web_S&E_02_2022_ub

DEUTSCHLAND INFORMATIONEN Die WTA ist 1984 angetreten, um die Forschung und die praktische Anwendung auf dem Gebiet der Bauwerkserhaltung und der Denkmalpflege zu fördern, gelingt dies Ihrer Meinung nach? Ja, ohne Frage. Der Schlüssel dazu ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit und genau das bietet uns allen den Mehrwert, damit meine ich einen Mehrwert, der sich nicht auf einzelne Themen bezieht, sondern um die Bauwerkserhaltung im Ganzen, um Nachhal- tigkeit, um den Einsatz von traditionellen Materialien. Ich bin überzeugt, dass wir uns mehr über verschiedene „Behandlungsmög- lichkeiten“ austauschen sollten. Daraus erschließt sich ein großer Nutzen über Ländergrenzen hinweg. Die WTA Schweiz stellt ihre Infrastrukturbauten in den Blickpunkt, hier hatten wir von Anfang an einen besonders starken Fokus gewählt. ? ! Sie haben Ihr Amt im Mai abgegeben, hätte der Elan nicht noch für eine weitere Amtszeit gereicht? Meine Aufgaben im Vorstand habe ich überaus engagiert und mit großer Freude über zehn Jahre ausgefüllt. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir geschenkt wurde. Dem wollte ich immer vollends gerecht werden. Zeit vergeht jedoch sehr schnell und Wechsel bieten Raum für neue Gestaltung, neue Kraft und neue Ideen. Und Elan, ja, den habe ich ungebrochen. In meiner heutigen beruflichen Funktion darf ich entscheidend gestalten und möchte alle Kraft und Erfahrung in diese berufliche Herausforderung einbringen und mich künftig vertieft und intensiv dem Thema Nachhaltigkeit widmen, darauf werde ich mich jetzt konzentrieren. Ich leite seit ca. einem Jahr das Engineering und die Innovation in einem Familienunternehmen, das seit 160 Jahren die Ziegelindustrie der Schweiz maßgeblich prägt. ? ! Wenn Sie zurückblicken, würden Sie sagen, dass die Abspaltung in die einzelnen nationalen Gruppen reibungslos „über die Bühne“ gegangen ist und diese „Abnabelungen“ perfekt gelungen sind? Ich sehe es nicht als Abspaltung, im Gegenteil. Die WTA e.V. in Deutschland, das „Mutterhaus“ war unser aller Ursprung. Wir, die ersten „Kinder“ in der Schweiz und Niederlande/-Flandern, sind unter unseren nationalen Bedingungen gewachsen. Diese Situation rief irgendwann nach Veränderung und Öffnung und so wurde nun ein Multiplikator für den Verein international möglich. Reibungs- punkte gibt es in so einer Transformation immer. An dieser Stelle möchte ich meinen großen und persönlichen Dank an Harald Garrecht aussprechen. Er hat mich damals in den erweiterten Vorstand WTA e.V. gebeten und da habe ich die Schweizer (internatio- nale) Perspektive vertreten. Ich habe den Stab von Ton Bunnik (Verteter NL/FL) im Präsidium der WTA e.V. übernommen. Ton hatte den Weg zur Internationalisierung vor mir eröffnet. Harald Garrecht hatte das Potential erkannt. In meiner Sicht hat sich der Verein nie gespalten, wir haben uns besser gefunden über die zurückliegenden Jahre hinweg und unter perfekter Moderation durch Harald. Heute arbeitet der Vorstand mit großem Durchhaltevermögen am gemeinsamen Integrationsprozess, der die nationalen Gruppen zusammenbringt. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung ist in ihrer Verwirklichung meines Erachtens nach wirklich Harald Garrechts Weitsicht zu verdanken. Dafür zolle ich ihm höchsten Respekt. Diese Internationalisierung vertritt das Vermächtnis von Ton Bunnik in der WTA, der leider den heutigen Erfolg nicht mehr miterlebt. Warum ist diese Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg hier und da schwierig - so hört es sich jedenfalls zwischen den Zeilen an? Darf ich hier lächeln und schweigen. Wie schon eingangs beschrieben, wir wissen, dass unsere Unterschiede uns reich machen, denn sie fordern uns heraus, Grenzen zu überbrücken und neue Standpunkte zu achten und einzubeziehen. Ursprünglich komme ich aus Deutschland, doch lebe ich seit mehr als 30 Jahren in anderen Ländern. Heute bin ich von Herzen Schweizerin. Echte Integration erfordert eine tiefe Auseinandersetzung mit der neuen Umgebung, bis sie zur Heimat wird. Besonders hat es für mich solch hohe Bedeutung, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unterschiedlicher Länder und ihrer Kulturen gewürdigt und repräsentiert zu wissen. Wenn wir beispielsweise die ursprüngliche deutsche WTA-Kultur nicht im Schweizer Umfeld übersetzen, hätten wir wenig Anerkennung in der Schweizer Kultur. Sich erkennen, Unterschiede anerkennen und fachlich dennoch gemeinsam vorangehen – das braucht breite und unterschiedliche Perspektiven, Akzeptanz und bietet neue Erkenntnisse. In welchem Bereich innerhalb der WTA setzen Sie persönlich Ihre Schwerpunkte? Denkmalpflege ist und war mein persönliches Thema, ohne den Blick in die Vergangenheit zu richten, gelingt auch nicht der Blick in die Zukunft. Damit einher geht die höhere Wertschätzung des Bauens im Bestand, Schutz der Gebäude, die Berücksichtigung des Lebenszyklus - jeder Schritt, den wir tun, können und sollten wir hinterfragen und gezielt setzen. Wenn wir zurückschauen, erkennen wir das Wissen, wo sich Materialien, Ausführung und Konstruktion bewährt haben. Wir sehen die Anpassungen an regionale und nationale Unterschiede. Wir sollten nicht mehr nach dem Motto „höher, schneller und weiter“ agieren, sondern die Frage nach der nachhaltigsten Ressourcenverwertung stellen. Eben mit Tradition und hoher Achtsamkeit in die Zukunft gehen. ? ? ? ! ! ! Schützen & Erhalten · Juni 2022 · Seite 59

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=