web_S&E_04_2019_ub
Schützen & Erhalten · Dezember 2019 · Seite 90 IDIE EX-PRESSI Berufsinformation des DSV e.V. | Wissenswertes Kryotechnik – Greenwashing oder Tool? D ie älteren Kollegen werden sich noch erinnern, dass immer mal wieder Propheten mit „neuen“ Tech- nologien durch die Landschaft, also durch unsere Branche ziehen. So war in den 90er Jahren in einer bekannten Branchenze i tung mehr fach über Schädlingsbekämpfung mit flüssigem Sauerstoff zu lesen. Dazu wurden große Stahlflaschen auf Rollcarts durch die Gegend gefahren. Ursprünglich als Heilsbringer für Schabenbefall in Groß- küchen angepriesen. Mit allerlei kompli- zierten Düsen konnte mit viel Druck der Sauerstoff in alle Ritzen, unter Spinde, Öfen und andere schwer zu bewegende Teile gesprüht werden. Eindrucksvoll quoll links und rechts von der Stelle an der der Sauerstoff eingeleitet wurde, kondensierender Wasserdampf aus den Fugen. Lediglich die Schaben waren unbeeindruckt. Die letale Reich- weite der Kälte ist eher im Zentimer- als im De- zimeterbereich anzusiedeln. Mit den aufkommenden Gelen hatten sich diese Experimente sowieso erledigt. Die Crux mit der Thermodynamik Jetzt sollen Schaben ja angeblich einen Atomkrieg überleben. Vielleicht haben wir ja nur die richtige Technik am falschen Objekt ausprobiert? Möglich. Gedanklich gehen wir unsere Schädlinge durch. Bewegliche Einzeltiere zu erfrieren, wäre Symptombekämpfung. Also muss unser Ziel stationär sein. Insekten, die Nester oder Aggregationen bilden. Mhmm, das wären die klassischen staatenbildenden Insekten. Also Ameisen und Wespen und bedingt auch die Bettwanzen. Wobei bei der Bettwanzenbekämpfung die Hitze, etwa in Form eines Steamers, wesentlich vielversprechender ist. Wir müssen die Physik berücksichtigen. So ist die Denaturierung von Eiweißen z.B. bei Eiern durch den transportierten Dampf wesentlich besser zu erreichen, als die Abkühlung auf eine tödliche Te mp e r a t u r. Rein rechnerisch haben wir bei denselben Luftvo- lumen, ausgehend von einer Raumtemperatur von 20°C, 45°C schneller erreicht als etwa -20 °C. Die Beschaffenheit von Materialien spielt auch eine Rolle. So ist die spezifische Wärmekapazität von Eisen etwa nur die Hälfte von Luft bei 20°C. Andere Metalle sind noch niedriger. Umgangssprachlich „leitet“ das Metall die Temperatur. Wenn also Insekten hinter Kühlschränken o.ä. auf Metall sitzen, dann wird die von uns eingebrachte Temperatur zunächst von dem Metall angenommen, ohne dass sich für das Insekt viel ändert. Hinzukommt, dass viele Insekten mit niedrigen Temperaturen viel besser umgehen können, als mit Hitze. Hier gilt die Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur- Regel, wonach bei erhöhten Temperaturen für Insekten mehr Stress entsteht, als bei sinkenden Temperaturen. Letztere können einfach apathisch ausgesessen werden. Wenn, dann müssen wir an die Wurzel des Übels Im direkten Vergleich ist Kälte nur dann eine Option, wenn Materialien eine be- stimmte Erwärmung nicht vertragen und wenn wir zusätzlich genug Einwirkzeit haben. Je größer das Volumen des zu erkaltenden Objekts (Nest, Versteck), desto weni- g e r Ein Kältespray aus dem Sporthandel leistet gute Dienste für unseren Test (Bild: Roegger).
RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=