web_SuE_ June_2017
Fachexkursion Freilichtmuseum. Die mit hellbeigem mitunter honigfarben schimmern- dem Kalkstein errichteten Bauwerke sowie die Gassen und Plätze dieser auf dem Reisbrett entworfenen Stadt strahlen eine Harmonie aus, der man sich nicht entziehen kann. Über eine breite Freitreppe er- reichbar erhebt sich im Zentrum Notos die prächtige Barockfassa- de der Kathedrale San Nicolò. An ihr zeigt sich besonders deutlich, mit welchen Gefahren das 1989 vom Europarat zur „Hauptstadt des italienischen Barocks“ ernannte 24.000-Seelen-Städtchen heute zu kämpfen hat. Im Jahr 1996 sackte nach einem Unwetter die Kuppel des Doms in sich zusammen. Der Grund hierfür waren über Jahre hinausgeschobene dringend not wendig gewordene Sanierungsar- beiten. Erst nach elf Jahren wa- ren die Wiederaufbauarbeiten ab- geschlossen und die Kathedrale konnte erneut geöffnet werden. Seitdem wird versucht zu retten, was zu retten ist, um die Stadt als Juwel des sizilianischen Barocks zu erhalten. Die wichtigste Flanier- meile, der Corso Vittorio Emanuele, ist inzwischen für den Autoverkehr gesperrt und der Dom wurde mit großem Aufwand einer Komplett- sanierung unterzogen. Bei allem Wandel ist eines bis heute geblieben: Nie regierten sich die Sizilianer selbst. Eine Macht folgte der anderen. In der Neuzeit waren es Franzosen, Spanier und Österreicher, die auf der Insel ei- nen rigiden Feudalismus betrieben, ehe Sizilien vom italienischen Na- tionalhelden Giuseppe Garibaldi 1860 für den neuen italienischen Einheitsstaat erobert wurde. Doch anstatt des erhofften Aufschwungs beschleunigte die Vereinigung Si- ziliens mit dem neuen Königreich Italien den wirtschaftlichen Nieder- gang der Insel dramatisch. Entspre- chend konnte Rom seine Herrschaft erst nach Niederschlagung diverser Aufstände behaupten. Resigniert wanderten viele nach Amerika aus, Sizilien wurde zum Armenhaus. In der ewigen Fremdbestim- mung glauben heute Historiker die Ursachen für Apathie und Staatsmisstrauen der Inselbewohner bis hin zur Loyalität der Sizilianer zu Parallelautoritäten wie der Mafia zu erkennen. Vielleicht ist es aber auch nur eine charakterliche Be- sonderheit, wie sie Giuseppe To- masi de Lampedusa, der Autor des Sizilien-Romans „Der Leopard“, in seinen Landsleuten entdeckt zu haben glaubt. Für ihn sind die Sizilianer schlichtweg ambitions- los. „Die Sizilianer werden nie den Wunsch haben, sich zu verbessern, aus dem einfachen Grund, weil sie glauben, vollkommen zu sein: Ihre Eitelkeit ist stärker als ihr Elend“, lässt er seinen „Leoparden“ Don Fabrizio sagen. Ersetzt man „Eitelkeit“ durch „Selbstverliebtheit“, so klingt dies nahezu rheinisch vertraut. fr 1 Mit der Eroberung durch die Römer begann für Syrakus der Niedergang – heute nicht mehr als eine Aus- grabungsstätte – das Amphitheater von Syrakus. 2 Erbaut von den Normannen zeigt sich bei der Kirche San Cataldo in Palermo besonders eindrucksvoll das Zusammenspiel romanischer Bauweise mit arabisch-byzanti- nischen Elementen. 3 Ein anschauliches Beispiel für die Epoche der spanischen Herrscher im 15. Jhdt. – die im Stile der katalanischen Spätgotik errichtete Kathedrale von Cefalù. 4 Beeindruckt durch seine geradezu puristische Schlichtheit – der von drei Kuppeln gekrönte Innenraum von San Cataldo. 5 Lässt nichts von seiner Pracht im Inneren erahnen – die schmuck- lose, stark sanierungsbedürftige Fassade des als Festung errichteten Normannenpalastes in Palermo. 6 Ein Juwel normanisch-byzanti- nischer Baukunst, der Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerklo- sters in Monreale. Besichtigung der Sanierungsarbeiten an den Gewöl- ben sowie an einer der insgesamt 228 unterschiedlich verzierten Zwillingssäulen. Fotos: Dr. Dietger Grosser, Rico Niewisch, Irene Remes, Christian Sailer, Axel Werner Schützen & Erhalten · Juni 2017 · Seite 41 6 6 5 3 4 2 1
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