugeimer, sie fährt selber Material laden, sie nutzt dassel- be Dixie auf den Baustellen. Auch in der Schule gibt es keine Ausnah- men. Alle Auszubildenden besuchen die gleiche Berufsschulklasse in Krefeld am Glockenspitz. Darunter sind nur zwei Mädels. Der schulische Teil in der Ausbildung zur Holz- und Bauten- schützerin ist mehr als anspruchsvoll. Hier wird allen alles abverlangt in Theorie und Praxis. Er- gänzt wird die schulische Ausbildung um Fortbil- dungen im Betrieb. „Vanessa kann intellektuell sehr gut mithalten und hat gute Schulnoten“, freut sich Thomas Rohleder. Und fügt leise hin- zu: „…erstaunlicherweise deutlich bessere No- ten als alle unseren männlichen Auszubildenden zuvor, egal ob in der Ausbildung zum Holz- und Bautenschützer oder zum Maurer…“ Das freut ihn besonders und bestärkt ihn immer wieder in seiner Entscheidung, einer Frau eine Chance gegeben zu haben. „Detektivarbeit gefragt!“ Vanessa Wittkopp, 22 Jahre alt, Aus- zubildende zur Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten, 2. Ausbildungsjahr. Berufsweg Mein Vater arbeitet als Maurergeselle in meinem Ausbildungsbetrieb. Seinen Erzählungen über seine Arbeit habe ich schon als Kind im- mer total gebannt zugehört. Meine Mutter und meine Geschwister haben mich bestärkt, mich nach meinem Realschulabschluss für den Beruf zur Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten zu entscheiden. Erfahrungen In diesem Beruf lerne ich, Schäden an Bau- werken zu beseitigen, die zum Beispiel durch Wasser entstanden sind. Die Suche nach der Ursache eines Problems ist beinahe wie Detek- tivarbeit. Jeder Arbeitsauftrag ist eine neue technische Herausforderung. Am schönsten ist die Freude der Kunden, wenn wir ihr Feuchtig- keitsproblem behoben haben. Stärken Ich mag die körperliche Bewegung und tüf- tele gern an einer Sache herum, bevor ich eine Lösung dafür finde. Berufswahltipps Ich empfehle, viele Berufe auszuprobieren und sich zusätzlich die Ratschläge der Eltern oder Geschwister einzuholen. Doch der Weg bis zur erfolgreich abgeschlos- senen Ausbildung ist lang. Läuft es einmal nicht rund, empfiehlt Thomas Rohleder, dass sich die jungen Frauen ihr Ziel vor Augen führen sollen: den Gesellenbrief. Das helfe dabei, spitze Bemer- kungen von Kollegen zu überhören. Eine nette und freundliche Art nehme Kritikern den Wind aus den Segeln. Dazu gehören leider auch immer mal wieder Kunden, die sich auf Baustellen von einer Frau nichts sagen lassen wollen oder sie nicht als Fachkraft akzeptieren. „Nichts ist schlimmer, als dann hilflos oder ängstlich rüberzukommen“, sagt Rohleder. „Da hilft nur Fachkompetenz und ein sicheres, ruhiges Auftreten.“ Gut sei auch, sich schon vor Ausbildungs- beginn mit der Situation auseinanderzusetzen und sich ein paar passende Sprüche für unan- genehme Situationen einfallen zu lassen, also gut vorbereitet zu sein. Auf diese Weise können Auszubildende punkten und an den anderen vor- beiziehen – so wie Vanessa. Müssen junge Frauen sich vom Chef oder den Kollegen immer wieder blöde Sprüche anhören, sollten sie das offene Gespräch suchen, ergänzt Rohleder. „Wenn das nicht funktioniert, kann man sich an neutrale Vertrauenspersonen wenden.“ Ein Ansprechpart- ner können dabei die Handwerkskammern sein. Dennoch: Es wird sicherlich noch viele Jah- re schwer für junge Frauen sein, eine Ausbil- dungsstelle in einem typischen Männerberuf zu bekommen. Aber, da sind die Eheleute Rohle- der sich sicher, die Akzeptanz wird steigen, die Selbstverständlichkeit bei den Unternehmern wird wachsen. „Unser Maler beschäftigt schon seit Jahren nahezu nur weibliche Auszubildende“, fügen sie lächelnd hinzu. Und sind sich sicher: Auch bei Ihnen darf sich jederzeit wieder eine junge Frau um eine Ausbildungsstelle bewerben! PS: Für 2017 ist die Ausbildungsstelle zur Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten oder zum Holz- und Bautenschützer (m/w) noch frei. Bei Interesse einfach bewerben! Nicole Rohleder, TR Bau & Sanierungstechnik GmbH, Bocholt, www.bausanierung-rohleder.de Schützen & Erhalten · März 2017 · Seite 39
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