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Fachbereiche Sachverständige Schützen & Erhalten · März 2018 · Seite 22 ist. Durch den gewählten Auflagerklotz wird die Auflagerkraft ungünstig am unteren Querschnitts- rand eingetragen, die Schrauben werden auf Bie- gung beansprucht und eine seitliche Halterung des Balkens fehlt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass diese Konstruktion versagt hat. Für eine Ausführungsplanung, welche dem VN nicht gezeigt wurde und zu der er keine Be- wertung treffen konnte, kann er im Nachhinein auch nicht verantwortlich gemacht werden. Außergewöhnliche Einwirkungen (Versagen von Sicherheitseinrich- tungen, Betriebsstörungen, Wasser- sackbildung bei Wartungsarbeiten) Über das mögliche Auftreten eines oder mehre- rer dieser Vorkommnisse ist dem Versicherungs- nehmer nichts bekannt. Beide Vorgutachter be- schreiben diese Phänomene nicht. Allerdings lässt Bild 2 die Vermutung zu, dass das Gärgut unplanmäßig direkten Kontakt zur Holzkonstruktion hatte. Biochemische Schädigung des Holzes durch Säureeinwirkung infolge des Entschwefelungsprozesses in Biogasbehältern Der erste Gutachter hat aus 2 Balken Proben ent- nehmen können. Allerdings stammen die Balken, wie er selber beschreibt, aus einem Teil des Gär- behälters, der nach Angaben seines Auftraggebers seit einigen Monaten als Gärrestelager fungierte. Die Belastung mit Feuchtigkeit sei deutlich gerin- ger als zum Beispiel im Fermenter gewesen. Au- ßerdem sei das Gärrestelager seit einigen Wochen außer Betrieb genommen und belüftet worden. Einer der beiden untersuchten Balken hat- te im Bauwerk versagt und war gebrochen. Der Gutachter stellte an der Bruchstelle fest, dass diese nahezu über den gesamten Querschnitt ein untypisches Bruchbild zeigt (weil relativ kurzfa- serig). An dieser Bruchstelle sind dann von ihm chemische und mikroskopische Untersuchungen durchgeführt worden. Aus den chemischen Analysen könne er, im Rahmen der seiner Begutachtung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, keine eindeutigen Aussagen ableiten. Bei der weiteren optischen Untersuchung der Bruchstelle sei dann festgestellt worden, dass die Brüche zwar kurz, aber immer noch leicht faserig waren. Lichtmikroskopische Aufnahmen haben dann nur wenige Auffälligkeiten im Ver- gleich zu unbeschädigtem Holz gezeigt. Meinens Erachtens sind diese, an nur weni- gen und offensichtlich nicht an stark belasteten Stellen durchgeführten Untersuchungen, nicht aussagekräftig. Eigene Feststellungen zur vorliegenden Aktenlage Laut der gültigen Vorschrift zur Bemessung von Holzbauwerken (DIN EN 1995-1-1; Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten) ist der Gärbehälter in die sogenannte Nutzungs- klasse 3 einzuordnen. Die Nutzungsklassen sind wie folgt definiert: 2.3.1.3 Nutzungsklassen (1) Tragwerke sind einer der nachstehend genann­ ten Nutzungsklassen zuzuweisen: (2) Die Nutzungsklasse 1 ist gekennzeichnet durch einen Feuchtegehalt in den Baustoffen, der ei­ ner Temperatur von 20 °C und einer relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht, die nur für einige Wochen je Jahr einen Wert von 65 % übersteigt. (3) Die Nutzungsklasse 2 ist gekennzeichnet durch einen Feuchtegehalt in den Baustoffen, der ei­ ner Temperatur von 20 °C und einer relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht, die nur für einige Wochen je Jahr einen Wert Bild 2: Foto eines beschädigten indirekten Balkenauflagers von 85 % übersteigt. (4) Die Nutzungsklasse 3 erfasst Klimabedin­ gungen, die zu höheren Feuchtegehalten als in Nutzungsklasse 2 führen. Also mit anderen Worten: Alles was nicht in Nut- zungsklasse 1 oder 2 passt, ist automatisch Nut- zungsklasse 3 ohne jede weitere Differenzierung. Der VN hat das Gebäude folgerichtig in die Nutzungsklasse 3 eingeordnet und bemessen. Diese Einordnung ist formal richtig und es ist ihm hier kein Vorwurf zu machen. Die Ergebnisse des VN konnten hier im Hause (mit Software eines anderen Herstellers) nach- vollzogen werden. Seine statische Berechnung ist mangelfrei. In Deutschland sind und werden derzeit die überwiegende Anzahl von Gärbehältern mit ei- ner Zwischendecke aus Holz gebaut, genau wie in dem hier behandelten Fall. Allerdings häufen sich in letzter Zeit Berichte in Fachveröffentlichungen über eine vermehrte Anzahl von Schadensfällen in Gärbehältern mit genau dieser Decke aus Holz, mit genau dem hier beschriebenen Schadensbild. Als Beispiel sei an dieser Stelle der Aufsatz von Frau Prof. Dr. rer. nat. Claudia von Laar ge- nannt (siehe Literaturhinweis). Sie schreibt am Ende ihres Aufsatzes: „Inwieweit die Norm DIN EN 1995-1-1:2010 zur Bemessung von Holzbauten [20] diese beson­ deren klimatischen Bedingungen durch die Mo­ difikationsbeiwerte angemessen berücksichtigt, bleibt zu klären. Als möglicher Schadensmechanismus, der zu einer Minderung der Tragfähigkeit führt, ist ein säurehydrolytischer Abbau der Kohlenhydrate Cellulose und Hemicellulose wahrscheinlich. Ins­ besondere ein Abbau der Cellulose bedeutet eine Schwächung der Faserstruktur und könnte einen Festigkeitsverlust erklärbar machen. Schadensfälle gebrochener Deckenbalken aus Biogasfermentern sind bisher zu wenig untersucht, die Datenlage zu gering, um zu allgemeingültigen Aussagen zu kommen. Weitere Forschungen zum Schadensmechanismus sind notwendig.“ Ich halte die Verwendung des Baustoffes Holz innerhalb eines Gärbehälters mit direktem Zu- gang zu dessen Klima- und Umweltbedingungen für nicht angezeigt. Der Eurocode 5 gaukelt dem Anwender aber vor, dass der Baustoff Holz in jedwedem Klima einsetzbar ist, wenn man denn nur die Bemes- sung der Bauteile nach der höchsten Nutzungs- klasse vornimmt. Tatsächlich fehlt im Eurocode 5 eine Nut- zungsklasse 4 bzw. eine Begrenzung seiner An- wendung „nach oben“. Literaturhinweise: – – Artikel aus der Zeitschrift „Der Bausachverständige“; Ausgabe 6/2013; Schadensfall Holzbalkendecke – Ma- terialzerstörung in einem Biogasfermenter; Prof. Dr. rer. nat. Claudia von Laar; Fraunhofer IRB Verlag/ Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB, Stuttgart; 7 Seiten – – „Handlungsempfehlung H-006 – Überprüfung von Holz- deckenkonstruktionen in Biogasbehältern“, Hrsg. Fach- verband Biogas e. V., Mai 2016 – – DIN EN 1995-1-1; Eurocode 5: Bemessung und Kon- struktion von Holzbauten Foto: Tetz Ingenieure

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