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Schützen & Erhalten · September 2019 · Seite 15 FACHBEREICHE I SACHVERSTÄNDIGE HOAI Mindest- und Höchstsätze sind nach europäischem Recht nicht bindend – oder? D as EuGH hat in einer Entscheidung (Az.: C-377/17) vom 04.07.2019 entschieden, dass sich keine Partei mehr auf eine Unter- bzw. Überschreitung der Mindest- bzw. Höchstsätze gemäß HOAI berufen kann. Zitat aus der Begründung des EuGH: „ Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienst- leistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.“ In seiner Entscheidung führt das EuGH folgende Sachverhalte an, die in der HOAI festgeschrieben und nach europäischem Recht nicht haltbar sind. Nach Auffassung des EuGH stellt die HOAI für Anbieter, die sich in Deutschland niederlassen wollen und aus anderen EU-Staaten kommen, eine Behinderung dar. Diese Anbieter können nicht über den Preis konkurrieren, da in der HOAI für Planungsleistungen Mindest- und Höchstpreise festgelegt aber Kosten für die Beratung hingegen nicht einheitlich geregelt sind. Die Vorgabe von Mindest- und Höchst- preisen dürfen nach den Vorgaben in Art. 15 der EU-Richtlinie 2006/123/EG nur unter bestimmten Bedingungen vorge- schrieben werden. Für die HOAI gilt nach Auffassung des EuGH aber, dass die dort festgeschriebenen Sätze für Mindest- und Höchstpreise unverhältnismäßig sind. Der EuGH führt hierzu an, dass diese Grenzen nur für Architekten und Ingenieure gelten, obwohl die Leistungen auch von anderen nicht dieser Gruppierung Zugehörigen erbracht werden könnten, ohne, dass diese ihre fachliche Eignung nachweisen müssten. Nach Auffassung der Richter sind diese Mindestsätze deshalb nicht geeignet, um den Verbraucherschutz in Zusammenhang mit hohen Qualitätsstan- dards zu gewährleisten. In der Konsequenz bedeutet das, so zumindest der Tenor des größten Teils der Fachjuristen, dass die in der HOAI festgeschriebenen Mindest- und Höchst- preisfestlegungen nicht automatisch gelten, sie müssen dann schon im Rahmen der Vertragsgestaltung verbindlich verein- bart werde. Folglich soll es auch zukünftig nicht mehr möglich sein, dass man für abgeschlossene Verträge, bei denen eine Mindestsatzunterschreitung der HOAI vorliegt, sich auf diese in der Form berufen kann, dass man als Architekt oder Ingenieur Honorarnachforderungen stellt. Zur Umsetzung des EuGH-Urteils nach- folgend zitierte noch nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Celle (14 U 198/18) vom 14.08.2019: 1. Mit der Entscheidung des Eu- ropäischen Gerichtshofs vom 04.07.2019 – Rs. C 377/17 – ist die Verbindlichkeit des HOAI-Preisrechts entfallen. Die Mindest- und Höchst- sätze der HOAI sind europarechts- widrig. 2. Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) dient im Unterschied zu den privatrechts- gestaltenden Richtlinien nicht der Harmonisierung von bestimmten Rechtsgebieten des Privatrechts der einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern zur Beseitigung von europarechts- widrigen Beschränkungen der Dienst- und Niederlassungsfreiheit. Die Dienstleistungsrichtlinie unter- scheidet sich von den herkömm- lichen Richtlinien, die der Harmo- nisierung dienen, dadurch, dass sie wie das Primärrecht zugleich bestehende Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit von Dienstlei- stungserbringern und für die Dienst- leistungsfreiheit beseitigen soll. 3. Eine Anpassung des interstaatlichen Rechts ist daher nicht erforderlich. Die Feststellung EuGH im Urteil vom 04.07.2019 verpflichtet die Mit- gliedstaaten, den unionskonformen Zustand unverzüglich herzustellen. Eine Frist sieht der EU-Vertrag nicht vor. Mit dem Erlass des Urteils sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, das unionsrechtswidrige nationale Recht nicht mehr anzuwenden. 4. Die nationalen Gerichte sind daher verpflichtet, die Beachtung des Urteils sicherzustellen. Es ist nicht erforderlich, dass unionsrechtswid- rige Gesetze oder Verordnungen aufgehoben werden. Es gilt der Grundsatz des Anwendungsvor- rangs des Unionsrechts (entgegen OLG Hamm, Urteil vom 23.07.2019 – 21 U 24/18). 5. Die für die nationalen Gerichte bindende Auslegung des EU-Rechts wirkt sich auf bestehende Ver- tragsverhältnisse aus, wenn dort in Abweichung des vereinbarten Ho- norars unter Bezug auf den HOAI- Preisrahmen ein Honorar in diesem Rahmen durchgesetzt werden soll. 6. Honorarvereinbarungen sind nicht deshalb unwirksam, weil sie die Mindestsätze der HOAI unter- schreiten oder deren Höchstsätze überschreiten. Infolge der EuGH- Entscheidung vom 04.07.2019 ist es von Rechts wegen nicht mehr zulässig, getroffene Honorarver- einbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen. Honorarvereinbarungen, die das Preisrecht der HOAI ignorieren, sind Es schreibt für Sie: Dipl. Holzwirt Georg Brückner Fachbereichsleiter Sachverständige Roggenkamp 7a · 59348 Lüdinghausen Telefon: (02591) 949653 Telefax: (02591) 949654 E-Mail: brueckner@dhbv.de

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