web_S&E_02_2022_ub

spruch aus dem Kunstunterricht „was will uns der Künstler damit sa- gen“ ist hier durchaus angebracht. Wenn man auch nur annähernd weiß, in wievielen Stunden und Tagen fleißiger Einzelarbeit und in wieviel hitzigen, strittigen Diskussi- onen der Autoren die Texte der fer- tigen Norm entstanden sind oder wenn man die Entwürfe der Nor- men mit den Endfassungen ver- gleicht, wird einem deutlich, wieviel ungeschriebenes und vielfältiges Wissen hinter den Norm-Texten stecken muss. Auch nach einigen Jahrzehnten ei- gener Tätigkeit im Holzschutz ge- lingt es mir nicht immer, den Sinn einiger Aussagen der Normen zu erfassen und muss sie hinterfragen. Nun ja, man könnte den/die Au- toren anrufen und fragen, was sie sich dabei gedacht haben, aber da- mit dürften die dann ganz schnell überfordert sein und meine Ruf- nummer wird sicher geblockt. Der Praxiskommentar ist kein Buch für einen Leseabend. Ich betrachte ihn eher als ein wichtiges Nach- schlagewerk, etwa wie ein Lexikon. Der Wert wird einem in der tägli- chen Arbeit bewusst, wenn man auf der Grundlage der Normen arbeiten will und bei der Ausfüh- rung an seine fachlichen Grenzen kommt oder die Norm hinterfra- gen muss. Dies wird z.B. sehr deutlich beim Kommentar zum Teil 4 der Norm „Bekämpfungsmaßnahmen gegen Holz zerstörende Pilze und Insek- ten und Sanierungsmaßnahmen“. Wenn es um das Geld des Bau- herrn geht oder um die Belange des Denkmalschutzes zum Erhalt wertvoller Bausubstanz, kommen bei der Anwendung der Norm ins- besondere der sog. Regelsanierung Fragen auf, ob das alles so richtig ist mit den Sicherheitsabständen und so. Und ob der Echte Haus- schwamm wirklich so ein Übeltäter sein muss, wie man denkt. Wertvolle Hinweise zur Anwendung der Norm Und (auch hier) gibt der Kommen- tar Hilfestellungen und Erläute- rungen, die einem sagen, ja, das kann man so oder so machen und die Bekämpfungsmaßnahme hat Erfolg. Auch die ausführliche Er- weiterung von Bekämpfungsmaß- nahmen durch die sog. Sonder- maßnahmen (Heißluft, Begasung, elektrophysikalisches Verfahren) gibt wertvolle Hinweise zur An- wendung der Norm. Und auch die mittlerweile komplizierte Übersicht der „komplikationslos anwendba- ren“ vorbeugenden und bekämp- fenden Holzschutzmittel wird im Kommentar aufgelöst. Was bleibt, ist ein für Planer, ausführende Firmen, Holzbauberufe, Sachver- ständige und Gutachter und auch für Studierende unverzichtbares Handbuch für die tägliche Arbeit. Nach dem sog. „Meersburg“-Ur- teil des BVG vom 22.05.1987 heißt es: „Zwar kann den DIN-Normen einerseits Sachverstand und Ver- antwortlichkeit für das allgemeine Wohl nicht abgesprochen wer- den… den Anforderungen, die etwa an die Neutralität und Un- voreingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen sind, genügen sie deshalb nicht.“ Und ein BGH-Urteil vom14.05.1998 lautet: „Die DIN-Normen sind kei- ne Rechtsnormen, sondern pri- vate technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie kön- nen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Nach BGH kommt es auf die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik an. Diese dürfen keineswegs mit den DIN-Normen identisch gesetzt werden.“ Dieser Praxiskommentar hilft ei- nem sehr, diesen notwendigen Kompromiss zwischen Norm und der praktischen Anwendung zu schließen. Detlef Krause Schützen & Erhalten · Juni 2022 · Seite 81

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=