klein_S&E_03_2021_ub
von Borverbindungen. Zumindest ihre Anzahl soll reduziert werden, sodass der Verwendung von Borax keine große Zukunft zugestanden wird. Dieser ver- waltungstechnischen Sicht stehen die physikochemischen Eigenschaften des Systems Borsäure-Borax entgegen, bei dem sich beide Wirkstoffe als Gemisch deutlich besser in Lösung bringen lassen als jeder alleine. Im anwendungsfertigen Holzschutzmittel kann ohnehin nicht mehr zwischen Borax und Borsäure unterschieden werden, denn in Lösung dissoziieren die Moleküle und bilden mit Wasser Borat-Ionen. Die Verlängerung 2021/1288 verweist in ihrem Absatz (3) auf das Kernproblem der Bewertung von Borverbindungen. Gemäß Verordnung 1272/2008 werden die Borverbindungen dort als „reproduk- tionstoxisch (Kategorie 1B)“ eingestuft. Kategorie 1B bezeichnet die Verdachts- fälle. Ein Nachweis ist nicht erfolgt. Dies steht scheinbar in deutlichem Widerspruch zur eingangs angesproche- nen Bewertung. Reproduktionstoxisch klingt nun recht gefährlich. Hier sollte jedoch genauer hingeschaut werden: Gemäß Definition handelt es sich hier um eine Sammel- gruppe, unter der krebserzeugende, mutagene und reproduktionstoxische Stoffe zusammengefasst werden (siehe Definition Bild 3). Sieht man sich jetzt die Quelle der Daten an (Dänisches Umweltministerium Milj Ø styrelsen 1998), so stellt man fest, dass hier offenbar eine Fehleinstufung erfolgt ist: Ratten und Hunden waren Borsalze verfüttert worden. Eine Dosis von 100mg Borsäure/kg Körpergewicht zeigte sich bei einer Versuchsdauer über 2 Jahre als unschädlich (No-effect-level). Für einen erwachsenen Menschen von 70kg ent- spräche dies einer täglichen Aufnahme von 7g Borsäure. 20g konnten jedoch bereits tödlich sein. Diese Ergebnisse waren alles andere als neu. Sie sind vielfach in der älteren Literatur zu finden (Kliegel 1980). Frag- lich ist daher, ob die Versuche in Anbe- tracht der Schädigung der Versuchstiere überhaupt sinnvoll waren. Dass Bor bei der Aufnahme von größeren Mengen gesundheitsschädlich ist, war bekannt. Aufmerksamkeit erregte ein Detail der Ergebnisse: Die Samenproduktion der männlichen Tiere war vermindert. Daraus das Urteil der „Fruchtbarkeitsge- fährdung“ abzuleiten ist fraglich. Betrachtet man die Wirkungsweisen von Borsalzen, so zeigt sich, dass Bor zu- mindest für Pflanzen sogar ein essenziel- les Element ist, ohne das keine geregelte Zellteilung möglich ist (Kliegel 1980). Eine Wirkung im Organismus ist daher nicht unwahrscheinlich. Entscheidend ist aber immer die Dosis, wie schon Para- celsus wusste. Zusätzlich erhebt sich die Frage der Relevanz von Fraß-Versuchen für die Anwendung im Holzschutz. Zur Erinnerung: Borsalze weisen keinen Dampfdruck auf. Es müsste also das be- handelte Holz, zudem in ausreichender Menge, gegessen werden. Die Ergebnisse veranlassten aber das dänische Ministerium eine Einschrän- kung der Anwendung von Borsalzen zu fordern (Peylo 2000). Genauso wie seit über 20 Jahren bekannt ist, dass Holzstäube nicht kan- zerogen sind, sondern die damals mit dem Holz geschliffenen Chromat-Beizen die beschriebenen Adeno-Carcinome verursachten, wurde der Fehler für Bor- verbindungen nicht korrigiert. Wenn ein Verdacht einmal in der Welt ist, kann man ihn nicht wieder einfangen. Denn jetzt bedarf es des Nachweises, dass der Stoff (Holzstaub oder Borsalz) garantiert keine Wirkungen hat. Das ist wissenschaftlich im Versuchsuchsaufbau nahezu unmöglich. Jeder Stoff in höherer Konzentration wird irgendeine reizende o. ä. Wirkung haben. Bei Borsalzen kommt hinzu, dass eine Bor-freie Diät nicht möglich ist, da Bor in Spuren im Wasser und jeder Pflanze vorkommt. Bewertung Betrachtet man diese Formulierun- gen und die zuvor kurz genannten Eigenschaften von Borsalzen bzw. die angeführten Versuchsergebnisse, so kann man grundsätzlich eigentlich keine Einwände gegen diese Bewertung vor- bringen: Ca. 20-40g Borsäure können für einen Erwachsenen tödlich sein (auch mit ca. 40g haushaltsüblichem Kochsalz, Natriumchlorid, ist die gleiche Wirkung zu erreichen). Da der Organismus von Kindern in der Regel empfindlicher ist, genügt ein einfaches Gedankenexperi- ment, sich vorzustellen, dass das Kind im Mutterleib geschädigt wird, wenn die Mutter eine tödliche Dosis Borsalz aufnimmt. Aber: Wie kann Borsalz aufgenom- men werden? Borsalze haben keinen messbaren Dampfdruck. Aus dem be- handelten Holz gelangt Bor also mit absoluter Sicherheit nicht in die Wohn- räume, im Gegensatz zu den klassischen organischen Holzschutzmitteln Lindan, PCP, aber auch Pyrethroide, etc. Diese fehlende Exposition wird bei der Bewertung durch die Behörden aber nicht beachtet. Betrachtet wird nur isoliert der Wirkstoff, nicht ob er überhaupt an oder in den Menschen gelangen kann. Schutzmaßnahmen Bei fachgerechter Anwendung durch sachkundige Fachfirmen ist eine Auf- nahme von Borsalzen nicht möglich und vom behandelten Holz geht aufgrund der nicht erfolgenden Emission keine Gefahr aus. Die notwendige Schutzausrüstung für die Verarbeitung besteht aus: – Streichen/Bohrlochtränkung: Gummi-Handschuhe – Spritzen: P2-Maske mit Partikelfilter Der Autor bleibt daher bei seiner Mei- nung: Borsalze sind die harmlosesten Holzschutzmittel, die wir haben. Sie verdunsten nicht und können so weder aufgenommen werden noch ihre Wirk- samkeit verlieren. Literatur Kliegel, W. (Hrsg.) 1980: Bor in Biologie, Medizin und Pharmazie. Springer-Verlag, 900S. Lloyd, J., 1998: Borates and their biological applications. Intern. Research Group on Wood Preservation. Document IRG/WP 30178 Peylo, A., 1998: Bor im Holzschutz – Breites Wirkungs- spektrum und geringe Humantoxizität. Der praktische Schädlingsbekämpfer 50 (11) 17-20. Peylo, A. 2000: Bor im Holzschutz – Gibt es neue Erkennt- nisse? Der praktische Schädlingsbekämpfer 52 (4) 28-31 . Peylo, A. 2005: Sind Borverbindungen im Holzschutz effektiv und zeitgemäß? Holz Roh-Werkstoff 63, 414-416. Peylo, A. 2013: Borsalze im Holzschutz – ein Nachruf? Holzzentralblatt (35) S. 849. Schützen & Erhalten · September 2021 · Seite 19 FACHBEREICHE I HOLZSCHUTZ
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