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Schützen & Erhalten · September 2018 · Seite 32 heiten verändert. Neben den baulichen Veränderungen der ursprünglichen Bau- substanz schlagen sich aber auch nut- zungsbedingte Veränderungen in einer potenziellen Schadstoffbelastung nieder. Daher ist abzuklären, wie das Objekt ge- nutzt wurde. Gab es eine Gewerbenut- zung oder war die Bestandsimmobilie immer als Wohnhaus genutzt worden? Auch kann das Alter Auskunft geben über potenziell verbaute Baustoffe oder eingebrachte Substanzen, die heute nicht mehr zugelassen sind oder aber aufgrund von Verboten bereits bei früheren Sanie- rungen entfernt und ausgetauscht wur- den. Hintereinander gelistet, ergibt sich somit eine Abfolge möglicher Innenraum- schadstoffe. Wie das für einige typische Innenraumschadstoffe aussehen kann, zeigt das Bild 1. Auch der Standort spielt bei einer poten- ziellen Abfolge von Innenraumschadstof- fen eine große Rolle. So können schlicht- weg politische Hintergründe ausschlagge- bend sein, ob man mit einen bestimmen Innenraumschadstoff rechnen kann oder nicht. So gibt es grundlegende Unterschie- de zwischen Immobilien in Ost- und West- deutschland, was potentielle Belastungen mit Holzschutzmitteln betrifft. Des Wei- teren treten Belastungen durch natürlich vorkommende Radioaktivität (z. B. durch Radon) auf. Hier helfen Kartierungen, die z. B. vom Bundesamt für Strahlensicher- heit herausgegeben werden. Aber auch die Nähe zu bestimmten Firmen und die lokale Verbreitung von Baustoffen kann eine Rolle spielen, ebenso wie lokale Bau- weisen und klimatische Einflüsse. Auch hieraus ergibt sich eine Wahrscheinlich- keit für das Auftreten möglicher Innen- raumschadstoffe. Im Folgenden ist eine Auswahl an In- nenraumschadstoffen dargestellt, die bei Tätigkeiten auf einer Schimmelbaustelle relevant sein können. Die Aufzählung ist keineswegs vollständig. Natürliche und künstliche Mineralfasern Beginnen wir aus aktuellem Anlass mit Asbest. Wer dies für einen modernen Baustoff hält und dabei lediglich an den Eternit-Skandal denkt, dem sei gesagt, dass Asbest bereits seit der Antike be- kannt war und genutzt wurde und zwar die natürlichen, faserigen Silikate, wobei die Minerale Blauasbest (Krokydolith) und insbesondere Weißasbest (Chrysotil) als die technisch bedeutenderen gelten. As- bestfasern sind hitzebeständig und che- mikalienresistent. Die technische Nutzung begann ca. 1820 in feuerfester Kleidung. 1900 er- warb der Österreicher Ludwig Hatschek das Patent für Eternit-Faserzement. Zwi- schen 1980 und 1990 wurden alle Eternit- Produkte auf asbestfreie Faserzuschläge umgerüstet. Asbestprodukte kamen als Faser/-Spritzzement, Dachplatten oder Dämmstoffe zum Einsatz, aber auch als Einbauten in elektrischen Geräten [1, 2]. Bereits 1900 wurde Asbestose als Krank- heit entdeckt. Die kritische Fasergeome- trie ist der Grund für die gesundheitsge- fährdende Wirkung, auch bei künstlichen Mineralfasern. Bei einer Faserlänge >5µm und einem Durchmesser von <3µm ist eine Einwanderung in die Alveolen der Lunge möglich und führt schon bei gerin- ger Belastung zur Asbestose. Die lungen- gängigen Fasern verhaken sich in den Lun- genbläschen und können durch die Mak- rophagen nicht abgebaut und auch nicht vollständig eingekapselt werden, was zu dauernden Entzündungsreaktionen führt. Dadurch erhöht sich das Risiko, an Lun- genkrebs zu erkranken. Raucher tragen dabei sogar ein zehnmal höheres Risiko. So wurde bereits 1943 Lungenkrebs als Folge von Asbestbelastungen als Berufs- krankheit anerkannt. Seit 1970 wird die Asbestfaser offiziell als krebserzeugend bewertet [3,4,5]. 1979 trat in der BRD ein Verbot von Spritzasbest in Kraft. Erst 1993 wurde jedoch ein generelles Verbot der Herstellung und Verwendung von As- best in Deutschland ausgesprochen. Seit 2005 ist der Einsatz von Asbest EU-weit verboten. Die besondere Gefährdung bei Asbest liegt in der Freisetzung von Asbest- fasern durch die Bearbeitung, den Abrieb und die Verwitterung. Leicht zugängliche Asbestfasern im Spritzbeton bedeuten daher eine große Gefährdung, was Sa- nierungsmaßnahmen und hierbei sehr hohe Anforderungen an den Arbeits- und Objektschutz erfordert. Eine eher gerin- gere Gefährdung geht vom Faserzement aus, solange dieser unbeschädigt bleibt. Neben Asbest können auch künst- liche Mineralfasern (KMF), die ab 1931 großtechnisch hergestellt wurden, zu den Innenraumschadstoffen zählen. Zu den künstlichen Mineralfasern im Innenraum zählen vor allem Glas- und Steinwolle als Dämmstoffe. Ob es sich um eine gesund- heitsgefährdende Faser handelt, hängt so- wohl von der Fasergeometrie als auch von der Zusammensetzung der Oxide ab. Wie bereits bei den Asbestfasern beschrieben, gelten Faserlängen > 5 µm mit einem ma- ximalem Durchmesser < 3 µm und einem Verhältnis der Länge zum Durchmesser größer 3:1 als gesundheitsgefährdend. Diese Werte wurden 2005 in einem Kon- senspapier der WHO vorgestellt, in dem die Gesundheitsgefahren für Asbest und andere Mineralfasern zusammenfassend dargestellt sind [3,4]. Die Beurteilung der Gefährlichkeit erfolgt zudem über die Bestimmung des Kanzerogenitätsinde- xes (KI-Wert). Der KI-Wert wird ermittelt aus der Differenz der Massegehalte der Oxide von den Elementen Natrium (Na), Kalium (K), Bor (B), Kalzium (Ca), Mag- nesium (Mg), Barium (Ba) abzüglich des Zweifachen des Aluminiumoxidgehaltes (Al 2 O 3 ). Anschließend erfolgt eine Eintei- lung in Kategorien: Die Kategorie 1b hat einen KI-Wert <30 und umfasst Stoffe, die als krebserzeugend beimMenschen ange- sehen werden. Bei der Kategorie 2 liegt der KI-Wert zwischen 30 und unter 40 und umfasst Stoffe, die wegen möglicher krebserregender Wirkung beimMenschen Anlass zur Besorgnis geben. Über diese liegen jedoch nicht genügend Informatio- nen vor, sodass gegenwärtig keine befrie- digende Beurteilung möglich ist. Glasige Fasern mit einem KI-Wert >40 werden als nicht krebserzeugend eingestuft und Fachbereiche i Schimmelpilze Bild 2: Rasterelektronenmikroskopische Auf- nahme von Asbestfasern (Ingenieurgemein- schaft Meyer & Horn-Samodelkin, Rostock)
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