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Die Baustellensteuerung, Problemfeld Zeit E ines der schwierigsten Themen in der Auftragsabwicklung selbst stellt die Baustellensteuerung dar. Der „übliche Weg“ zumindest bei Großaufträgen ist die Übergabe des Auftrages an den Baustellenleiter in Form eines Blan- ketts. Hier sind dann alle Leistungen beschrieben, im Idealfall sogar versehen mit Zeitvorgaben für die Abarbeitung einzelner Leistungspositionen. Die Zeit- vorgaben selbst, auch idealerweise, sind durch Erfahrungen aufgrund von Nachkalkulationen entstanden. Abgese- hen von dem Problem, dass eine Nach- kalkulation der Baustellen noch nicht durchgängig den Normalfall darstellt und in den meisten Betrieben der eige- ne Kostensatz nicht gesichert bekannt ist, treffen jetzt diese Zeitvorgaben auf meine Mitarbeiter. Insbesondere in Be- trieben, in denen die Zeitvorgabe bisher lautete: „So schnell wie möglich“, die dann konkrete Werte vorgeben, sind nicht selten konfrontiert mit Mitarbei- teraussagen wie „ich kann nicht mehr wie arbeiten“ oder „das ist in dieser Zeit nicht zu schaffen“. Zeitvorgaben sind aus Mitarbeitersicht im Regelfall negativ besetzt. Diese Wahrnehmung ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum Zeitvorgaben in der Praxis nur schwer umgesetzt werden können. Ein weiterer Grund, warum es schwierig ist, ist das Phänomen, dass selbst langjährige Mitarbeiter häufig Probleme damit haben, einschätzen zu können, wie lange sie für eine Leistungs- ausführung benötigen. Und wir reden hier nicht von Sonder-, sondern Stan- dardarbeiten. So kommt der Mitarbeiter, der zusammen mit einem Kollegen am Montag für eine Baustelle eingeteilt ist, die bis zum Freitagnachmittag fertig sein muss, aufgeregt am Dienstagabend zum Chef um ihm mitzuteilen, dass er und sein Kollege es unmöglich in die- ser Zeit schaffen können und weitere Unterstützung dringend benötigt wird. Dieser Wunsch muss aber aufgrund der vollen Auslastung abgelehnt werden. Der gleiche Mitarbeiter kommt dann am Donnerstag ins Büro zum Chef und sagt: „Chef, wir sind durch“. Ein weiteres Phänomen im Handwerk besteht darin, dass Arbeiten, die am Frei- tag fertig werden müssen, exakt zu der Uhrzeit enden, wie die Arbeitszeit endet. Egal ob die Arbeitsanweisung an den Mitarbeiter eine Zeitvorgabe enthält oder nicht, in dem Moment, wo wir einen verbindlichen Preis abgegeben haben, der letztlich sich aus den Faktoren Ma- terialkosten und Lohn zusammensetzt, fängt beim Baustellenbeginn im Hinter- grund eine Uhr an zu ticken. Nach dem einfachen „betriebswirtschaftlichen“ Prinzip: Angebotssumme – Materialkosten/Sonderkosten : Stundenverrechnungssatz = Verfügbarer Zeitrahmen Selbstverständlich muss der Zeitrah- men auch realistisch und handwerklich machbar sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass wenn man die Mitarbeiter selbst ihre benötigte Zeit schätzen lässt, sie in den meisten Fäl- len sogar einen niedrigeren Zeitansatz schätzen, als die Kalkulation es vorgeben würde. Im Wesentlichen sind in der Praxis bei Zeitvorgaben, zwei Ansätze zu finden. – Ansatz 1 , die Zeitvorgabe je Leistungsposition in Minute und Gesamtzeit und – Ansatz 2 , die Vorgabe der Gesamt- zeit für die Abarbeitung des Ge- samtauftrages. Beide Ansätze, so rechnerisch richtig sie auch sein mögen, werden in der prakti- schen Umsetzung nicht selten durch zwei Problembereiche ausgebremst. Im Falle des Ansatzes 1, wenn bspw. der Auftrag über eine Ausschreibung generiert wurde, dass die Massen nicht stimmen, Positionen hinzukommen, dafür andere entfallen. Und im Falle 2, dass ab einer be- stimmten Auftragsgröße die Zeitvorgabe als Summe zu komplex ist und nicht mehr richtig eingeschätzt werden kann. Das Problemfeld „Zeit“ spielt auch bei der juristischen Betrachtung eine große Rolle. So können Leistungserwei- terungen und neue Aufträge auch zu einer Verlängerung der Bauzeit führen. Gerade wenn eine feste vertragliche Vereinbarung vorliegt und eventuell ein Vertragsstrafenversprechen abgegeben wurde, kann eine Verzögerung der Fer- tigstellung den Auftragnehmer viel Geld kosten. Deshalb ist bei der Erweiterung der Leistung, z.B. bei einer Erhöhung der Massen oder zusätzlicher Aufträge, dem Auftraggeber immer anzuzeigen, dass sich die Ausführungsdauer verlängern kann. Dies geschieht mit einer sog. Behinderungsanzeige. Sollte der Vertrag auf Basis der VOB/B abgeschlossen worden sein, so finden sich Regelun- gen in §6 Abs. 1 VOB/B. Dort heißt es: „glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er es dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen.“ Für die Eingehung einer Behinderungsanzeige reicht es aus, wenn der Auftragnehmer „glaubt“, dass eine zeitliche Verzögerung eintreten kann. Es muss nicht feststehen, dass ein zeitlicher Verzug eintritt. Weiterhin ist es entschei- Schützen & Erhalten · März 2020 · Seite 42 BETRIEBSWIRTSCHAFT

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