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10 Jahre Glosse in S&E I n der 51. Ausgabe der S&E September 2012 kündigte ich an dieser Stelle wie folgt eine neue Rubrik an: Die Glosse (gr.: glotta = Zunge) ist „der Farbtupfer, das Streiflicht oder der »Mückenstich« unter den Meinungsstil- formen“ (Noelle-Neumann). Heute, passend zur 90. Ausgabe, feiert unsere Glosse ihr 10-jähriges Jubiläum. Zum vierzigsten Mal lässt uns Ralf Hunstock an seiner Sicht der Dinge teilhaben. Mit viel Ironie, Sprachwitz, immer humorvoll, mitunter zynisch, gar sarkastisch bereichert er unsere Fach- zeitschrift. Ganz nach Kurt Tucholsky, der am 27.01.1919 im Berliner Tageblatt auf die rhetorische Frage „Was darf die Satire?“ mit „Alles!“ antwortete, sind auch unserem Glossisten kaum Grenzen gesetzt, selbst dann nicht, wenn ihn die Schreib- und Mitteilungslust derart über- mannt, dass sie ihn mitunter vergessen lässt, dass die Seite 3 zu gleichen Teilen dem Editorial und der Glosse gehört. Entsprechend möchte ich mich zum Jubiläum auf diese wenigen Zei- len beschränken, Ihnen viel Lese- und Lernvergnügen beim Durchstöbern und Studieren der S&E wünschen und unserem hochgeschätzten Glossisten das Feld überlassen. Herzlichst Ihr Friedrich Remes I GLOSSE I I EDITORIAL I Darf man das? Ja darf er das denn? D iese Fragen der angeheirateten Tante Rosmarie standen in schöns- ter Regelmäßigkeit im Kinderzimmer, wenn der kleine Ralf, rücklinks und vermeintlich wehrlos in seinem Stuben- wagen liegend, wieder mal zur reinen Selbstverteidigung beide Zeigefinger tief in seine Nasenlöcher bohrte, in dem Versuch den zärtlichen tantlichen Na- senstübern wenigstens leichte Waffen entgegenzusetzen. Vor fast genau 10 Jahren wurde dann wieder die Frage gestellt Darf man das? Darf man sich in einer seriösen Verbandszeitschrift sarkastisch, zynisch, manchmal leidlich humorvoll zu auch nicht fachspezifischen Themen äußern? Ich denke ja, solange diese Äuße- rungen nicht gegen die guten Sitten oder unsere freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Ist es unangemessen und respektlos, wenn man schon im 1. Versuch, in der Ausgabe 3/2012, die Zahl 51 mit der Anzahl der verbliebenen Kopfhaare un- seres Geschäftsführers in einen textlichen Zusammenhang bringt? Ich denke nein, es sei denn, diese Rechnung ist mathematisch nicht beleg- bar oder die Äußerung verstößt gegen die guten Sitten oder …... Ist es sittlich moralisch vertretbar, in schönster Regelmäßigkeit auf den ohnehin geschundenen Seelen der Fuß- ballfans verschiedenster Vereine verbal herumzutrampeln, ohne selbst jemals in der Lage gewesen zu sein, auch nur einmal halbwegs gerade vor die Pille zu treten oder es bei „Alle gegen Pistor“ trotz mehrjähriger Bemühungen nicht über Platz 768.522 hinaus geschafft zu haben? Ich denke ja, solange diese hooliesken Bekundungen nicht gegen die guten Sitten oder …... Und nun, knapp 65 Jahre nach den traumatischen Erlebnissen mit der an- geheirateten Verwandtschaft wieder die Frage: Darf man das? Darf man in unserem „grünen Jäger- blatt“, wie es von unserem geschätzten Geschäftsführer einmal liebevoll be- zeichnet wurde, seine Meinung auch zu „geopolitischen Themen“ zum Ausdruck bringen? Ich denke ja, solange diese Meinung nicht gegen die guten Sitten oder …... Was nun, wenn bezüglich der Farbge- staltung und den Textbeiträgen der Seite 3 unserer letzten Ausgabe sowohl dem Glossisten als auch dem Chefredakteur von einem einzelnen Kritiker vorge- worfen worden wäre, unangemessen persönliche Meinungen proklamiert zu haben. Ja darf er das denn? Darf ein Leser redaktionelle Beiträge in einer Verbandszeitschrift kritisch kom- mentieren? Die Antwort lautet natürlich ja, so- lange dieser Kommentar nicht gegen die guten Sitten oder …... Eine Glosse versteht sich als ein knapper polemischer Kommentar zu aktuellen Ereignissen oder Problemen, ein Editorial gibt meist dezidiert die Meinung der Chefredaktion wieder. Per Definition ist eine Meinung der selbstgebildete Standpunkt eines Men- schen bzw. die persönliche Bewertung einer Sache oder Person und ein Kom- mentar ein Meinung sbeitrag zu einem Thema, der den Autor namentlich nennt. Eine Meinung oder Kommentar erhebt somit ausdrücklich nicht den An- spruch allgemeingültig zu sein oder eine andere als die Auffassung des Verfassers widerzuspiegeln, egal zu welchem The- ma. Womit wir zur letzten Frage des Abends kommen: Ja darf er das denn? Darf der Glossist ein honoriges Vorstandsmitglied aus der Teilrepublik Westfalen öffentlich ungestraft als „fleischgewordenen Karnevalswagen“ bezeichnen, nur weil man es wider jegliche Erwartung beim Schunkeln in Bewegung setzen konnte? Ich denke nein, nicht ungestraft, obwohl die Schilderung eines solchen Sachverhalts weder gegen die guten Sitten oder unsere freiheitlich demokra- tische Grundordnung verstößt. Hierfür war die verhängte Strafe, bestehend aus einer stattlichen Anzahl alkoholhaltiger Gersten-Kaltschalen nicht nur angemessen, sondern in höchstem Maße berechtigt. In diesem Sinne: … kennt eigent- lich jemand den meteorologi- schen Unter- schied zwischen „Shitstorm“ und „Architekten- furz“? Ihr Ralf Hunstock

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