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Schützen & Erhalten · Dezember 2017 · Seite 3 Herbst. Letzte Blätter klammern sich verzweifelt an die nebelfeuchten Äste staubgrauer Straßenbäume, wohlwissend, dass sie doch früher oder später bedauernswerte Opfer der mächtigen Laubturbinen wer- den, mit denen warnwestenbefrackte Mitarbeiter des städtischen Bauhofs lautstark die Mittagsruhe redlicher Früh- rentner stören. Herbst. Straßencafés trotzen mit gasbetriebenen Heiz- pilzen, Markisen und Folienwänden den Unbillen der Witterung, nur um den letzten nikotinab- hängigen Kaffeetrinkern noch eine feuchtwarme Heimstatt bieten zu können. Herbst. Wehmütig an den Sommer zurückdenkende Eis- dielenbesitzer räumen ihre Auslagen für den Winterverkauf ihrer Schwäger und Neffen, die wahlweise bis zu 125 % reduzierte handge- knüpfte Perser-Bettvorleger feilbieten wer- den oder ihr Geschäftsheil im Abverkauf von Blubber-Shishas inklusive garantiert teer- und nikotinfreiem Tabak aus biologisch-dyna- mischen Anbau suchen, Fair Trade erworben von kolumbianischen Nebenerwerbsbauern. Oder aber die Eistheken werden umdekoriert für den neusten Trend. Vorweihnachtlicher Verkauf von „Schmuck am Stil“. Ketten und Ringe to go, für den gestressten Yuppie, der sich in letzter Sekunde noch ein repräsentatives Mitbringsel für Gespielin oder Gattin auf die Faust nimmt. Herbst. Öffentliche Parks und Anlagen werden von dickbehandschuhten Ein-Euro-Jobbern auf die kalte Jahreszeit vorbereitet, Springbrun- nen trockengelegt und abgestellt, Büsche und Sträucher mit einer mächtigen Mulchschicht ge- gen den drohenden Bodenfrost geschützt. Aber auch private Gärten und Anwesen werden winterfest gemacht. In zivilisierten Regionen der Republik häufig verbunden mit einem „Win- terfest“, bei dem, nach der Entleerung der Was- serleitungen, der liebevollen Endreinigung des Rasenroboters und der Verräumung der Garten- möbel in den Keller, Nachbarn und Freunde zum Abgrillen und zum Aufgalopp in die Glühweinsession eingeladen werden. Herbst. (Nein, eigentlich Spätsom- mer) Die Regale der Discounter werden auf- gefüllt mit Lebkuchenherzen, Speku- latius, Zimtsternen und Dominostei- nen. Beworben nicht mehr als klas- sisches Weihnachtsgebäck, sondern als herbstliche Sättigungsbeilage, um die Wartezeit auf die erst zu Sil- vester offerierten süßen Osternester zu verkürzen. Herbst. Auf den ersten „Weihnachtsmärkten“ öffnen sich die hölzernen Klappläden und geben in den Auslagen den Blick frei auf die Weihnachtspyramiden und Räuchermännchen aus den Holzmanu- fakturen des Erzgebirges. Akkurat ein- gereiht zwischen den handgestrickten Wollsocken des Landfrauenbunds und goldfarbenen Winkekatzen aus fern- östlichen Traditionsfabrikationen. Wen wun- derts, dass nach einem kurzen Orientierungs- rundgang durch die überfüllten Budengassen dem ergebnisorientierten Warmgetränkekonsum am Glühweinstand erste (und letzte) Priorität eingeräumt wird. Herbst 2017. Eine graue Zeit, in der man „im Nebel stochern“ „sondieren“ nennt und jeden Abend zur besten Tagesschauzeit eine illustre Reihe von Allge- meinplätzchenbäcker vor die Kameras der Nati- on treten, um sich gegenseitig Einigungswillen und Kompromissbereitschaft zu attestieren, während die Knall- chargen der Hinterbänke auf anderen Kanälen heftigst stör- feuern und genau das Gegenteil behaupten. Sie sollten Recht behalten. Kalkül über Vernunft? In diesem Sinne – schmeißt den Kamin an – es scheint kalt zu werden – Ihr Ralf Hunstock Editorial 100 Jahre DIN Zwei Ereignisse mit epochalen Folgen für den Verlauf der Weltgeschichte stehen in diesem Jahr im Fokus der historischen Erinnerungskultur. Vor 500 Jahren schlug Martin Luther, so will es die Legende, mit Hammer und Nägeln seine 95 Thesen an das Portal der Wittenberger Schlosskirche und löste mit dieser handwerklichen Tätigkeit die Spaltung der Christenheit aus. Und nicht weniger im kollektiven Gedächtnis erhalten, ist auch heute noch der Sturm der russischen Bolschewiken auf den Petersburger Winterpalast, mit dem vor 100 Jahren die Oktoberrevolution ihren Anfang nahm und die Welt in Folge in zwei ideologische Lager trennte. Wie anders und in jeder Hinsicht Normen schaf- fend, anstatt Normen zerstörend, ist da doch jenes Jubiläum, das am 22. Dezember mit weit weniger öffentlichem Interesse zu feiern ist. An diesem Tag vor 100 Jahren nahm das Deutsche Institut für Normung (DIN), damals noch unter dem Namen „Normenausschuss der deutschen Industrie“, erstmals seine Arbeit auf. Und wäh- rend heute die sozialen Umwälzungen infolge der beiden oben genannten Großereignisse mehr und mehr an Bedeutung verlieren, setzt das DIN seinen Siegeszug geradezu ungebremst und un- aufhaltsam fort. Nahezu 40.000 DIN-Normen regeln mittlerweile den Alltag, die bekannteste zweifelsohne das Papierformat DIN A4. Aber man muss kein Böhse Onkelz Fan sein, um auch hier zu wissen: „Nichts ist für die Ewig- keit“. Und so hat sich mit dem Deutschen Bau sachverständigentag e.V. (DBST e.V.) ein Verband gegründet, dessen Ziel es ist, die zunehmende und immer unübersichtlich werdende Normenflut im Bereich des Baus auf ein praktikableres Ni- veau zu senken (lesen Sie hierzu „Normen sind nicht in Stein gemeißelt“ ab Seite 56). Während der BuFAS zu den Gründungsmitgliedern des neu- en Verbandes gehört, hat der DHBV über seine Mitgliedschaft im ZDB, der ebenfalls dem DBST beigetreten ist, seine fachliche Unterstützung angeboten. Doch noch ist die Tatkraft des DIN nach wie vor ungebrochen, wie unter anderem die neue DIN 18533 beweist, die ab Seite 10 von Rainer Spirgatis vorgestellt wird. Wenn auch für den weihnachtlichen Gabentisch etwas spät, dafür allerdings als Lektüre für die kalten Wintertage zu empfehlen, sind das soeben im Beuth Verlag erschienene Buch „Innenabdichtung“ aus der Reihe „Bau- en im Bestand“, dessen Autoren alle aus dem Kreis unserer Mitgliederbetriebe stammen, so- wie das neue „Handbuch zur Sachkundeausbil- dung Holzschutz am Bau“. Wer hier geglaubt hat, dass die Neuauflage des Lehrbuches auf- grund des „Normungsstreites“ (lesen Sie hier- zu den Bericht von Ekkehard Flohr ab Seite 6) und einer mangelnden Kompromissbereitschaft unter den Holzschutzexperten in naher Zukunft nicht erscheinen wird, der wird überrascht sein, dass selbst bei kritischen Kategorisierungsfra- gen – zumindest unter Wissenschaftlern – ein friedliches vorweihnachtliches aufeinander zuge- hen möglich ist. Das nunmehr in der 6. Auflage komplett überarbeitete Sachkundehandbuch kann ab sofort über die DHBV-Bundesgeschäftsstelle bezogen werden. Ihr Friedrich Remes Glosse Der Nebel steigt, es fällt das Laub. Schenk ein, den Wein, den holden. Wir wollen uns den grauen Tag vergolden, ja vergolden! (Theodor Storm)
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