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Schützen & Erhalten · Dezember 2017 · Seite 75 Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema ben selten und schwerpunktmäßig derzeit noch nur in geographisch definierten Gebieten. Aber was, wenn das Verbraucherverhalten diese Regi- onen immer stärker meidet, landwirtschaftliche Produkte von dort nicht mehr vermarktbar oder sogar nicht mehr verkehrsfähig sind? In Ihrer Verzweiflung veranlassen die Verantwortlichen bereits das Fällen erster Bäume. Keine Eichen, keine Raupen, so die Idee. Das kann auch nicht die Lösung sein. Deutschland ohne Eichen ist sicherlich ein übertriebenes, fast schon dysto- pisch anmutendes Szenario. Aber, wenn diese Lösung Schule macht, wird die Eiche zumindest aus den Städten, Parks und den Alleen ver- schwinden. Aufforstung wird ohne Problembäu- me stattfinden.Nachpflanzungen werden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte benötigen, um adäqua- ten Ersatz zu liefern. Schutzmaßnahmen Privatpersonen muss man anweisen, sich den Raupen, Gespinsten und Bäumen nicht zu nä- hern. Auch nach durchgeführter Bekämpfung, empfiehlt es sich wegen der verbliebenen Brenn- haare nicht, unter betroffenen Bäumen zu Pick- nicken, zu Grillen oder sich dort länger aufzu- halten. An bestimmten Wanderwegen werden ganzjährig Warnschilder aufgestellt. Baumpflege- und Bekämpfungsmaßnahmen dürfen nur mit Atem- und Körpervollschutz durch- geführt werden. Nach der Arbeit ist eine Reini- gung der Kleidung vorzunehmen, oder Einweg- kleidung kontaminationsfrei zusammenzulegen und zu entsorgen. Auch die Arbeitsgeräte, ins- besondere (Miet)Fahrzeuge sind fachgerecht zu reinigen. Die Kleidung bei 60 Grad oder mehr zu waschen wird empfohlen, ist jedoch nur bedingt hilfreich. Zwar wird das Protein zerstört und aus den Brennhaaren ausgewaschen, aber die Nadeln der Häärchen reizen die Haut trotzdem weiter. Zuständigkeiten Auf öffentlichen Flächen sind die Städte und Ge- meinden verantwortlich. D. h., sie entscheiden über Art und Umfang der Bekämpfung und tra- gen die Kosten. Auf Privatgrundstücken ist der jeweilige Eigentümer zuständig. Das Umweltbundesamt bittet zum Gespräch Die Fachtagung beinhaltete Themen zum EPS aus unterschiedlichen Blickwinkeln. – – Gesundheitliche Bedeutung, Management und Parasitierung: Erfahrungen und Daten aus Mecklenburg-Vorpommern. Kai Gloy- na. Lagus – – Erfahrungen über Monitoring und Bekämp- fungsmaßnahmen vom EPS im Berliner Stadtgebiet. Dr. Barbara Jäckel, PflSch- Amt Berlin – – Pflanzen- und Gesundheitsschuz un- ter einen Hut bringen – Der Brandenbur- ger Weg. Martina Heinitz, Ministerium für Landw. Entw., Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg – – Erfahrungsbericht Landkreis Stendal. Dr. Dennis Gruber, LK Stendal. – – Gesundheitliche Bewertung von Biozidpro- dukten bei der Bekämpfung des EPS. Dr. Andreas Zikova, BfR – – Expositionsstudie über die Bekämpfung des EPS. Dr. Michael Roitzsch. BauA. – – EPS-Bekämpfung mit Biozidprodukten -Umweltrisikobewertung und Zulassungssi- tuation. Dr. Christoph Stang, UBA – – Ökosystemare Auswirkungen und Risiko- vorhersage von Massenvermehrungen des EPS. Maren Grüning, Carolin Vollrath, Uni- versität Götingen. – – Der EPS im Fokus von Waldschutzfor- schung und Waldschutzmanagement in Brandenburg. Dr. Kathrin Möller, Landes- kompetenzzentrum Forst Eberswalde. – – Übersicht über die Ausbringung von Bio- zidprodukten und Identifikation von An- wendungen mit erhöhtem Abdriftrisi- ko. Dirk Rautmann, JKI. – – EPS eine Aufgabe für den Schäd- lingsbekämpfer? George Hüttig, – – Gesundheitliche Auswirkungen von Brennhaaren. Dr. Harald Maier, Univ. Wien – – EPS-Monitoring: Praxis in Süddeutschland & For- schung. Paula Halbig, Forstl. Versuchs- und Forschungsanstalt Ba- den Württemberg. – – Überwachung und Bekämpfung des EPS zum Schutz der menschl. Gesundheit in Bayern. Dr. Gabriela Lobinger, Bayer. LA für Wald- und Forstwirtschaft. Die Referenten der Tagung zeichneten ein dü- steres Bild. Viele Ansätze, Pheromone, biolo- gische Gegenspieler, neue Biozide, stecken noch in den Kinderschuhen, funktionieren nicht oder lassen sich nicht beim EPS anwenden. Auch das als biologisch angepriesene Neem ist inzwischen in der Diskussion. Bei der Ausbreitung des EPS stehen wir erst am Anfang. Die Mediziner sind mehr als besorgt über stärker werdende Krank- heitsfälle und warnen vor einer stärkeren Expo- sition der Bevölkerung mit den Brennhaaren. Umweltverbände haben die Autobahnmeistereien in Bayern wegen der Beauftragung von Biozi- danwendungen an den Randstreifen verklagt. Die Diskussionen der Tagung werden kontro- vers geführt. Unterschiedliche Beteiligte, be- sonders die Behörden, schieben unter Verweis auf fehlende Zuständigkeit, das Problem an an- dere weiter. Alle reden mit, doch befriedigende Lösungen sind nicht in Sicht. Keiner fühlt sich verantwortlich. Es fehlt der politische Wille und der politische Auftrag, dieses Problem gesamt- heitlich zu lösen. Was ist zu tun? Wir haben also eine Situation mit völlig ver- schiedenen Interessen. Wieder einmal stehen sich der Schutz der Natur und der Schutz des Menschen beinahe unversöhnlich gegenüber. Keiner will illegal Biozide ausbringen. Niemand möchte Passanten gefährden, gefährliche Sub- stanzen in die Gewässer einbringen oder die Ei- che zur biologischen Wüste machen und jegli- ches Leben am Baum vernichten. Aber es muss möglich sein, in diesem Land die Gesundheit von Menschen zu schützen, auch wenn dabei einige Käfer sterben. Besser als Bäume zu fäl- len, um Ruhe zu haben. Das ist nur ein gerin- ger Unterschied zu einer sterilen, „entwesten“ Eiche. Wobei eine temporär sterile Eiche sicher- lich noch lieber gesehen wird, als ein fehlender Baum an selber Stelle. Diese gesamte Problemstellung ist sympto- matisch für unser Land. Es gibt keine Verant- wortlichen und keine zentrale Koordinati- onsstelle. Die Menschen werden in ihrer Not von der Politik allein gelassen. Die Biozid- gesetzgebung scheitert in solchen Fällen, da sie vermeidend, vorsich- tig, verhindernd und nicht lösungsorientiert ist. Auch das beliebte Spiel der Behörden „der Markt werde es regeln, wenn die Not groß ge- nug ist“, ist ein markiger Spruch und besten- falls eine ignorante Irrmeinung. Die Biozidge- setzgebung in Kombination mit den Einverneh- mensbehörden unterstellt per se, dass Biozide schlecht und zu vermeiden sind und nicht, dass durch deren Anwendung ein Mehrwert, Zufrie- denheit und Gesundheit, erreicht werden kann. Es ist Zeit für Vereinfachungen, Ausnahmerege- lungen und das Fördern von Alternativen und Innovation. Ansonsten reiten wir eine handvoll Chash-Cow-Präparate der chemischen Industrie bis in alle Ewigkeit oder bis jegliche Resistenz sie wirkungslos macht. Ein kleiner Falter ist nur symptomatisch für Versäumnisse im Regelwerk. Indikator da- für, dass Probleme in diesem Staat im Zustän- digkeits-Ping-Pong von Behörden unverändert in einer Endlosschleife gedreht werden. Am 06. Juni ist Tag des Gesundheitsschädlings. Am Beispiel des EPS wird man auf unsere Branche aufmerksam machen. Warnschild an einem Kindergar- ten. Bis mit den Behörden alles geklärt ist und bis Kapazitäten frei sind, dauert es einige Tage, um eine Bekämp- fung vorzunehmen. Bis dahin setzen Betrof- fene auf Schilder, um vor den Brennhaaren zu warnen. Foto: Roch

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