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timal gestalten, Barrierefreiheit, ein Höchstmaß an Dämmung und zwei Plätze in der Tiefgarage – das ist heute das übliche Anforderungs- profil. Wir sollten bei jedem Projekt überprüfen, was sinnvoll ist. Wir müssen alle Standards überprüfen. Unsere Erwartungshaltungen in Bezug auf die Qualitätsstufen sind so hochgeschraubt, das ist kosten- mäßig und ökonomisch nicht zu realisieren. Und Klimaneutralität ist nicht nur durch das Bauen selbst zu beantworten. Wir müssen realisti- sche Rahmenbedingungen schaf- fen, die Qualität der Energieträger berücksichtigen und dies mit ei- nem gesunden, ingenieurmäßigen Sachverstand regeln. Genau diesen Sachverstand gilt es nach vorne zu bringen und nicht immer auf Ord- nungsrecht zu pochen. Die ARGE soll beratend helfen, die „Grundlagen für bezahlbaren Wohnraum“ mitzugestalten – was sind dabei Ihre Aufgaben? Wir arbeiten im 77. Jahr unserer Tätigkeit auf drei Ebenen. Einmal sind wir in der Begleitung der so- zialen Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein engagiert und haben eine beratende Prüffunkti- on. Daneben sind wir baupraktisch forschend tätig: Wir sammeln die Erkenntnisse anderer und bereiten sie für die Fachöffentlichkeit an- wendbar auf, beispielsweise für die Fort- und Weiterbildung. So halten wir die Diskussion am Laufen und machen den jeweiligen Stand der Erkenntnisse transparent. Darüber hinaus arbeiten wir für die öffent- liche Hand im Bereich Bauökono- mie und Bautechnik und gehen der Frage nach, wie politische Ziele im Wohnungsbau umgesetzt werden können. Aktuell wird auf verschiedenen Ebenen bemängelt, dass in der Diskussion um die Umsetzung der Klimaschutz-Ziele insbesondere in der Kommunikation große Fehler gemacht werden. Wie beurteilen Sie dies? Ich glaube auch, dass die Kommu- nikation aktuell das Hauptproblem ist. Es wird mit einer ziemlichen Geschwindigkeit der Versuch un- ternommen, über Ordnungsrecht auf die Schnelle Probleme zu lö- sen, die mit Ordnungsrecht nicht zu lösen sind. Da wird das „Hei- zungsgesetz“ – GEG – plakativ an die Öffentlichkeit gezerrt. Dahinter steckt handwerklicher Murks und ein schon immer nicht anwend- bares Gesetz. Wer konnte das in den zurückliegenden Jahren über- haupt noch durchdringen? Wenn man die Herausforderungen zur klimaneutralen Transformation im Wohnungsbau ernst nimmt, muss man sich fragen, ob das, was bis- her gemacht worden ist, richtig ist. Was bisher getan wurde, ist nicht ausreichend und gehört schlicht eingestampft. Die öffentliche Einschätzung, dass im Wirtschaftsministerium keine Fachleute sitzen, teile ich. Es fehlt ganz einfach das Bindeglied zur Praxis. Werden die anstehenden Herausforderungen nicht ernst genommen, wird man scheitern, klebt an den Lösungen und Rezep- ten der Vergangenheit und bleibt im Denken im fossilen Zeitalter hängen – das ist Konservatismus pur. Der Versuch, jedes Gebäude müsse einzeln klimaneutral be- trachtet werden, muss scheitern. Von 43 Millionen Wohnungen in Deutschland können wir nicht 43 Millionen einzelne klimaneutrale Wohnungen betrachten, es muss insgesamt um den Gebäudesektor in Bezug auf die Klimaneutralität gehen. Dazu brauchen wir andere Instrumente. Erst kürzlich wurde in einem Semi- nar, durchgeführt durch die ARGE, zum Themenkomplex „Neues Planen - Neues Bauen - und wie geht es weiter?” auch der Punkt „Gebäudesektor auf dem Weg zur Klimaneutralität“ vorgestellt. Um was geht es? Gemeinsam mit acht Büros haben wir eine Machbarkeitsstudie zur Klimaneutralität der Wohngebäu- de von Hamburg fertiggestellt, uns viele Fragen vorgenommen und bis zum Ende gedacht: Wohnfol- gekosten, Qualität der Wärmever- sorgung, graue Energie, Baukultur – eben alles gemeinsam überden- ken. Die Kernbotschaft: Mit mög- lichst vielen mittelmäßigen Maß- nahmen erreiche ich ein Vielfaches von dem, wenn ich versuche, ein- zelne Gebäude überoptimiert zu planen und zu bauen. Der Hebel liegt bei den Energieträgern, Qua- Schützen & Erhalten · Juni 2023 · Seite 83

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