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Schützen & Erhalten · Juni 2019 · Seite 86 DIE EX-PRESS Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema Wunsch, endlich doch mal eine Ratte zu sehen, die aus der Schüssel springt. Leider bisher erfolglos. Ich weiß nicht, wie es Ihnen bisher ergangen ist. Was bringt uns das Wissen über die Ratten? Wenn wir die vorgenannten Leistungen nun einbinden in unsere tägliche Arbeit, wird klar, dass Ratten empfindlich darauf reagieren, wenn wir neue Gegenstände in Ihnen bekannte Territorien stellen. Diese Neophobie ist jedem Kollegen geläufig. Aber die hohe Disziplin des Lernens und das was einen guten Schädlingsbe- kämpfer ausmacht ist doch, wenn viele Einzelinformationen zusammengefügt, neu kombiniert und eigene Schlüsse für sich gezogen werden. Klar, zunächst sind neue Ideen nur reine Arbeitshypothesen. Aber spätestens dann, wenn man an einem Objekt nicht weiterkommt, sich die Zähne ausbeißt, bin ich dankbar für jede kreative Idee, die sich vom Schema F und dem tumben Boxenaufstellen unterscheidet. Zu schnell wird dann auf nicht funktionierende Mittel geschimpft oder Resistenzen vorgeschoben. Wir müssen intelligenten Tieren auch mit Intelligenz begegnen. Out oft he Box denken. Anders sein. Besser sein. Kombinieren wir das Phänomen Neophobie und die grundsätzliche Neugier Territorium auf der Suche nach Nahrung zu erkunden, dann ist eine einzelne, neu aufgestellte Box höchstwahrscheinlich nicht wirksam. Sie wird in einer erkundeten Gegend als Fremdkörper wahrgenommen. Bei Nahrungsknappheit, attraktiv duftendem Köder usw. kann sofort die Neugier die Oberhand gewinnen. Was aber attraktiv ist, entscheidet die Ratte. Nicht unsere Nase. Nach 10 neuen Ködern und drei Besuche später schimpfen wir immer noch auf die Neophobie. Eine erlaubte Frage sollte aber sein, „was haben wir falsch gemacht?“ Wenn Ratten wie aufgezeichnet so wahnsinnig geruchs- empfindlich sind, haben wir Störgerüche weitestgehend ausgeschaltet? Haben unsere Köder neben dem ausgelaufenen Benzinkanister gestanden, ist etwas von der lösemittelhaltigen Spritzbrühe im Kofferraum über unseren Eimer mit den Ködern gelaufen? Haben wir noch unser großzügig verteiltes After-Shave an den Fingern wenn wir Köderboxen bestücken? War der Hund im Kofferraum und hat auf allen Gegenständen seine Geruchsspur hinterlassen? Rauchen wir im Auto? Letzteres ein echtes No-Go. All diese Faktoren können die sorgfäl- tig zusammengestellte Lockwirkung der Hersteller beinträchtigen, ja sogar zunich- te machen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Englische Kollegen berichten, dass der rote Farbstoff bei ansonsten gleicher Formulierung, am wenigsten attraktiv ist. Dies soll nun um Gottes Willen nicht rote Köder verdammen. Nein, viel mehr soll hier angeregt werden, über alle Aspekte nachzudenken, wenn Bekämpfung nicht funktioniert. Welche Parameter können noch rotiert werden? Auch wer mit grünen oder blauen Ködern erfolgreich ist, muss sich irgendwann darauf vorbereiten, dass Überlebende derart selektiert worden sind, dass sie die Farben die wir ihnen anbieten schmecken und vermeiden. Über den Geschmack der Wirkstoffe müssen wir uns dann gar nicht unterhalten. Die sind ja alles andere als neutral. Räumen Sie mal so richtig auf Gehen wir nun davon aus, dass alles funktioniert. Die Köderbox nicht mehr nach Fabrik oder Weichmacher riecht, der Köder saftig lecker ist und wir eigentlich alles richtig gemacht haben. Was denn, wenn wir nun so viel wie möglich für die Ratten im Bekämpfungsareal verändern? Etwa ein befallenes Magazin komplett aus- oder aufräumen. Alles umstellen. Jeden Gegenstand bewegen, von den Wänden abrücken und sämtliche Orientierungspunkte neu mischen. Ja ich weiß, wer soll das bezahlen? Reden Sie mit Ihrem Kunden darüber. Wenn irgendwer sich in einem Keller, befallenen Raum oder in einem Objekt ausgetobt hat, ist die Welt der Ratten komplett auf den Kopf gestellt. Dann ist es nicht nur ein neuer Gegenstand der im Weg ist, sondern der ganze Raum bietet einfach zu wenig An- haltspunkte für die gelernten Wege und die gelernte Orientierung. Nun können die Ratten dermaßen erbost sein (wer weiß das schon vorher?), dass Sie das Weite suchen. Ziel erreicht. Zumindest temporär. Oder aber sie sind gezwungen komplett neu zu erkunden. Unter Umständen führt das zu einer viel schnelleren Annahme neuer Köder in neuen Stationen als einfach nur zusätzlich hingestellte Boxen. Erfolgreiche Schädlingsbekämpfung ist selten bequem, selten genormt und hängt immer mit Kreativität und viel Ausprobieren zusammen. Und sollte die vorgeschlagene Idee nicht gefruchtet haben, nun, dann haben Sie zumindest durch das Aufräumen (oder dessen Veranlassung) die Betriebshygiene erhöht und so manches Schätzchen beseitigt, welches die Ratten begünstigt hatte. Hochwertiges Futter wird von den Ratten bei satten Artge­ nossen, die bereits gefressen haben, erschnüffelt und gezielt aufgesucht. (Foto: Volker Glätsch)

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