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Schützen & Erhalten · Juni 2019 · Seite 87 DIE EX-PRESS Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema Brexit berührt unsere Branche B isher sind wir ganz cool und igno- rant, was auf einer einsamen da- hintreibenden Insel in der Nordsee passiert. Schließlich haben wir eigene Aufgaben und das täglich in den Nach- richten servierte Affentheater fremder Politiker interessiert den Deutschen Schädlingsbekämpfer eher nicht. Okay, irgendwo hat man vielleicht schon mal gehört, dass der Handel schwieriger wird. Aber was passiert und wie genau, kann keiner seriös sagen. Man wird bei Produkten aus Großbritannien gar nicht mal so sehr Preisänderungen erwarten, sondern möglicher Weise Lieferschwie- rigkeiten. Verzögerungen sind vorpro- grammiert und neue Handelswege müssen sich noch etablieren oder im besten Fall alte angepasst werden. Großbritannien wird zum Ausland Ein paar Dinge aber, werden unsere Bran- che vor neue Herausforderungen stellen. Wenn ganz Europa ein Binnenmarkt ist (27 Mitglieder), dann ist der scheidende Staatenbund (Großbritannien), trotz Teilnahme an der letzten Europawahl, zu einem noch zu definierenden Zeitpunkt X rechtlich gesehen wieder Ausland. Auch für das Pflanzenschutzgesetz und alle dort geforderten Quarantänemaßnahmen. Also auch der Schutz vor nicht heimischen Schädlingsarten wird ein neues Thema im Warenverkehr zwischen der EU und dem vereinten Königreich. Man darf gespannt sein, wie Waren zukünftig auf die Asiatische Hornisse oder andere Einwanderer kontrolliert werden. Was gestern noch gemeinsame invasive Arten im eigenen Land waren, sind morgen dann außereuropäische Schädlinge. Zumindest aus Sicht der EU. Aber auch etablierte und einheimische Arten werden durch den Vollzug des Brexit zum Quarantäneschädling im Handel zwischen der EU und Großbritannien. Die Situation zur Marmorierten Stinkwanze ( Halyomorpha halys = BMSB) aus Asien und die zu erwartenden Kontrollen sind in ihrer Umsetzung noch völlig unklar. Aus Richtung des Gesetzgebers hört man noch nichts von einer Vorbereitung, geschweige den etwas von einem Aktionsplan. Sicherlich, Gesetze bestehen bereits und sind anzuwenden. Aber ist das gewollt? Die biologische Sinnhaftigkeit ist auch nur bedingt vorhanden, nachdem jahrzehn- telang zwischen dem Festland und den Inseln des Vereinten Königreiches, Waren ohne Pflanzenschutzmaßnahmen hin- und hertransportiert wurden. Käferalarm – ISPM 15 gilt für Großbritannien Für Paletten und andere Transporthilfsmit- tel aus Vollholz greifen dann phytosanitäre Maßnahmen wie der ISPM Nr. 15. Danach müssen Paletten hitzebehandelt werden. Eine Entwesung mit bei uns zugelassenen Begasungsmitteln ist nach diesem Stan- dard bisher nicht anerkannt. Von der FDP gibt es eine Anfrage an die Bundesregierung, wie der Plan aussieht, unbehandelte Paletten zwischen der EU und Großbritannien zu bewegen. Die Antwort des Landwirtschaftsministeriums ist, dass die einschlägigen phytosanitären Maßnahmen im Fall eines Brexit anzuwen- den sind. Der Verband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackungen schätzt, dass etwa 50 Millionen unbehandelte Holzpaletten im Jahr in der EU gefertigt werden. Wegen der Lebensdauer und Mehrfachnutzung ist der gesamte Bestand natürlich viel höher. Wieviel davon nach Großbritannien gehen, weiß niemand so genau. Aber es wird eine Stückzahl pro Jahr im zweistelligen Millionenbereich sein. Trocknungskammern fehlen Wenn für diese Vorschriften keine Übergangsregelung gefunden wird, ist ein Chaos an der Grenze vorprogram- miert. Weder die Wirtschaft noch die Politik ist auf die Umsetzung vorbereitet. Bereits jetzt gibt es aber zu wenig Trocknungskammern für den bereits bestehenden Bedarf im internationalen Handel. Wer also noch eine (hinreichend) umweltfreundliche Geschäftsidee sucht: Das Betreiben von Wärmekammern zur Quarantänebehandlung wäre ein valider Tipp. Vielleicht lassen sich ja sogar mobile Kammern direkt beim Kunden einsetzen. Etwa mit Geräten aus der Bettwanzenbekämpfung, ohne dass man gleich eine zulassungspflichtige Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) betreibt. Was passiert mit den Bioziden? Bestehende Biozide sind zugelassen bis zum Ende der Laufzeit. Was aber, wenn nun Großbritannien rechtlich völlig aus dem EU-Gefüge austritt? Dann kann es für einige Zulassungen schwer bei der Rezertifizierung werden. Nämlich dann, wenn das ursprüngliche Dossier in Großbritannien eingereicht wurde und in Deutschland lediglich eine Anerkennung per Unionszulassung erteilt wurde. Wir wissen nicht, wieviel Biozide davon betrof- fen sind. Auch wäre wünschenswert, dass es keiner neuen Nationalen Einschätzung bedarf, wenn Formulierungen einmal nach (britischem) EU-Recht zugelassen waren. Was hat sich in der Gefährlichkeit, Umweltverträglichkeit oder der Bewer- tung geändert? Nichts. Aber man kann nicht ausschließen, dass bei einer neuen Nationalen Betrachtung, Ehrgeiz geweckt wird, „Fehler“ unseres Nachbarlandes auszugleichen. Wir hoffen nicht. Aber auszuschließen ist es nicht, denn nicht zuletzt werden diese Betrachtungen in erster Linie politisch geführt und weniger rational. Paletten bald schon nur noch behandelt nach England und Schottland? (Foto: Lars Nissen)

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