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Schützen & Erhalten · September 2018 · Seite 31 Es schreibt für Sie: Dr. rer. nat. Constanze Messal Fachbereichsleiterin Schimmelpilze Schutower Ringstraße 6 · Gebäude S29 18069 Rostock Telefon: (0381) 637-28280 Telefax: (0381) 637-28281 E-Mail: messal@dhbv.de Fachbereiche i Schimmelpilze Nicht nur Schimmel: Andere Innenraumschadstoffe Haben wir ein Problem? Gerade wurde veröffentlicht, dass in 2017 allein in Mecklenburg-Vorpommern 206 neue Erkrankungsfälle wie Lungen- krebs und Asbestose gibt, die nachweis- lich durch Asbest ausgelöst wurden. 77 dieser Fälle wurden als Berufskrankheit anerkannt. Was war passiert? Natürlich sind bei einer Latenzzeit von mehr als 30 Jahren viele dieser Fälle berufsbedingt auf Zeiten zurückzuführen, in denen Asbest in vielen Bauprodukten verarbeitet und Arbeitsschutz nicht gerade Tagesthema waren. Auch wenn es seit den 90er Jah- ren ein Verarbeitungsverbot gibt, sind noch heute asbestbelastete Baustoffe an- zutreffen. Und so sind auch heute noch insbesondere bei Abbrucharbeiten Be- schäftigte hohen Faserkonzentrationen ausgesetzt, die zu erheblichen Gesund- heitsschäden führen können. Wird dabei eklatant gegen die Arbeitsschutzrichtlini- en verstoßen, können die Folgen für die Beschäftigten aber auch für ungeschütz- te Dritte massiv sein. So wurde durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGUS MV) bei 5 Abbruchmaßnahmen Strafanzeige gestellt. Bedauerlich für die Betroffenen, unnö- tig in Zeiten des Deutschen Asbest-Dia- logs und in jedem Fall ein Verstoß, der zu Recht strafrechtlich geahndet wird. Doch was hat das mit Schimmelpilzen zu tun? Eine ganze Menge. Leider. Und daher ist es mehr als notwendig, dass auch wir uns mit diesem Thema befassen. Denn aus einer Schimmelbaustelle kann ganz schnell eine Asbestbaustelle werden. Al- lein schon bei der Probennahme eines Feuchteschadens muss der Probenneh- mer damit rechnen, dass er nicht nur mit Mikroorganismen und deren Stoff- wechselprodukten in Kontakt kommt und diese beim Probennehmen freisetzt, sondern es können ihn auch andere In- nenraumschadstoffe erwarten. Die sind möglicherweise nicht gleich erkennbar und zeigen sich erst, wenn ein Bauteil geöffnet wird. Oder wenn für eine Bau- teiltrocknung Bohrungen gesetzt werden. Und natürlich auch, wenn schimmelbe- lastete Materialien ausgebaut werden… Daher Augen auf! Hier ein paar Hinwei- se, was Sie auf einer Schimmelbaustelle noch erwarten kann. Gefährdungen erkennen Früher innovative Baustoffe oder potente Insektizide können heute eine Gefahr für den Nutzer, aber auch für den Gutach- ter oder Sanierer darstellen. Daher sollte in Bestandsimmobilien bei jeglicher Art von Probennahme oder geplanten Sanie- rungsarbeiten im Vorfeld überprüft wer- den, was sich neben Schimmel noch im Verborgenen befinden könnte. Dabei ist es Aufgabe des Bauherrn, diese Informa- tionen beizustellen. Fehlen diese, so muss sich selbst geholfen werden. Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der eigentlich dem Schimmelbefall auf der Spur ist, jetzt auch noch Schadstoffgutachter werden muss. Dafür gibt es Spezialisten. Dennoch ist es notwendig, sich einen Überblick zu verschaffen, allein schon aus Gründen der Gefahrenabschätzung. Und dann ist die Abfrage anderer Innenraumschadstoffe fester Bestandteil der Gefährdungsbeur- teilung nach DGUV-I 201-028. Typische Innenraumschadstoffe, die auch bei einem Schimmelschaden re- levant sein könnten, lassen sich, wenn man die Hinweise kennt, gut abschätzen. Oftmals auch ohne große Einsicht in die Bauunterlagen (soweit diese überhaupt noch vorhanden sind) und ohne Proben- nahme. Nämlich mit einem Blick auf die Lebensgeschichte der Immobilie unter Einbeziehung geopolitscher Aspekte. Bei der Begehung sollte etwas genauer hin- geschaut und durchaus auch dem Bauch- gefühl vertraut werden. Wie ist der erste Eindruck? Treten Befindlichkeitsstörun- gen auf? Riecht es vielleicht? Bei der Be- sichtigung des Dachstuhls sollte man auf Ausblühungen achten. Auch ein Blick auf herumliegendes Gerümpel ist notwendig. Lagern dort eventuell Dachsteine, die Fa- sern enthalten? Wurde Mineralwolle ver- baut und wenn ja – wann genau? Alter und Standort Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen eine potenzielle Schadstoffbelastung maß- geblich: Alter und Standort. Das Alter einer Bestandsimmobilie gibt Auskunft darüber, welche Bauepochen durchlau- fen wurden. Jede Epoche zeichnet sich durch typische Baustoffe und Konstruk- tionsweisen aus. Viele der verwendeten Baustoffe wurden im Laufe der Zeit durch Sanierungen, bauliche Änderungen und Überarbeitungen verändert. Es wurden Installationen und Fenster getauscht und dadurch die bauphysikalischen Gegeben- PCB Bleirohre Radon 1750 1800 1850 1900 1950 2000 PCP, Lindan, DDT Asbest 1700 alte Mineralwolle (WHO-Fasern) PAK (Teerhaltige Produkte) Bild 1: Innenraumschadstoffe in zeitlicher Abfolge, die bei einer Schimmelbaustelle auftreten können, Aufzählung nicht vollständig. Quelle Dr. Constanze Messal
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