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EDITORIAL Aus dem Lot geraten! A ls Titelbild begrüßt Sie zum Ab- schluss dieses geschichtsträch- tigen Jahres der Schiefe Turm von Bad Frankenhausen. Mit einer Schieflage von 4,60 m übertrifft er sogar um 70 cm sein weltberühmtes Pendant in Pisa. Ab 1970 wurde bei dem 56 Meter hohen Turm eine Neigungsgeschwin- digkeit von 6 cm pro Jahr gemessen und somit war für Statiker leicht zu errechnen, ab wann jede Hilfe zur Ret- tung des Turmes zu spät kommen wür- de. Die Gründe für den vorhersehbaren Einsturz sind natürliche geologische Prozesse im Baugrund. In Kenntnis dieser Ursachen gelang es 2009 mittels aufwendiger Baugrundverfüllungen die Neigungsgeschwindigkeit auf etwa 2 cm zu reduzieren. Dabei wurde deut- lich, dass es unmöglich ist, allein mit diesen Maßnahmen eine dauerhafte Stabilisierung des Bauwerkes zu errei- chen. Was nichts anderes bedeutet, als dass zur Rettung des Turmes die natürlichen Prozesse im Baugrund kon- tinuierlich beobachtet werden müssen, um, wie schon jetzt, die dauerhaft auf- tretenden und nicht zu verhindernden Verwerfungen mit Hilfe aufwendiger technischer Sicherungskonstruktionen auszugleichen. Und damit ist die lang- fristige Rettung des Turmes eine Frage der technischen Möglichkeiten, der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und nicht zuletzt des politischen Willens. Bad Frankenhausen war die einzige Tagung der DHBV-Landesverbände, die in diesem Herbst stattfand (siehe hierzu Seite 48 f.). Der Vorstand des Landesver- bandes Sachsen/Thüringen hätte wohl kein symbolträchtigeres Baudenkmal als Sinnbild für das Jahr 2020 wählen können. Herzlichst Ihr Friedrich Remes I GLOSSE I „… Stille Nacht, Heilige Nacht. Alles schläft, einsam…“ … können sie sein, die grauen Winter- tage im „Lockdown light“. Keine guten Tage, um weitreichende Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Ja, sie werden ruhig werden, diese Festtage. Kein Weihnachtsmarkt mit verbrann- ten Mandeln im Glukosekostüm und rotgewandeten, wattebebarteten Sack- trägern, kein posaunenchorverstärktes Adventsingen unter der imposanten Nordmanntanne auf dem Dorfanger, kein Abfeuern von Feuerwerksraketen zum Jahreswechsel, obwohl viele sich seit Monaten um die Bereitstellung der notwendigen Abschussrampen aus leergesüffelten Rotweinflaschen verdient gemacht haben. Und keine kollektiven Glühweinexzes- se vor lamettabehängten Holzbuden, die Hände gewärmt an klebrigen Pfandbe- chern mit Aufdrucken wie „Winterlicher Bratapfelmarkt Kleinkotzenreuth 2020“. Und das, obwohl die Weltlage mehr als besäufniserregend ist. Als ob es nicht reicht, dass wir alle im Schwitzkasten des Covid-19 Virus stecken, vergeigt die Löw-Truppe in Sevilla ihr Spiel gegen die spanische Nationalmannschaft mit 0:6. Letztmalig gab es so eine Klatsche am 24. Mai 1931 gegen Österreich, seinerzeit jedoch noch auf Asche und in Sandalen. Wenn sich Geschichte wiederholt, gibt es 2023 Hoffnung für Schalke 04, die 1934 erstmalig Deutscher Meister wurden. Wenn man unterstellt, dass der da- malige Erfolg am rotkörnigen Platzbelag und dem luftigen Schuhwerk gelegen hat, sollte man bei S04 vielleicht mal über taktische Anpassungen in diese Richtung nachdenken – schlechter werden kann es ohnehin nicht. Apropos unterirdisch. Was geht denn da jenseits des großen Teichs ab? Hatte man bisher den Eindruck, dass der rotblond-bemützte Sympatikus aus dem Oval Office nur an selektivem Realitätsverlust gelitten hat, offenbart er sich seit dem 3. November als hart- näckiger Wirklichkeitsverdränger, in seinem infantilem Schalten und Walten vergleichbar einem Kleinkind aus der Regenbogengruppe der Montessori- Kinderkrippe Dinkelsbühl, dem ein gleichaltriger Mitinsasse das rote Förmchen wegneh- men will. Aber vielleicht ist ja bis zum Erscheinen dieses Artikels dieser Kindergarten auch im Lockdown und der Wähler- wille wurde demokratisch umgesetzt. In diesem Zusammenhang sei dem Unterzeichner der Hinweis gestattet, dass ihm bewusst ist, dass er mit der einen oder anderen Sachverhaltsdarstel- lung oder Kommentierung nicht den Geschmack aller Leser trifft oder gar auf uneingeschränkte Zustimmung hoffen darf, dürfte doch der Mikrokosmos „DHBV“ das ganze Spektrum unserer Gesellschaft widerspiegeln. Nicht jeder kann natürlich so ein glühender Fan des S04 sein wie ich, an- dere Farbenblinde halten es da eher mit gelb-schwarz oder rot-weiß, die Armen. Dazu passt, dass jüngsten Studien zufolge 1/3 der Deutschen geneigt sind, der einen oder anderen Verschwö- rungstheorie Glauben zu schenken. Ich persönlich habe die Hoffnung, dass dabei auch Verdachtsmomente z. B. gegen Schwiegermütter inkludiert sind, die vermeintlich nur deshalb jedes Wochen- ende die traute Familienrunde mit ihrer Anwesenheit beglücken, um dem Schwiegersohn die Konzentration auf die Sportschau zu rauben. In diesem Sinne: Trotzdem Frohes Fest und bleiben Sie gesund! Ihr Ralf Hunstock

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