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Fachbereiche Sachverständige Schützen & Erhalten · März 2018 · Seite 20 Es schreibt für Sie: Dipl.-Ing. Christoph Tetz Stellv. Fachbereichsleiter Sachverständige Am Lieberg 40 · 41836 Hückelhoven Tel.: (02433) 90900 · Fax: (02433) 909019 E-Mail: tetz@tetz-ingenieure.de Holz – Ein Baustoff für jeden Anwendungsfall? Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit erstelle ich Gutachten für ein Versiche- rungsunternehmen, welches Haftpflicht- versicherungsschutz für Architekten und Ingenieure anbietet. Die in der Schaden- abteilung arbeitenden Juristen sind oft darauf angewiesen, dass die Schadensfälle durch einen neutralen Baufachmann be- urteilt werden: Sind die Vorwürfe an den Versicherungsnehmer (ggfs. auch nur teilweise) berechtigt? Ist es sinnvoll, sich mit dem Anspruchsteller vor einem möglichen Prozess zu einigen oder bleibt man hart und wehrt die Ansprüche als unbegründet ab? So bekam ich Mitte des letzten Jahres den Auf- trag, den Einsturz des Daches eines Gärbehäl- ters zu beurteilen. Während der Vorbereitung auf mein Gutach- ten stieß ich auf die „Handlungsempfehlung H-006 – Überprüfung von Holzdeckenkonstruk- tionen in Biogasbehältern“, herausgegeben vom Fachverband Biogas e. V. Dort heißt es: 2. Problembeschreibung Holzdeckenkonstruktionen in Biogasbehältern kommen bereits seit über 30 Jahren zum Einsatz und haben sich aufgrund der unterstützenden Wirkung bei der internen biologischen Entschwe felung bewährt. Aufgrund unterschiedlichster Ur sachen kam es in den letzten Jahren zu einigen Schadensfällen. Die häufigsten Ursachen sind: – – Fehlende oder falsche statische Auslegung von Holzkonstruktionen bzw. nicht berück sichtigte Zusatzbelastungen durch Wasser sättigung und Beladung mit Schwefelabla gerungen – – Beschädigung oder falscher Einbau der Holzdeckenkonstruktionen – – außergewöhnliche Einwirkungen: – – Versagen von Sicherheitseinrichtungen bei Betriebsstörungen (z. B. extremer Unterdruck) – – Wassersackbildung bei Wartungsar beiten – – Biochemische Schädigung des Holzes durch Säureeinwirkung infolge des Entschwefe lungsprozesses in Biogasbehältern Der Versicherungsnehmer (VN) ist ein Ingeni- eurbüro, welches mit der statischen Berechnung des Holzdaches beauftragt war. Anspruchsteller ist der Hersteller der Gesamtanlage. Das betrof- fene Bauwerk steht in Deutschland. Der Vorwurf an das Ingenieurbüro ist, es habe eine falsche statische Berechnung aufgestellt und dadurch den Einsturz verschuldet. Das Ingenieurbüro erarbeitete die statische Berechnung des Dachtragwerks als Holzbalken- lage auf dem Gärbehälter. Die übrigen Teile des Bauwerks: die Stahlbetonfundamente, die Stahl- betonsohle, die Stahlbetonwände und das Dach- tragwerk aus Folie waren nicht Gegenstand dieser Berechnung. Auch war die Ausführungsplanung, gemeint sind die Holzkonstruktionszeichnungen, nicht beauftragt. Diese Ausführungsplanung wur- de im Hause des Anspruchstellers selber erbracht. Die Anlage wurde im Jahre 2013 errichtet und im Dezember 2013 in Betrieb genommen. Der Gärbehälter selber ist ein Prototyp. Der äußere Grundriss ist kreisrund mit einem Durch- messer von 42 m. Innerhalb finden sich 9 klei- nere Behälter mit meist runden, segmentför- migen Grundrissen. Die von dem Ingenieurbüro berechneten Holzbalken spannen von den Seitenwänden der Behälter auf eine Mittelstütze oder wieder auf eine Seitenwand. Die Abstände zu den Nachbar- balken sind genau wie die Spannweiten stark unterschiedlich. Die Balken tragen eine 6 cm starke Lage aus Holzbrettern. Oberhalb der Holzbretter befindet sich eine Schicht Wärmedämmung aus 8 cm di- cken Hartschaumplatten. Darüber befinden sich Foliensäcke, welche mit Faulgas und/oder Trag- luft gefüllt sind. Die Holzkonstruktion (Balken und Bretterla- ge) ist dem Faulklima des Behälters ausgesetzt. Dies bedeutet hohe Temperaturen (je nach Ver- fahren dauerhaft bis über 40°C) bei entspre- chend hoher Luftfeuchtigkeit. An der Holzkonstruktion sind Schäden auf- getreten, Balken und Schalung haben sich stark verformt, sind gebrochen und eingestürzt. Seitens des Bauherrn wurden bereits 2 Sachverständige beauftragt, deren Gutachten mir vorlagen. Die Diskussion der Schadensursachen erfolgt anhand der zuvor genannten häufigsten Ursa- chen des Fachverbandes Biogas e. V. Bild 1: Blick durch das eingestürzte Dach des Gärbehälters Foto: Detlef Krause
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