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Schützen & Erhalten · Juni 2023 · Seite 32 FACHBEREICHE I SCHIMMELPILZE Bevor angedacht wird, eine Abschot- tung in Räumen der Nutzungsklasse II einzubauen, sollten folgende Überlegun- gen geprüft werden: – Ist sichergestellt, dass eine Abschottung den Empfehlungen des Leitfadens vom Umweltbun- desamt entspricht? Siehe: Hand- lungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchte- und Schimmelschäden in Fußböden. – Ist sichergestellt, dass alle Be- reiche der Konstruktion, die ab- geschottet werden soll, trocken sind? Siehe: WTA-Merkblatt 6-16, Technische Trocknung durchfeuchte- ter Bauteile Teil 2: Planung, Ausfüh- rung und Kontrolle. Hinweis: Wenn nicht sichergestellt ist, dass der abgeschottete Bereich (dauerhaft) trocken ist, kann je nach Konstrukti- on ein Totalschaden die Folge sein. – Ist sichergestellt, dass es tech- nisch möglich ist, den Aufbau oder das Bauteil (dauerhaft) luftdicht abzuschotten? Hinweis: Trockenbauwände werden in der Regel nicht luftdicht erstellt. Es ist daher unter Umständen aufwändig, die Luftdichtheit nachträglich sicher- zustellen. In vielen Fällen ist eine Abschottung technisch nicht mög- lich, unter anderem wenn nicht alle Bereiche zugänglich sind. Dies kann zum Beispiel auf Konstruktionen mit Trockenbauwänden zutreffen. Diese sind im Innenbereich üblicherweise nicht luftdicht erstellt und kön- nen daher nachträglich auch nicht mehr ohne erheblichen Aufwand luftdicht abgeschottet werden. Ein klassisches Beispiel sind Wände mit Gipskartonplatten, die auf die Roh- decke gestellt sind und an die später der Bodenaufbau angearbeitet wur- de. Da diese Trockenbauwände bei der Erstellung selbst nicht luftdicht ausgeführt und an andere Bauteil­ ebenen nicht luftdicht angebun- den werden, ist eine nachträgliche luftdichte Ausführung, insbesondere bezogen auf den Anschluss der Platten an die Bodenplatte, wiede- rum nur durch Rückbau möglich. Ähnliches trifft auf Konstruktionen im Bestand zu, die ständig „ar- beiten“ (sich bewegen), wie zum Beispiel luftfeuchtebedingte Maß- änderungen bei Holzbalkendecken und Holz-Ständerkonstruktionen sowie temperaturbedingte Maßän- derungen bei Metallbauteilen im Gebäude. – Kann sichergestellt werden, dass die Abschottung fachgerecht ausgeführt wurde und dauerhaft dicht bleibt? – Ist es erforderlich, die Abschot- tung bedingt durch beispielswei- se bauliche Bewegungen oder Formveränderungen des Gebäu- des in regelmäßigen Abständen auf ihre Dichtheit zu prüfen? – Kann sichergestellt werden, dass bei späteren Tätigkeiten an Bauteilen mit abgeschotteten Schimmelschäden die gesetzlich vorgegebenen Hinweispflich- ten erfüllt werden? Hinweis: Bei einer Reparatur oder Sanierung abgeschotteter Bauteile kann eine Freisetzung von Schimmelbestand- teilen erfolgen. Unter anderem sind Handwerker gesetzlich verpflichtet, eigene Mitarbeiter – aber auch Drit- te – zu schützen. Deshalb müssen diese über das Vorhandensein von möglichen Schimmelbestandteilen informiert werden. Schimmelproblematiken spielen sich in den seltensten Fällen in einem rechts- freien Raum ab. Der Schimmelleitfaden weist in der Einführung darauf hin, dass er sich nicht mit rechtlichen Aspekten be- fasst; seine Thematik wird ausschließlich unter hygienischen Aspekten behandelt. Neben den hygienischen Aspekten in der Checkliste sind zudem beispielhaft fol- gende Rechtsgebiete zu berücksichtigen: – Im Werkvertragsrecht ist die jeweilige vertragliche Vereinbarung anhand der gesetzlichen Gewähr­ leistungsvorschriften heranzuziehen. – Im Arbeitsrecht ist Maßstab der Beurteilung die dort genannte Ar- beitsstättenverordnung. – Im Mietrecht sind Grundlage der Beurteilung der jeweilige Mietver- trag und die gesetzlichen Miet- rechtsvorschriften. – Im Sachversicherungsrecht sind die Beurteilungsgrundlagen der jeweils zugrundeliegende Versiche- rungsvertrag und die gesetzlichen Vorschriften des Versicherungsver- tragsgesetzes. – Im Kaufrecht sind der jeweils ge- schlossene Vertrag und die gesetz- lichen Bestimmungen zum Kauf- recht ausschlaggebend. Vorsicht: Die rechtliche Beurteilung einer Schimmelproblematik setzt die genaue Kenntnis der jeweiligen vertrag- lichen oder gesetzlichen Beziehungen und deren Wechselbeziehungen mit den jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zwingend voraus. An dieser Stelle darf ich mich bei allen Diskutierenden und Zuhörenden bedan- ken. Es war eine Freude, als Moderatorin auf rege Beteiligung zu treffen und eine angenehme und wertschätzende Diskus- sion lediglich in der Zeitschiene limitieren zu müssen. Und dem Wunsch nach einer schriftlichen Zusammenfassung der Vor- träge und Podiumsdiskussion statt einem Schlusswort dürfte hiermit wohl Genüge getan sein. Wir sehen uns wieder. Literatur 1 AIBAU Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik gGmbH: Instandset- zung von Schimmelschäden durch Abschottung – Partikeldichtheit von Baustoffen, Aachen, 2019 (Download: www.aibau.de/uploads/forschung/60/ langdeu/190708-Abschlussbericht_Abschottung%20 von%20Schimmelschaeden_AIBau.pdf) 2 Silke Sous, Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller und Dr. Thomas Warscheid: Schimmelinstandsetzung – Nut- zungsklassenkonzept und Abschottung, Tagungsband 10. Deutscher Schimmelpilztag, Neuss 2023 3 Stefan Betz, Pia Haun, P., Charlotte Herrnstadt, Jochen Kern, Robert Kussauer, Wolfgang Lorenz, Uwe Münzenberger, Christoph Trautmann: Abschotten reicht nicht. Bauen im Bestand, 2/2020, S. 54-60 4 Netzwerk Schimmelpilzberatung Deutschland: Schimmelbefall – was tun? Abschotten oder nicht Abschotten – Eine Entscheidungshilfe; https:// baubiologie.net/wissenswertes/detailansicht/15- checkliste-entscheidungshilfe-abschottung-des- netzwerk-schimmelberatung-deutschland-erschienen/

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