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Schützen & Erhalten · März 2020 · Seite 40 FACHBEREICHE I SCHIMMELPILZE Sind unangenehme Gerüche ein Mangel? Welche Maßnahmen sind erforderlich? Wird durch Luftprobennahme eine Kon- zentration an Geruchsstoffen festgestellt und identifiziert, die den Richtwert II übersteigt, ist es erforderlich, die Ge- ruchsquellen zu identifizieren und zu beseitigen. Richtwert I gilt dann als Sanierungszielwert. Bewegt man sich zwischen RW I und RW II, so sind auch hier in Abhängigkeit mit der Nutzung und der Konstitution der Nutzer Maß- nahmen (Lüftungskonzept) zu planen. Das ergibt sich aus der toxikologisch begründeten Sorge um die Gesundheit der Bewohner. Klarer Fall. Bewegen wir uns im Rahmen der Geruchsleitwerte oder einer anderen Bewertungsskala, die den Geruch ein- deutig als belästigend einstufen, ist auch dann Handlungsbedarf angezeigt, wenn keine toxikologisch begründete Gefähr- dung vorliegt. Hier sieht der Entwurf Maßnahmen einer verstärkten Lüftung bis hin zum Ausbau vor, wenn die Ge- ruchsbelästigung anders nicht minimiert werden kann. Die Notwendigkeit ist aus der Musterbauordnung (2) abzuleiten, in der es heißt im § 13 Schutz gegen schädliche Einflüsse: Bauliche Anlagen müssen so angeord- net, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, … sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Also auch keine geruchlichen Beläs- tigungen. Ob eine Geruchsbelästigung zumutbar ist oder nicht, kann wiederum durch die Geruchsleitwerte oder den AGÖF-Geruchsleitfaden abgeleitet wer- den. Es gilt, die Eskalationsstufen nach der Belästigung zu vermeiden. Also auch klar. Das sieht übrigens auch der Bun- desgerichtshof so: Im Beschluss V ZR 4/19 vom 10. Oktober 2019 führt der Senat aus, dass bei einem Haus aus dem Jahre 1914 weder ein sanierter noch ein Keller geschuldet war, der zu Wohnzwecken genutzt werden kann, sondern ein Keller in einem der Bauzeit des Gebäudes gemäßen Errichtungs- zustand. Ein Sachmangel wird aber im Allgemeinen vorliegen, wenn bedingt Geruchsqualität Referenz (ähnlich wie) ranzig/ käsig Buttersäure mandel-/marzipanartig Benzaldehyd fruchtig- stechend Acetaldehyd citrusartig Limonen essigartig Essigsäure ziegenartig Capronsäure kiefernholzartig/ harzig α - Pinen fischig Trimethylamin pilzartig 1-Octen-3-ol schimmelig/modrig Geosmin muffig 2,4,6-Trichloranisol faulig Methanthiol (Methylmercaptan) urinartig Ammoniak fäkalienartig Dimethylsulfid linoleumartig höhere Aldehyde phenolisch o- Kresol mottenkugelartig Naphthalin carbolineumartig PAK lösungsmittelartig, aromatisch Toluol Lösungsmittelartig, süßlich Ethylacetat heizöl- dieselartig längerkettige Alkane alter Tabakrauch Schwefel-Stickstoff Heterocyclen Tabelle 3: Beispiele für typische Geruchsbeschreibungen und Referenzsubstanzen, entnommen und gekürzt aus (6) durch die Feuchtigkeit des Kellers – wie die Kläger behaupten ein muffiger bzw. modrig-feuchter Geruch durch die übri- gen Bereiche des Hauses zieht, der von Besuchern beim Öffnen der Tür sofort wahrgenommen wird. Fazit Gerüche beeinflussen unser Leben. Geruchsbelästigungen können es zu Hölle machen. Dabei sind unangeneh- me Gerüche im Innenraum häufig auf Baustoffe aber auch auf Möbel bis hin zu mikrobiellen Schäden zurückzuführen. Wird daraus eine Belästigung, kann dies als Sachmangel gewertet werden. Stellt man sich vor, dieser Belästigung fortwährend gerade dort ausgesetzt zu sein, wo man sich sicher fühlen möch- te und Erholung sucht, wird klar, wie schnell sich die Eskalationsspirale drehen und ernsthafte gesundheitliche Probleme auftauchen können. Dazu muss keine to- xikologische Wirkung belegt sein. Daher sind Geruchsbelästigungen im Sinne der Innenraumhygiene zu beseitigen. n Literatur 1. Bundesgesundheitsblatt 2014/ 57:148–153: Gesund- heitlich-hygienische Beurteilung von Geruchsstoffen in der Innenraumluft mithilfe von Geruchsleitwerten/ Bekanntmachung des Umweltbundesamtes 2. Musterbauordnung (MBauO) in der Fassung No- vember 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 21.09.2012 3. D. Laußmann, D. Eis: Befindlichkeitsstörungen bei Umweltambulanz-Patienten: Über die Bedeutung der Luftwechselrate und von flüchtigen organischen Ver- bindungen (VOC) in der Innenraumluft, Umweltmed Forsch Prax 14 (2) 2009 4. G. A. Wiesmüller, W. Bischof: Gebäudebezogene Gesundheitsstörungen, Prakt. Arb.med. 2006 5. AEGU: Medizinische Fakten zur Beurteilung von Geruchsimmissionen, Leitfaden, Aktualisierte Fassung 2016 6. Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitu- te e.V. (AGÖF): Leitfaden „Gerüche in Innenräumen – Sensorische Bestimmung und Bewertung“, 2013 7. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB): Arbeitsbericht 47 „Umwelt und Gesundheit“; 1997 8. G. A. Wiesmüller, R. Szewzyk, C. Baschien, T. Gabrio, G. Fischer, L. Grün, B. Heinzow, T. Hum- mel, J. Panašková, J. Hurraß und C. E.W. Herr: Häufige Fragestellungen in Zusammenhang mit der Bewertung möglicher Geruchswirkungen und Be- findlichkeitsstörungen von Schimmelpilzexpositionen Antworten eines Round Table auf dem Workshop „Schimmelpilze – Geruchswirkungen und Befindlich- keitsstörungen“ im Rahmen der GHUP-Jahrestagung 2012 Umweltmed – Hygiene – Arbeitsmed 18 (1), 2013 9. Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsins- titute e.V. (AGÖF): AGÖF-Orientierungswerte für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft (Aktualisierte Fassung vom 28. November 2013)
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