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AKADEMIE Die Innendämmung spielt eine zentrale Rolle bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden, da sie gerade im Denkmal entscheidende Vorteile gegen- über Außendämmungen besitzt. Sie muss jedoch sorgfältig geplant und fachge- recht ausgeführt werden, um potenzielle Feuchteprobleme oder Schäden an der Bausubstanz zu vermeiden. Anatol Worch, Spezialist in Sachen Innendämmung im Bestand, klärt über deren Einsatzgebiete auf und gibt Hinweise, worauf bei der Um- setzung zu achten ist. Seit vergangenem Jahr verstärkt Dr.-Ing. Anatol Worch die WTA Akademie mit seinem Seminar „In- nendämmung nach WTA“, das inzwischen zum festen Bestandteil des Seminarpro- gramms geworden ist. Im Interview beant- wortet der Experte grundsätzliche Fragen zur Innendämmung. Die Innendämmung gewinnt angesichts des wachsenden Bedarfs an energetischen Sanierungen im Gebäudebestand immer mehr an Bedeutung. Welche Einsatzgebie- te gibt es für die Innendämmung? Heute wird die Innendämmung häufig mit Denkmalschutz in Verbindung gebracht. Bei allen Gebäuden, deren Fassaden sichtbar bleiben sollen, kann nur auf der Innenseite gedämmt werden. Aus meiner Sicht geht jedoch der Einsatz von Innendämmsyste- men weit über den Denkmalaspekt hinaus. In enger Innenstadtbebauung, wo ein Wär- medämmverbundsystem die Breite des Bürgersteigs so verengen würde, dass er für Kinderwagen oder Rollstühle nicht mehr nutzbar werden würde, bei einer notwendi- gen Überbauung des Nachbargrundstücks, aber auch bei einer modularen Schritt-für- Schritt-Sanierung eines Mehrfamilienhau- ses oder der Schaffung einer höheren Be- haglichkeit besonders schützenswerter Wohnbereiche: In all den zuvor aufgezähl- ten Fällen bietet die Innendämmung eine sinnvolle Lösung und oftmals die einzige Alternative für eine energetische Ertüchti- gung. Im Gegensatz zur oft angestrebten optimalen Lösung kann auch mit geringe- ren Dämmstoffdicken schon eine erhebli- che Verbesserung der thermischen Umfas- sungsfläche erzielt werden. Gibt es Ihrer Meinung nach noch immer einen Aufklärungsbedarf hinsichtlich des Einsatzes der Innendämmung gegenüber Planern und Ausführenden? Warum? Ja, leider gibt es insbesondere im deutsch- sprachigen Raum nach wie vor einen hohen Aufklärungsbedarf. In Deutschland wurde Mitte der 1950-iger Jahre das sogenann- te Glaser-Verfahren zum Nachweis einer möglichen Kondensation im Bauteilin- nern in der entsprechenden Norm festge- legt. Bis zu diesem Zeitpunkt war auch in Deutschland die Innenseite die „richtigere“ Seite, die gedämmt werden sollte: Bereits kurz nach dem Anheizen des Ofens in der großen Küche war der Raum durch die sich rasch erwärmenden Oberflächen behaglich warm. Auch wenn nach Norm eine mode- rate Kondensatbildung zulässig ist – und in der Praxis zumindest in kalten Winter unvermeidbar ist –, so ist oftmals die Tau- wasserfreiheit gefordert. Seit dieser Zeit herrscht eine große Skepsis gegenüber in- nenliegenden Dämmschichten: „Innendäm- mung = Tauwasser = Schimmel“. Diese alten Denkmuster aufzubrechen, auf die wirklichen Risiken aber auch auf die Vorteile innenliegender Dämmschichten hinzuweisen, ist Teil meiner bauphysikali- schen Tätigkeit. Warum ist der feuchtetechnische Nach- weis zur Beurteilung des Innendämmsys- tems so wichtig? Durch die Anbringung einer Innendämmung in einem Bestandsgebäude verändern sich naturgemäß die thermo-hygrischen Zustän- de in der bestehenden Außenwand. Hierbei ist neben der allseits befürchteten Diffu- sion von innen nach außen während der Winterperiode vor allem die Schlagregen- beaufschlagung der Fassade zu beachten. Durch Kapillarkräfte können im Vergleich zur Diffusion in kurzer Zeit ungleich größe- re Wassermengen in die Konstruktion ge- langen. Für die sich danach anschließende Abtrocknung und den damit verbundenen Phasenwechsel von flüssigem Wasser hin zu Wasserdampf benötigt Wasser je- doch eine spezifische Energiemenge (die sogenannte Verdunstungsenthalpie). Je wärmer also ein nasser Baustoff ist, desto schneller wird er abtrocknen. Interview mit Dr.-Ing. Anatol Worch, Referent der WTA Akademie Hoher Aufklärungsbedarf „in Sachen Innendämmung“ Thomas Haltner, Bildarchiv Südliche Weinstraße e.V. Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan Die Innendämmung bietet ent- scheidende Vorteile gegenüber der Aussendämmung. Aber sie muss sorgfältig geplant und fachgerecht ausgeführt werden Schützen & Erhalten · Juni 2023 · Seite 60

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