web_SuE_ June_2017

Fachbereiche Schimmelpilze Immer mehr häuften sich nunmehr auch Beschwerden. Personen, deren Wohnungen mit Tapeten oder Anstriche mit Schweinfurter Grün ausgestattet waren, berichteten über Kopf- schmerzen und Übelkeit. Das veranlasste den Heidelberger Chemiker Prof. Leopold Gmelin, sich im November 1839 in der Karlsruher Zei- tung zu äußern und festzustellen, dass die Be- schwerden hauptsächlich in feuchten Räumen verbunden mit einem „widrigen, mäuseartigen Geruch“ auftreten. Er stellte dabei auch den Zu- sammenhang zu den durch die Feuchte zersetzten Papier und Kleister der Tapeten her, „in welche die grüne Farbe hineingezogen wird“(1, 3). Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass Ar- senverbindungen, wenn sie oral oder dermal aufgenommen werden, giftig sein können. Man ging aber davon aus, dass dies nur bei der Pro- duktion der Tapeten etc. eine Rolle spielen würde und bei der abgebundenen Farbe nicht auftreten kann. Auch kannte man bereits giftige gasför- mige organische Verbindungen wie das Alkorsin, einem Reaktionsprodukt von Arsenik, Essigsäure und Kalk. Daher meinte auch Gmelin, dass die Beschwerden durch Alkorsin ausgelöst werden könnten. Es war sogar schon möglich, Arsen in der Raumluft nachzuweisen. Allerdings ist das damals nicht gelungen, heute weiß man, dass die Nachweisgrenze einfach noch zu hoch war, um die freigesetzten Mengen zu erfassen (7). Bereits 1837 trat ein Gesetz zum Verbot von giftigen Farbpigmenten in Kraft, wurde aber auf Druck der Industrie schnell wieder zu- rückgenommen. So ging das ein paar Jahre hin und her. Der Streit der Befürworter und Gegner des Schweinfurter Grüns setzte sich jedoch fort. Zahlreiche Chemiker befassten sich daraufhin mit der Problematik und begannen, die Scha- densfälle zunächst in kleinen Experimenten und später in Innenraum-Studien nachzustellen. Aus den 1850er und 1860er Jahren sind zahlreiche Veröffentlichungen über die Giftigkeit von ar- sengrünen Tapeten einsehbar. Der endgültige Beweis blieb jedoch aus (1, 2). Und was haben Schimmelpilze damit zu tun? Nun kommt der Auftritt der Schimmelpilze. 1844 veröffentlichte Carl von Basedow, dass Penicillium brevicaule (heute heißt diese Art Scopulariopsis brevicaulis ) aus leimgebundenem Schweinfurter Grün in Tapeten und Anstrichen organische Ar- senverbindungen freisetzt, die über die Atem- luft zu Vergiftungen führen. Das hat dem Scopu- lariopsis brevicaulis auch den Namen Arsenpilz eingebracht. 1872 beobachtete Hugo Fleck bei Experimenten mit stärkegebundenen Tapeten, dass sich schnell ein Schimmelrasen bildete, an dem sich sogar metallisches Arsen abschied. Mehrfach gelang ihm dabei auch der Nachweis von Arsen in der Raumluft (3). Natürlich rief das die Industriellen auf den Plan und so verfasste in 1855 Carl Sattler, dem Sohn von Wilhelm Sattler, eine Gegenschrift, in der er den Behörden Panikmache vorwarf. Er veröffentlichte zudem Studien mit Arsentape- ten in feuchten Wohnungen, angeblich waren die Bewohner beschwerdefrei und Arsen war in der Luft auch nicht nachweisbar (wir wissen be- reits, warum). Dennoch kam es in den Jahren 1879 – 1882 (hier gibt es unterschiedliche An- gaben) zu einem Verbot von Schweinfurter Grün als Farbe. Bis 1942 wurde Schweinfurter Grün jedoch als Pflanzenschutzmittel im Weinanbau genutzt (1, 5). Bis in die heutige Zeit gab es zahlreiche Versuche, die Giftigkeit des Schweinfurter Grüns nachzuweisen, was aber erst 1933 Wissenschaft- lern der Universität Leeds mit dem Nachweis des Stoffwechselproduktes Trimethylarsin [As(CH 3 ) 3 ], ein Derivat des tödlich giftigen Arsins [AsH 3 ], gelang (1, 5)! Und unsere Schimmelpilze? Feuchte Woh- nungen, Stärkekleister und Papier. Das sind natürlich die Grundzutaten für einen schönen Schimmelpilzbefall. Und dann ein bisschen Arsen dazu? Bereits 1914 wird über Arsenpilze berich- tet, die auf arsenhaltigen Nährböden Diethylarsin freisetzen (2). Da findet sich neben dem P. bre-

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=