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Schützen & Erhalten · Juni 2019 · Seite 92 I DIE EX-PRESS I Berufsinformation des DSV e.V. | Wissenswertes Insekten immer an der Wand lang W enn wir auf der Suche nach Schädlingen sind, leben diese im Verborgenen und kommen überall hin. Ohne die Flügel zu verwenden, laufen Fliegen senkrecht an Glasflächen hoch, laufen Schaben kopfüber an der Decke entlang und Ameisen krabbeln über glatte, metallische Oberflächen. Amei- sen tragen dabei kleine Gewichte, die 100 mal so schwer sind wie sie selbst. Wie funktioniert das? Die Antwort steckt in den Füßen. Sie sind klebrig. Unter dem Mikroskop sieht man an den Füßen Krallen und in der Mitte ein weiches Polster. In etwa so etwas wie einen Fußballen. Dieser hat Linien, Gruben und Kanten, die verhindern, dass der aufgesetzte Fuß komplett auf dem Untergrund ruht. Es werden grundsätzlich zwei verschiedene evolutionäre Systeme beobachtet, die aber gleichsam wirksam sind. Durch eine Glasscheibe konnten die Wissenschaftler erkennen, dass winzige Tropfen einer öligen Flüssigkeit unter den Fußballen gelangen, wenn der Fuß aufgesetzt wird. Alle Furchen werden mit der Feuchtigkeit aufgefüllt. Ein dünner Film verbindet die Kontaktzone mit dem Substrat. Der Fuß klebt nun am Untergrund. Das funktioniert in etwa so, wie ein feuchtes Bierglas den Untersetzer mit anhebt, auf dem es abgestellt wurde. Kapillare Adhäsion ist dafür verantwortlich. Ok, nun wissen wir, wie die Insekten am Untergrund festkleben. Dies funktioniert so gut, dass zusätzlich auch Gewichte (etwa Beute) getragen werden können. Nicht schlecht, aber wenn das so gut funktioniert, wie können die Insekten dann die Füße wieder lösen? Also beliebig die Füße kleben lassen und dann wieder vom Untergrund abziehen. Beides im Wechsel beliebig schnell, so dass normales Krabbeln und Laufen möglich ist. Das Geheimnis liegt wieder in dem weichen Pad am Fußende. Wenn die Tiere den Fuß heben, wird dieser Fußballen zusammengefaltet, reduziert also seine Oberfläche ganz gewaltig. Dadurch reicht die Adhäsion der Flüssigkeit nicht mehr aus, um den Fuß am Untergrund festzu- halten. In dem oben genannten analogen Beispiel ist das so, als ob wir das Bierglas auf dem Deckel kippen. Schon fällt der Untersetzer vom Glas ab. Aber ganz so simpel ist die Fähigkeit der Insekten nun doch nicht erklärt. Um die Oberfläche des weichen Teil des Fußes zu verändern, also bei Bedarf zu verkleinern (Fuß löst sich) oder zu vergrößern (Fuß klebt am Untergrund) ist eine Orientierung notwendig, in welche Richtung der Fuß weggekippt und der Fußballen weggefaltet werden kann. Somit können wir zunächst nur eine Laufrichtung erklären. Etwa die Wand hoch. Die Antwort liegt in zwei verschie- denen Fußballen, die gegeneinander angeordnet sind. Beim Aufwärtskrabbeln, kann ein Fußballen gefaltet und abgelöst werden und beim Hinunterkrabbeln der entgegengesetzt angeordnete Antagonist. Wer diesen Text mit Videomaterial un- terstützen möchte, kann den abgebildeten QR-Code einscannen. Der Link führt zu einem Youtube der University of Cam- bridge. Der Biologe Chris Clemente erklärt anschaulich, wie die Insekten über glatte Oberflächen laufen. Es empfiehlt sich, Obere Reihe: Käfer (A–C), untere Reihe: Indische Stabschrecke (D–F), Linke Spalte (A+D): Insektenbein in seitlicher Ansicht, mittlere Spalte (B+E): die adhäsiven Fußpads, rechte Spalte (C+F): Kontaktfläche der auf eine Glasscheibe aufgesetzten Fußballen (von unten durch das Glas fotografiert). Ti. = Tibia, Ta = Tarsus, Cl = Krallen Bildrechte: James M. R. Bullock, Patrick Drechsler, Walter Federle

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