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Schützen & Erhalten · Dezember 2017 · Seite 24 Fachbereiche Schimmelpilze Es schreibt für Sie: Dr. rer. nat. Constanze Messal Fachbereichsleiterin Schimmelpilze Neubrandenburger Str. 33 · 18055 Rostock Telefon: (0381) 637-28280 Telefax: (0381) 637-28281 E-Mail: messal@dhbv.de Schimmelresistente Baustoffe Für den Wiederaufbau nach einer Schim- melbekämpfung werden sog. schimmel- resistente oder schimmelfeste Bau- und Dämmstoffe empfohlen. Klären wir hier kurz auf, was sich hinter diesen Defini- tionen verbirgt, bevor einzelne Aspekte genauer besprochen werden: Schimmelresistenz beschreibt die Fähigkeit eines Baustoffes, auch unter Infektionsdruck und Kontamination mit keimfähigen Mikroorganis- men einen Befall zu unterbinden oder zumindest mittel- bis langfristig hinauszuzögern. Schim- melresistenz kann durch Kapillaraktivität, eine natürliche oder künstliche biozide Ausstattung aber auch durch eine nährstoffarme Zusammen- setzung erzeugt werden. Der Effekt ist jedoch abhängig von der Nutzung, der Lebensdauer und dem umgebenden Milieu. Schimmelresistenz ist demnach nur ein temporärer Zustand, der mit der Alterung, Nutzung/Behandlung und Verschmut- zung der Baustoffoberfläche verloren geht [1]. Schimmelfestigkeit hingegen beschreibt die Eigenschaft eines Baustoffes, zwar als Substrat aber nicht als Nährstoff zur Verfügung zu ste- hen. Schimmelfeste Baustoffe können besiedelt werden, die Besiedlung wird nicht unterdrückt, aber es kommt zu keiner mikrobiellen Material- zerstörung oder zum Massenverlust. Die Schim- melfestigkeit organischer Dämmstoffe muss für die Ausstellung einer europäischen technischen Bewertung (ETA) nach Bauprodukte-Richtlinie auf Grundlage von Europäischen Bewertungsdoku- menten (EAD) der EOTA nachgewiesen werden, z. B. Hanffasern, Kokosmatten oder Zelluloseflo- cken. Diese Materialien sind oft bereits durch Herkunft und Produktion unvermeidbar konta- miniert, sodass im Falle eines Feuchteschadens ein Auskeimen und Besiedeln sehr wahrschein- lich ist. Der Nachweis der Schimmelfestigkeit soll hier sicherstellen, dass die Wärmedämmei- genschaften trotz eines Befall (im Gefach oder Hohlraum) erhalten bleiben und das Material nicht abgebaut wird [1, 2]. Schimmelgerechtes Bauen klingt erstmal als Begriff widersinnig, beschreibt aber alle Maß- nahmen von der Konstruktion bis zur Material- auswahl, um Schimmelpilzwachstum präventiv zu vermeiden. Dabei bedeutet „schimmelge- recht“, dass die Lebensansprüche der Pilze ver- standen wurden und dies in Baustoffdesign und Konstruktion einfließt, man den Anforderungen zur Vermeidung einer mikrobiellen Aktivität ge- recht wird [3]. Bevor die einzelnen Aspekte genauer betrach- tet werden, muss darauf hingewiesen werden, dass die beste Schimmelresistenz nichts taugt, wenn bauphysikalische Aspekte vernachlässigt werden oder der Nutzer meint, dass schimmel- resistente Baustoffe ihn aus der Lüftungsver- antwortlichkeit entlassen. Ohne flankierende Maßnahmen kann Schimmelresistenz bestenfalls zur Schimmelfestigkeit (allein durch Staubabla- gerung) degradiert werden, sodass dennoch Be- fälle auftreten können. Das schädigt dann zwar nicht mehr den Baustoff, dürfte aber dennoch zu negativen Einflüssen auf die Innenraumhy- giene führen. Schimmelresistenz durch Biozid- einsatz (Anti-Schimmel-Farben) Eine Schimmelresistenz bei Putzen und Farben ist ohne zusätzliche Maßnahmen nicht gegeben. Das gilt auch für mineralische Produkte, deren Alkalität sich zum einen mit der Zeit abbaut und zum anderen Pilze nur bedingt am Wachsen hin- dern kann. Damit kann man diese mit Sicherheit als schimmelfest bezeichnen. Schimmelwachs- tum ist also möglich, wenn die Lebensbedin- gungen stimmen. Daher werden Bauprodukte angeboten, die mit Bioziden ausgestattet sind. Die hier einge- setzten fungiziden Breitbandwirkstoffe wirken vornehmlich gegen Pilze, können aber auch gegen andere Organismengruppen effizient sein. Fungi- zide haben einen hemmenden oder abtötenden Effekt auf die Pilzzelle. Typische Wirkungswei- sen sind die Zerstörung der Zellmembran, Hem- mung der Enzym- und Stoffwechseltätigkeit, Respirationshemmung aber auch Hemmung der Reproduktion durch Eingriff in das Erbgut. Diese Fungizide sind keine Desinfektionsmittel, son- dern zeigen Depotwirkung. Die Wirkung erfolgt deutlich langsamer und richtet sich nur gegen vegetative Zellen. Sporen werden nicht abgetö- tet, kommt es zur Auskeimung, wird die ausge- keimte Zelle/Hyphe am weiteren Wachstum ge- hindert. [4, 5, 6] Da diese Fungizide ihre Wir- kung erst in der abgebundenen Farbe entfalten, werden sie als Filmkonservierer bezeichnet. Sie sind nach Biozidverordnung [7] in der Produk- tart 7 zulassungspflichtig. Ein mit Bioziden ausgestatteter Baustoff funktioniert als Freisetzungssystem, d. h. das Biozid wird langsam freigesetzt, verlässt die Baustoffmatrix und wandert zum Target, dem Wirkziel Zelle. Dazu muss das Fungizid gelöst werden und in gelöster Form die Zellwand pas- sieren. Also bedarf es hierzu einer ausreichenden Wasserverfügbarkeit. Es muss also feucht sein. Am besten nass. Eigene Untersuchungen ha- ben gezeigt, dass auch bei erhöhten Raumluft- feuchten (im Test zwischen 65–95% r.F. bei 24 °C) der Farbfilm nicht ausreichend feucht wird, um das Biozid anzulösen. Allerdings reichte die Feuchtigkeit aus, um Pilzwachstum trotz biozi- der Ausstattung zu ermöglichen. Damit ist auch das Anwendungsgebiet einer Anti-Schimmelfarbe klar umrissen. Die Verarbeitung macht nur dort Sinn, wo entweder temporär oder dauerhaft hohe Materialfeuchten auftreten können, die konstruktiv nicht zu beseitigen sind. Der neue Schimmelleitfaden nimmt hierzu auch Stellung und räumt eine Verwendung in der Nutzungsklas- se III ein. In dauerhaft genutzten Innenräumen der Nutzungsklasse II haben Anti-Schimmelfar- ben nichts zu suchen, da ein Übergang fungizi- der Wirkstoffe in die Raumluft befürchtet wird, was eine sensibilisierende Wirkung haben kann. Wie sieht es denn in anderen Bereichen mit der Anti-Schimmelfarbe aus? In Schulen und Kin- dergärten sollten diese generell nicht angewen- det werden. Im Lebensmittelbereich und Hygienic Design sind biozidfreisetzende Beschichtungen aufgrund möglicher Lebensmittelkontaminati- onen nicht zulässig (9). Aktuelle Anwendungen im Klinikbereich sind als kritisch zu bewerten, ein signifikant hemmender Einfluss auf die Ver- breitung multiresistenter Keime konnte bisher nicht nachgewiesen werden [8]. Ist das jetzt Bild 1: Definition der Schimmelresistenz: Trotz eines hohen Infektionsdrucks (massive Sporenablagerung) kam es auch unter optimalen Bedingungen nicht zu einem Auskeimen der Sporen (Inokulum Sporensuspension aus Ulocladium chartarum, Cladosporium cladosporioides und Aspergillus niger in 10%er Malzextraktlösung, Aufnahmen in 100- und 400-facher Vergrößerung nach 6 Wochen bei 95% r.F. und 24°C im Klimaschrank).
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