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Schützen & Erhalten · Juni 2017 · Seite 88 Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Wissenswertes Mehlwürmer fressen Styropor Wir alle kennen Styropor als Baustoff oder als Verpackungsmaterial für heiße Mahlzeiten und Getränke. Styropor ist die umgangssprachliche Bezeichnung für aufgeschäumtes Polystyrol (auch Poly- styren). Es handelt sich also um einen Kohlenwasserstoff. Durch die ringförmige Struktur, ist dieses Polymer in der Natur sehr beständig. Er wird also nur sehr langsam, wir sprechen hier von Jahren, auf natürlichem Wege und dann auch nur unter Einwirkung von UV-Licht, abgebaut. Dies sieht nun völlig anders aus, wenn Mehl würmer auf Styropor treffen. 2015 entdeckten Wissenschaftler in Stanford (Kalifornien), dass Mehlwürmer in der Lage sind, Polysty- rol zu verzehren und in Kohlenstoffdioxid und krümeligen Kot zu zersetzen. Dabei verzehrte jede Larve mehrere Milligramm täglich. Im Ex- periment wurden die Insekten über vier Wo- chen ausschließlich mit Styropor gefüttert. Es konnte kein Unterschied zwischen ihrem Ge- sundheitszustand und einer normal ernährten Kontrollgruppe festgestellt werden. Somit sind Mehlwürmer in der Lage sich von Polystyrol zu ernähren (Bild 1). Die Biologen wissen, dass bei der Aufspaltung des Kohlenwasserstoffs Mikroben im Darm beteiligt sind, können aber den Stoffwechselvorgang zum Abbau des Sty- rols nicht weiter erklären. Natürlich basiert diese Beobachtung auf Laborexperimenten, in denen die Mehlwürmer keine Wahlmöglichkeit bezüglich ihres Futters hatten. Mehlwürmer wenig wählerisch Bereits aus anderen Fällen wissen wir, dass Mehl- würmer ein breites Nahrungsspektrum besitzen. So folgen die Mehlwurmlarven, etwa als Sekun- därschädling, holzzerstörenden Insekten ins Substrat und fressen dort deren proteinhaltigen Larven. Von daher müssen wir bei unseren Be- kämpfungsansätzen immer berücksichtigen, wo noch versteckte Nahrungsreste den Käfern Ent- wicklungsmöglichkeiten bieten können. In den 90er-Jahren wurden in Hamburg im Bereich des Fischmarkts, ehemalige Getreide- speicher aufwendig saniert und zu hochpreisigen Lofts mit Elbblick umgebaut. Die Mieter klagten noch lange über Käfer, die aus Fugen und Ritzen, aus Decken und Verkleidungen in die Wohnung fielen. Vielleicht überlebeten diese gar nicht an versteckten Getreideresten, sondern lebten vom Isoliermaterial. Wir erinnern uns noch gut, dass die Architekten behauptet hatten, das Gebäude komplett entkernt zu haben. Wir haben damals argumentiert „..kann ja gar nicht, sonst hätten Sie keine Käfer..:“ Zukünftig sollten wir Styropor also in unserer Beratung zur Ursachenfindung eines Mehlkäfer- befalls und als potentielles Substrat für einen versteckt lebenden Restbestand, im Hinterkopf behalten. Dabei gehen wir allerdings davon aus, dass Getreidenahrung stets vorgezogen wird und es unwahrscheinlich ist, dass ein Mehlkäferbefall an Wohnhäusern entsteht, weil sie den lecke- ren Styroporplatten nicht widerstehen können (Bild2). Polystyrol als Nahrung für Mehlkäfer wird eher eine Ausnahme sein. Denkbar ist, dass ein vorhandener Mehlkäferbefall bei Entzug der bis dahin vorhandenen Getreidenahrung, auf ande- re verwertbare Substrate ausweicht. In der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen. Das könnte dann eben Styrol sein. Biologischer Abbau – Chance auf Müllentsorgung Zuletzt war Styropor in die Schlagzeilen gekom- men, weil das enthaltene Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) als giftig einge- stuft wurde und nur wenige Müllverwertungsan- lagen geeignete Entsorgungsverfahren anbieten konnten. Daraufhin beschloss der Bundesrat eine Ausnahme in der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) für HBCD bis zum Jahresende 2017. So lange wird bei Sanierungsarbeiten anfallendes Styrol noch von den Handwerksfirmen abgenom- men und ordnungsgemäß entsorgt. Im Dezember sollen ausreichend Unternehmen nachgerüstet haben, so dass sie die Abfälle auch gemäß AVV entsorgen können. Ein echtes Recycling von Polystyrol findet derzeit nicht statt, sondern in erster Linie wird es thermisch entsorgt. Der Transport ist ausge- sprochen teuer, da der Kubikmeter nur wenige Kilogramm wiegt. Sollten die Mehlwürmer nun auch mit HBCD-haltigem Styropor fertig werden, wäre dies ein vielversprechender Ansatz neue Entsorgungsmöglichkeiten auszuprobieren. Viel- leicht möchten unsere Kollegen nicht immer nur exotische Insekten wie Fauchschaben, Walzen- spinnen und Stabheuschrecken halten, sondern eine Mehlwurmzucht könnte der Start für eine neue Geschäftsidee sein. Nach einer Pressenotiz von: JORDAN, ROB. “Plastic-eating Worms May Offer Solution to Mounting Waste, Stanford Resear- chers Discover.” Stanford News. Bild 2: Styropor als Baustoff. Bild 1: Experiment mit Mehlwürmern an Styropor. Foto: Yu Yang Foto: Marcin
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