web_S&E_03_2022_ub

Mitarbeiter gesucht N eulich las ich in ZEIT ONLINE einen Beitrag des jungen Sozialwissen- schaftlers David Gutensohn, der sich darüber Gedanken macht, wie unter- schiedlich die Aussagekraft doch bei oft gleichverwendeten Begriffen ist. Als Beispiel führt er unter anderem an, dass ein deutlicher Unterschied darin liegt, ob man vom Klimawandel oder der Klimakrise spricht. Beschreibt der Klimawandel seiner Ansicht nach einen natürlichen, unveränderbaren Zustand, so vermittelt die Krise, dass ein Eingreifen, mit dem Ziel der Krisen- bewältigung, grundsätzlich möglich ist. Nun wird sich der ein oder andere sagen, was soll die Wortklauberei, denn egal, welchen Begriff man verwendet, beides wird identisch wahrgenommen und kommt auf das Gleiche raus. Ähnlich in seiner Aussagekraft falsch besetzt und als Schlagwort eine ganze Misere umschreibend, ist für ihn der Be- griff Fachkräftemangel. So vermittelt, laut Gutensohn, der Begriff Fachkräftemangel den Eindruck, dass Qualifikationen und nicht Menschen gesucht würden und damit würde folglich ein Problem um- schrieben, das, wenn auch nicht sofort, dafür aber zumindest langfristig zu lösen sei, immer vorausgesetzt, man bildet kon- sequent und zielgerichtet aus und weiter. Dass dies jedoch keine Lösung ist, zeigt sich darin, dass ein solches Vorgehen nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, weil man fälschlicherweise davon ausgeht, dass der Fachkräftemangel in erster Linie dadurch entstanden ist, weil ein Studium von der Mehrheit der Bevölkerung als attraktiver angesehen wird, als z. B. ein Handwerk zu erlernen. Stattdessen sei der Fachkräftemangel schlicht und einfach die logische Konsequenz einer Gesellschaft, die demographisch immer älter wird, da in ihr immer weniger Kinder geboren werden. Nicht der Fachkräftemangel ist also das Problem, sondern der sich in allen Branchen zunehmend verschärfende Personalmangel, und der sei nur durch mehr junge, arbeitsfähige Menschen zu lösen. Ergo sollte man auch nicht von Fachkräftemangel, sondern richtigerweise von Arbeitskräftemangel sprechen oder besser gleich von Personalnotstand. Wer dies nicht als gottgegeben hin- nehmen und auch nicht mit der Akquise neuer Mitarbeiter warten möchte, bis die Zauberformel der Politik, genannt „qualifizierte Zuwanderung“, greift, dem seien als Anregung für eine durchaus erfolgversprechende Eigeninitiative bei der Suche nach geeignetem Personal die Seiten 32–34 empfohlen. Herzlichst Ihr Friedrich Remes I GLOSSE I I EDITORIAL I Eine große Dürre wird kommen … M it diesem Bibelzitat, davon ist auszugehen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das Obertopmodel aus dem Stall derer von Klum prophezeit worden, obwohl man eine solche Affinität durchaus konstruieren könnte, verschaltet man sich, natürlich nur unter erheblichem Einfluss halluzinogener Substanzen, auf die einschlägigen Privatsenderkanäle. Nein, es sind andere Dürren, die heut- zutage verschiedene Lebensbereiche der Wüste Sinai ähneln lassen, um im Bild des Alten Testaments zu bleiben. Kein nennenswerter Regen seit Mo- naten. Eine meteorologische Anomalie, die zu Zeiten des legendären Rudi Carrell noch „als Sommer wie er früher einmal war“ flehentlich herbeigesungen werden sollte, entwickelt sich mehr und mehr zum Normalzustand. Insider berichten, dass die Politik dem jetzt mit der Schaffung eines neuen Ressorts – Wasser zum Autowaschen und Poolfüllen für Alle – (WzAuPfA), Rechnung tragen will. Scheiterte die Einstellung eines Staatssekretärs mit der Qualifikation Regentanzschamane zunächst nur an der Frage, ob dessen Bezüge vom Bundesministerium für – Wirtschaft und Klimaschutz – oder – Umwelt und Naturschutz – übernommen werden müssen, hat nun der bayerische Minister- präsident reklamiert, dass hier eindeutig Länderkompetenzen beschnitten würden und angekündigt, dass die bayerische Staatskanzlei einen Sonderweg mit der Schaffung des Postens Wolpertinger- wassertatzelwurm eingeschlagen werde. Andere Arten von Dürre belasten seit längerem viele Wirtschaftsbranchen. War zunächst nur eine Materialdürre bei Bauholz, Stahl oder Mikrochips zu attestieren, belastet dieses Symptom als Fachkräftemangel jetzt auch das Perso- nalwesen. Wo man hinschaut, nur noch Bache- lors und Bacheloretten, gezüchtet von einem Bildungssystem, das gefühlt nur noch Akademiker oder Dschungelcamp- kandidaten hervorbringt. Beide Spezies machen Einstellungsge- spräche in Handwerksbetrieben zu einer spannenden Herausforderung. Einerseits verkopfte Bewerber, die zwar in der Lage sind, jede Exceltabelle mit geschlossenen Augen auszufüllen, jedoch Arbeitshandschuhe bisher nur als Modeaccessoire der Wintersaison 2007/2008 kennengelernt haben. Auf der anderen Seite dann Aspiran- ten mit eindrucksvollen, buntgemalerten Oberarmen, deren Bereitschaft, sich für anspruchsvolle Aufgaben motivieren zu lassen, dann jedoch an den verheilten Er- müdungsbrüchen in beiden Mittelfingern zu erkennen ist. Keine leichte Aufgabe für den Personalbeauftragten, wenn sich dann noch depressionsauslösende Schulnoten hinzugesellen. In diesem Sinne: … die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva Europa … Ihr Ralf Hunstock

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=