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Schützen & Erhalten · September 2017 · Seite 74 Die ex-Press Berufsinformation des DsV e.V. | Branchenthema niedergedrückt (Bild 3). Dabei wurde eine Kraft von etwa 8 Newton angewandt, was bei Erdbe- schleunigung einem Gewicht von mehr als 800g entspricht, also fast einer Tetra-Saftpackung, die auf eine Schabe gelegt werden kann, ohne dass das Insekt Schaden nimmt. Dabei wurden die Versuchstiere von einer normalen Körperhal- tung von 12 mm Höhe auf bis zu 3 mm zusam- mengedrückt. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass eine erwachsene Periplaneta sich durch einen Spalt von 3 mm Weite hindurchzwängen konnte. Liebe Kollegen, wir reden hier von ei- ner ausgewachsenen Großschabe. Nicht von Nymphen oder kleineren Arten. Wenn wir die ermittelten Daten nun z. B. auf etwa Deutsche Schaben übertragen, können wir vermutlich ohne Risiko postulieren, dass ausgewachsene Tiere sich durch Fugen von 2 mm quetschen können und vermutlich auch von einer Lücke von 1 mm nicht aufgehalten werden. Was dann deren Nym- phen können, ist vermutlich eher gruselig. Die pauschale Empfehlung an Kunden, Räume und Betriebsstätten abzudichten, ist gegen Nager sicherlich sinnvoll, gegen Schaben scheint dies dann doch eher gut gemeinter Aktionismus zu sein. Hier wirkt das Kühlen der Räume Wunder. Während meines Studiums im US-Bundesstaat Kentucky, flitzten die Amerikanischen Schaben im Studentenwohnheim die Gänge rauf und run- ter, während in den klimatisierten Wohnräumen nie eine gesehen wurde. Lauf Forest! Lauf! In einem zweiten Versuch demonstrierten die Wissenschaftler, dass die Großschaben nicht nur in der Lage sind, ihren Körper drastisch zu verformen, sondern dass sie beim Rennen durch enge Röhren so gut wie nicht an Geschwindig- keit einbüßen (Versuchsaufbau Bild 4). Wir ha- ben nachstehend einige QR Codes eingefügt, so dass Sie sich entsprechende Videos in normaler Geschwindigkeit und in Zeitlupe ansehen können. Die Schaben rennen bei 12 mm, 9 mm und 6 mm Ganghöhe mit einer Geschwindigkeit von fast 60 cm pro Sekunde (etwas mehr als 2 km/h). Erst bei 4mm Deckenhöhe wird die Flucht deutlich langsamer und bei 3 mm rennen die Tiere nicht mehr, sondern quetschen sich unter sichtlicher Anstrengung durch den Spalt. Bei diesen Bil- dern und Video-Clips und der Geschwindigkeit mit der die Tiere sich fortbewegen und durch die Öffnungen quetschen, ist man beeindruckt. Kein Wunder, dass Schabenbekämpfung ohne Kö- dergele so schwierig, bis ja fast unmöglich ist. Ab durch die Wand Die Ergebnisse der Experimente werden für viele Kollegen nicht überraschend sein, finden wir doch Schaben regelmäßig in allen unmöglichen „dicht“ erscheinenden Räumen. Die Verschlep- pungstheorie greift dann auch nicht immer. Bei einer Heißvernebelungsaktion gegen Deutsche Schaben (ja, ich bin ein Dinosaurier, ich erzähle vom letzten Jahrtausend) in einem Lebensmit- telwerk, ging der Kollege außen über den Gang und ich war im Produktionsraum. Uns trennten Schnellbauwände, die senkrecht zwischen T-Trä- gern geschoben waren und horizontal wie mit Nut und Feder ineinandergriffen. Diese Über- gänge waren verspachtelt und die Wände dann weiß übergestrichen. Die für mich optisch mas- siv wirkende Wand wurde auf einmal entlang mehrerer horizontalen Linien schwarz. Dann wuselten unzählige Deutsche Schaben auf der Suche nach Verstecken, in alle Richtungen da- von. Auf der Flucht vor dem Pyrethrum hatten wir also die Tiere vom Gang in den Innenraum getrieben, bzw. waren sie aus der Wand ausge- trieben worden. Bei näherer Betrachtung war natürlich er- sichtlich, dass die Wände feine Haarrisse an den Materialübergängen hatten. Kein Hindernis für unsere sechsbeinigen Schädlinge. Ähnliche Phänomene habe ich auch schon an Türrahmen beobachte, wo die Schaben sich dann an den schlecht verfugten Bekleidungen herausgedrückt haben. Die Heißnebelanwendung mit Pyrethrum war schon eine beeindruckende Maßnahme. Die Schaben wurden regelrecht vor einem hergetrie- ben und gleichmäßig im ganzen Betrieb verteilt. Ich denke, die jüngeren Generationen wissen gar nicht, was wir für ein wertvolles Instrument un- sere Branche mit den Ködergelen bekommen hat. I Robot Nun muss man zugeben, dass solche Experimente – neben dem persönlichen Entertainment der Wissenschaftler - nicht vorrangig dazu gedacht sind, Schädlingsbekämpfung effizienter zu ma- chen. Nein, hier geht es um Bewegungsstudien und Grundlagen der Biomechanik. Nach dem Motto, was können diese Tiere, was können wir davon lernen und was können wir verwenden, wenn wir Maschinen bauen. Die Arbeitsgruppe, die die Bewegung von Schaben untersucht, hat bereits einen kleinen Miniroboter gebaut. Die- ser kann sich in Spalten der Hälfte seiner nor- malen Laufhöhe zwängen und wie die Schaben weiter fortbewegen. Die Erkenntnisse für uns, sind eher ein Abfallprodukt. Aber ich schau mir gerne solche Versuche, Videos und Bilder an. Bringen Sie uns doch die Leistungen der Schädlinge ein gewaltiges Stück näher. Diese Untersuchungen helfen mir, das Insekt besser zu verstehen und abzuschätzen wozu es in der Lage ist. Kenne deinen Feind und du wirst ein besserer Schädlingsbekämpfer. Im Rahmen die- ser Untersuchungen sind beeindruckende Bilder und Filmsequenzen entstanden, die zeigen, wozu Schaben in der Lage sind. Bildrechte: Kaushik Jayaram. PolyPEDAL Lab UC Berkeley Video-Clips: Clip 1: Amerikanischen Schabe, die sich durch einen 3mm Spalt quetscht. Clip 2: Rennende Amerikanische Schabe in 12mm/9mm/6mm/4mm ohne unmittelbar erkennbaren Geschwindigkeitsverlust. Clip 3: Kompressionsversuch an einer lebenden Schabe und Erholung in Realzeit. Bild 4: Schaben in normaler Haltung und im Vergleich in einer 4mm engen Spalte Bild 3 Niedergedrückte Schaben halten ohne Schaden bis zu dem 900 fachen Ihres eigenen Körpergewichtes aus
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