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Schützen & Erhalten · Dezember 2019 · Seite 84 DIE EX-PRESS Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema eigentlich, wenn keiner kommt? Plötzlich meldet sich die Praktikantin. Sie hat einen kleinen Kombi gesehen, der langsam die Straße entlangfährt. Wir sehen ihn in dem Moment auch und schauen demonstrativ auf unsere Schuhspitzen. Es ist der von Schädlingsbekämpfung Roth entsandte Handwerker. Er parkt genau neben unserem Fahrzeug in dem die Kameras, Mikro und der Rest der Technik liegen. Wir beratschlagen. Wir trauen uns nicht, irgendwas aus dem Fahrzeug zu holen. Der Betrüger könnte ja jederzeit wieder aus dem Haus kommen und würde uns sehen, wenn er zu seinem Fahrzeug geht, um etwa Material zu holen. Wir bleiben also wo wir sind und drängen uns alle um den Lautsprecher meines Smartphones, über den die Geschehnisse vom Inneren des Hauses übertragen werden. Stimmt, ich hatte mich nicht für die Beschattungstechnik qualifiziert und bin zugeschaltet über eine Konferenzschaltung. Ich höre also nur die Stimme des Redakteurs aus der Einsatzzentrale, der mal mehr mal weniger des Geschehens weiter erzählt. Was ich ab und zu abgehackt höre, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Der Katzenkot wird kommentiert mit „das war eine besonders fette (Ratte)“. Einige meiner sehr spontanen Live- Kommentare werden nun leider nicht für die Nachwelt dokumentiert. Der Betrüger lässt sich eine Blankounterschrift auf dem Einsatzbogen auf seinem Klemmbrett geben. Es werden einige vage Angaben zu den Kosten gemacht, ohne jedoch den Kostenrahmen verbindlich abzu- stecken. Man hört lediglich „Anfahrt“, „Abfahrt“ (ja die wird extra berechnet), „Einsatzpauschale“, „Material“ usw. Der vermeintliche Helfer geht wieder an sein Auto, erneut betrachten wir unsere Schuhspitzen, und beginnt dann im Keller und im Garten Päckchen mit SGARs* auszulegen. Im Gemeinschaftskeller werden die Pastenköder völlig offen in die Ecken gelegt. Auch im Privatkeller der Auftraggeberin. Dann kommt das Signal „er möchte Geld“ und ich rufe den Notruf der Polizei. Die trifft überraschend schnell in wenigen Minuten vor Ort ein, gerade, als der Handwerker noch mal an seinem Auto ist. Zeitgleich stürmt das erste Filmteam aus dem Haus auf die Strasse. Die kurz einsetzende Verwirrung wird vom Betrüger genutzt. Plötzlich ist das Clipboard mit dem unterschriebenen Einsatzzettel weg. Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts Die Polizei teilt erst mal die Lager und versucht einen Überblick zu erhalten. Verstärkung wird angefordert. Wenige Minuten Später ist die schmale Strasse von drei Einsatzfahrzeugen der Polizei ziemlich verstopft. Auch ein Anwalt des SBK-Roth Mitarbeiters ist plötzlich wie aus dem Hut gezaubert da. Klar, wir sind in Essen im Kerngebiet betrügerischer Klans, aber diese Reaktionszeit überrascht nun doch. Mich als Berater und Vertreter des Berufsverbandes outend, gehe ich mit einer Polizistin in den Garten und in den Keller und lasse die ausgebrachten Materialien sicherstellen. Eine andere Kollegin befragt den Handwerker zum Tathergang. Die RTL- Mitarbeiter weisen auf den unterschrieben Auftragszettel hin. Das es einen solchen gegeben habe, wird vom Täter abge- stritten. Der Anwalt empfiehlt seinen Mandanten zu schweigen. Der Redakteur bezichtigt den Handwerker der Lüge, da sie gefilmt hätten, wie Frau Fuchs seinen Zettel unterschrieben hat. Die Polizei legt dem Anwalt nahe auf seinen Mandanten einzuwirken, zu kooperieren (Bild 4). Wenn der unterschriebene Auftragszettel nicht auftaucht, würde man ihn zur Befragung mit auf die Wache nehmen und das Fahrzeug abschleppen um es zu untersuchen. Wer braucht schon eine Ausbildung für Schädlings­ bekämpfung? Inzwischen befragt der Journalist den Anwalt des Handwerkers. Der posiert bereitwillig vor der Kamera. Wir möchten wissen, ob der Mandant denn ein ausgebildeter Schädlingsbekämpfer sei. Daraufhin fragt der Anwalt vor laufender Kamera „ist es notwendig dafür eine Ausbildung zu haben?“ Dieser Satz ist natürlich ganz großes Kino und an Unwissenheit, Dreistigkeit und Ignoranz nicht zu überbieten. Offensichtlich glaubt der Anwalt aber sein eigenes Statement wirklich. Denn mit der Tatsache konfron- tiert, dass sein Mandant Produkte für den professionellen Gebrauch eingesetzt hat, zieht er sich auf die Position zurück „das weiß ich nicht, dass mein Mandant diese eingesetzt hat. Den Sachverhalt müssen wir noch prüfen.“ Die Polizei durchsucht das Auto und fördert jede Menge Blanko Rechnungen zu Tage (Bild 5). Wenig später findet sie das Clipboard unter dem Fahrersitz. Wir machen noch zwei ähnliche Aktionen in Gelsenkirchen Fotos: Beckmann 7 8 *SGAR = Rodentizid der zweiten Generation

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