web_SuE_ June_2017

Fachexkursion „Nichts ist so beständig wie der Wandel” Sizilien – DHBV-Fachexkursion 2017 Wohl bei keiner der DHBV-Bauten- schutzexkursionen trat diese Weisheit des griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus so deutlich zu Tage, wie auf der diesjährigen Sizilienrundfahrt. Sizi- liens einzigartige kulturelle Vielfalt, als Ergebnis ständig wechselnder kultureller und politischer Einflüsse, findet ihren Niederschlag in einem Architekturmix, der unterschiedlicher nicht sein könnte und den Betrachter erstaunt und tief be- eindruckt in seinen Bann zieht. Man muss kein Kunstkenner sein, um die Schönheit dieser faszinierenden Insel zu entdecken und zu schätzen. Antike Tempel, mittelalterliche Burgen, arabische Paläste, byzantinische und barocke Kirchen, ver- schnörkelte Bürgerhäuser, errichtet von Grie- chen, Karthagern, Römern, Vandalen, Byzanti- nern, Arabern, Normannen, Staufern, Franzosen, Spaniern und Italienern, als Gesamtensemble sind sie die baulichen Zeitzeugen all jener Kul- turen, die im Laufe von zweieinhalb Jahrtau- senden die Geschichte der Insel geprägt haben. Und so drängen sich wohl nirgendwo in Europa die Kulturdenkmäler so dicht an dicht wie auf Sizilien, wobei die bedeutendsten baulichen Re- likte aus drei maßgeblichen Epochen stammen: der Antike, der Zeit der Normannen und Staufer sowie dem Barock. Die Antike Seine erste kulturelle Blüte erlebte Sizilien durch Zuwanderer aus Griechenland. 734 v. Chr. grün- deten griechische Siedler aus Korinth die Stadt Syrakus, die sich in Folge zur größten und mäch- tigsten Stadt der Insel entwickelte. Zweihun- derttausend Menschen lebten in der durchweg von Tyrannen beherrschten Stadt, deren Befe- stigungsring nahezu unglaubliche 32 km um- fasste. Neben dem Ausbau ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht waren die Herrscher geradezu besessen von der Idee, dem griechi- schen Mutterland kulturell ebenbürtig zu sein. Zum Beweis holten sie Dichter wie Aischylos, Pindar und Simonides an ihren Hof. Selbst Pla- ton lehrte in Syrakus und mit Archimedes konnte sich die Stadt rühmen, den wohl berühmtesten Wissenschaftler und Erfinder seiner Zeit unter den Einwohnern zu wissen. Dem bedeutendsten Herrscher unter ihnen, Dionysios I., schuf Friedrich Schiller mit seinem Gedicht „Die Bürgschaft“ ein zeitloses Denkmal. Dionysios gehörte nicht nur zu den mächtigsten Tyrannen der Antike, er war auch der am läng- sten Regierende. Seine Herrschaft umfasste von 405v.Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 367 acht­ unddreißig Jahre. Während dieser Zeit baute Dionysios den von ihm beherrschten Staat zur stärksten griechischen Militärmacht und Syrakus zur größten Stadt der damaligen griechischen Welt aus. Erst 212v.Chr. gelang es den Römern nach dreijähriger Belagerung das reiche und mächtige Syrakus einzunehmen. Die nachfolgende Plünde- rung sollte auch Archimedes nicht überleben. Laut der Überlieferung Plutarchs war der Gelehrte ge- rade mit einem mathematischen Beweis beschäf- tigt und derart in seine Studien vertieft, dass er einen beim Plündern in sein Haus eindringenden Soldaten aufgefordert haben soll, ihn nicht zu stö- ren, worauf dieser ihn erschlug. Eine Anekdote der Weltgeschichte und der Satz „Noli turbare circulos meos“ (Störe meine Kreise nicht) ist heute noch ei- ner der bekanntesten Sätze in lateinischer Sprache. Stolz weisen die Sizilianer den Besucher ihrer Insel daraufhin, dass jedem, der die grie- chische Baukunst erkunden will, Sizilien weit mehr zu bieten hat, als das griechische Mutter- land. Entsprechend finden sich beeindruckende Beispiele der griechischen Hochkultur über die gesamte Insel verteilt, so das noch heute für Aufführungen genutzte Theater in Syrakus und vor allem die archäologischen Stätten von Ag- rigent. Der dortige Concordiatempel ist der am besten erhaltene griechische Tempel weltweit und trägt dazu bei, dass Sizilien als das Mekka der griechischen Tempelarchitektur gilt. Doch auch die Römer haben, wie überall wo sie herrschten, ihre bekannten, klar zuzuord- nenden Monumente hinterlassen, eindrucksvoll zu besichtigen in Syrakus wie auch in Catania in Form von imposanten Amphitheatern. Für Rom war Sizilien nach der vollständigen Eroberung der Insel im zweiten Punischen Krieg die erste Etappe auf dem Weg zur Weltmacht. Für Sizilien selbst begann damit allerdings ein Jahrtausend von geringerer Bedeutung. Erst 827 mit der In- vasion der Araber brach eine zweite Glanzzeit an, denn ähnlich den Mauren in Spanien sorgten nun die Sarazenen für eine Epoche erneuten architektonischen und materiellen Reichtums. Blick von der Dachterrasse der Hotelunterkunft in Catania auf den 3323 Meter aufragenden Gipfel des Ätnas. Ein Highlight für Kunsthistoriker – die Kathedrale von Syrakus. In ihrem Innern noch als griechischer Tempel erkennbar, vereint sie Elemente der byzantinischen Baukunst und der normanni- schen Romanik, während ihre Fassade im sizilianischen Barock erstrahlt. Schützen & Erhalten · Juni 2017 · Seite 38

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