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Schützen & Erhalten · Dezember 2017 · Seite 73 Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema Eichenprozessionsspinner – eine ganz haarige Sache Sicherlich wird es den ein oder anderen verwundern, dass wir zur schönen Weih- nachtszeit ein Thema für das Frühjahr auf- greifen. Es ist doch gar nicht Saison! Ja, stimmt. Allerdings war während unserer Jahreshauptversammlung zeitgleich ein sehr interessanter, zweitägiger Workshop des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin. Wir hatten unsere Kollegen dort, die wirklich Un- glaubliches berichten und Informationen gesam- melt haben. Es ist Zeit, dass wir uns des Themas annehmen. Auch wenn es für unseren Beruf wirk- lich (noch) ein Nischenproblem in vereinzelten Regionen Deutschlands ist. Aber der Befall mit EPS ist eindeutig ein derzeit nicht beherrschtes und unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbe- dingungen vermutlich auch ein nicht zu beherr- schendes Thema. Mit wachsender Problematik, da sich der Eichenprozessionsspinner geographisch ausdehnt und die Intervalle starker Massenver- mehrung immer kürzer werden. Der Leidensdruck in der Bevölkerung und die Unzufriedenheit der Betroffenen wächst. Gibt es hier ein politisches Signal, bestimmte Fehler der Biozidzulassung zu korrigieren, sinnvolle Ergänzungen am Regelwerk vorzunehmen? Doch lassen Sie uns erst mal eini- ge Informationen über den Schmetterling sam- meln, der manche Kommunen an den Rand der Verzweiflung bringt. Es beginnt mit einem Schmetterling Die graubraunen Schmetterlinge mit einer Flü- gelspannweite von etwa 30mm fliegen überwie- gend nachts, in den Monaten Juli bis September. Die Weibchen legen bevorzugt an den ein- bis zweijährigen Trieben verschiedener Eichenarten ihre etwa 1mm großen Eier dicht nebeneinander ab. Glatte Rinde wird dabei bevorzugt. In seltenen Fällen sind auch andere Baumar- ten vom EPS betroffen, wie etwa die Hainbuche. Dies entsteht aber meist dadurch, dass ein ein- zeln stehender Baum kahlgefressen wird und die Raupen in Ermangelung weiterer Eichen auf andere Futterpflanzen ausweichen. Das aus durchschnittlich 150 Eiern beste- hende Gelege wird mit Sekret und Afterschuppen beklebt und so getarnt. In den Eiern entwickelt sich und überwintert eine bereits fertige Raupe, die auch tiefe Wintertemperaturen übersteht. Ende April bis Anfang Mai, parallel mit dem Frühjahrstrieb der Futterpflanze, schlüpft dann die neue Generation. Zunächst sind die Raupen ohne Brennhaare. Sie schließen sich sofort zu den typischen „Prozessionen“ zusammen, in de- nen viele Tiere in einer Linie hintereinander her- laufen. Ab dem dritten Raupenstadium besitzen die Tiere Brennhaare, nur 0,1–0,2 mm klein, die mit jeder Häutung mehr werden. Tagsüber ziehen sich die Raupen in Gespinstnester in Astgabeln und am Stamm zurück. Diese sind mit Kot, Ge- spinstfäden, alten Häutungen und eben vielen Brennhaaren gefüllt. Vorwiegend nachts wandern die Tiere zum Fressen in die Kronen der Bäume und wieder zurück. Meterlange Prozessionen auf der Suche nach Blättern Anfangs formen nur wenige, vielleicht 20–30 Tiere die Fraßgemeinschaft, später können über 30 Tiere breite und mehrere Meter lange Wan- dergesellschaften entstehen. Natürliche Feinde gibt es wenig. Einige räuberische Laufkäferarten machen vor den Raupen nicht halt. Auch der Ku- ckuck ist bekannt dafür, dass er vor behaarten und pelzigen Raupen nicht zurückschreckt. Die Brennhaare machen ihm nichts aus, da er Teile seiner Magenschleimhaut, in der sich die spit- zen Brennhaare festgesetzt haben, wieder aus- würgt. Trotzdem sind das viel zu wenig Feinde, die die Flut der Raupen nicht eindämmen können. Von den EPS-Raupen wird bis auf die har- te Blattrippe das gesamte Blatt gefressen. Bei starkem Befall werden ganze Bäume entlaubt. Zum Häuten legen die Raupen zuerst unauffäl- lige und später immer größere Gespinste an. Die erwachsenen Raupen ziehen sich zur Ver- puppung in die zähen Gespinstnester zurück. Die Puppenruhe dauert temperaturabhängig 3–5 Wochen. Nach dem Schlupf der Falter, bleiben die Gespinste mehrere Jahre erhalten und die Brennhaare ebenfalls. Die Schmetterlinge sind nachtaktiv und finden sich über Pheromone. Sie besitzen am mittleren Körpersegment ein Tym- panalorgan, mit dem sie die Ultraschalltöne von Fledermäusen wahrnehmen können. Bei der An- wesenheit solcher Töne lassen sich die Tiere zu Boden fallen um einer Verfolgung zu entgehen. Die Brennhaare haben es in sich In den Brennhaaren befindet sich das Eiweiß Thaumetopoein. Die Haare selber sind zuge- spitzt und besitzen außerdem spitze Verzwei- gungen, mit denen sich die Haare leicht in die menschliche Haut einbohren können. Werden die Haare zerbrochen, etwa beim Reiben über die Haut, wird die Brennsubstanz freigesetzt. Wir haben also zwei Faktoren, die die Haut schädi- gen und Reaktionen auslösen. Die rein mecha- nische, verletzende Komponente der Haare und das darin enthaltene Nesselgift. Eine Raupe im letzten Larvalstadium besitzt über 600.000 sol- cher Härchen, die auch aktiv auf einen Angrei- Eier des EPS geschlüpft. Nicht immer werden die Eier an die glatte Rinder junger Triebe gelegt. Dies kann z. B. ein Anzeichen für eine hohe Befallsdichte der Falter sein. Raupen mit Gespinst direkt am Stamm einer Eiche. Man erkennt im Gespinnst Kot und Reste der alten Larvenhäute. Die deutlich sichtbaren, langen Haare der Raupen sind nicht die Brennhaare. Die giftge- füllten Haare mit Stacheln sind viel kleiner. Typische Gespinstnester der Raupen in der Krone einer Eiche Fotos: Roch

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