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BETRIEBSWIRTSCHAFT Lohnforderungen versus Kündigung K aum ein Thema in den Betrieben ist so sensibel wie das Thema Lohn- verhandlungen und die Frage nach der gerechten Bezahlung. Erfahrungsge- mäß sind hier die Vorstellungen von Mitarbeitern und Unternehmern nicht immer deckungsgleich. Während sich der Unternehmer natürlich Gedanken über die betriebli- chen Mehrkosten macht und neben den Lohnkosten auch den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung mitzutragen hat, sieht sich der Mitarbeiter mit gestiegenen Lebenshaltungskosten, insbesondere den Energiekosten, konfrontiert. Im Regelfall sind für den Unternehmer seine Arbeits- kräfte die einzige Einkommensquelle, um diese zu erwirtschaften. Hinzu kommt der bereits bekannte Facharbeiter- mangel, der die „Machtverhältnisse“ bei Lohnverhandlungen zugunsten der Mitarbeiter verschoben hat. Orientiert sich ein Unternehmen bei der Vergütung der Mitarbeiter am Tarif- lohn und dessen Entwicklung, so schließt dies nicht aus, dass es Mitarbeiter gibt, die ihre persönliche Leistung in diesem „Standardverfahren“ nicht gerecht ab- gebildet sehen. Ein generelles Problem stellt oftmals die fehlende Lohnspreizung dar. So ist der Unterschied im Lohnniveau zwischen einem gut arbeitenden Mitarbeiter und einem weniger gut arbeitenden Mitarbei- ter oftmals sehr gering. Dies führt dazu, dass sich der gute Mitarbeiter irgendwann einmal die Frage stellt, ob seine Mehrleis- tung für ihn überhaupt Sinn macht. Im Ergebnis kann dies zu einer Demotivation des Leistungsträgers führen. Versucht der Betrieb hier durch „Einzelvereinbarun- gen“ einen Ausgleich zu schaffen, sieht er sich immer auch der Gefahr ausgesetzt, dass diese Sondervereinbarung trotz ver- einbarter Diskretion publik wird und zu einer Störung des sozialen Friedens führt. Dies ist ein Umstand, der auch immer dann auftritt, wenn ein potenzieller und vielversprechender Neuzugang nur über ein Lohnniveau gewonnen werden kann, das über dem derzeitigen betrieblichen Lohnniveau liegt. Besonders schwierig ist die Situation, wenn der Mitarbeiter klar formuliert, dass durch eine Absage seiner Lohnfor- derung eine Neuorientierung einhergeht. Konkret steht man in diesem Fall vor der Entscheidung, die Lohnforderung zu akzeptieren oder die Kündigung zu riskieren. Erfahrungsgemäß setzt dann eine „Chancen-Risiken-Abwägung“ ein. Rein rechnerisch sind für den Betrieb bei einer unterstellten Lohnerhöhung von 1,– Euro/Stunde und unterstellten ca. 100% lohngebunde- ner Kosten bei einer Jahreskapazität von rund 1.600 Produktiv- stunden Mehrkosten in Höhe von rund 3.200,– Euro zu erwarten. Stellt man diese Mehrkosten den durch den Verlust des Mitarbeiters feh- lenden Deckungsbeitrag (Differenzbetrag zwischen der Nettoumsatzleistung und den direkten Kosten durch den Lohn und die lohn-/leistungsgebundenen Gemeinkosten) zwischen 15.000,– bis 20.000,– Euro/Jahr gegenüber, so ist die Frage nach der „wirtschaftlichsten Lösung“ zumindest rechnerisch schnell beantwortet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn befürchtet werden muss, dass der Mitarbeiter nicht ersetzt werden kann. Auf der anderen Seite möchte man natürlich nicht, dass eine schnelle Akzeptanz einer solchen Lohnforderung eine weitere Kettenreaktion auslöst. So werden Überlegungen angestellt, anderweitige „Entlohnungsformen“ zu finden, anstatt die Leistung über die Erhöhung des Stundenlohnes zu honorieren. In der nahen Vergangenheit hat sich hier bereits das steuerbegüns- tigte Modell der Corona-Prämie oder des Inflationsausgleichs bewährt. Wird ein solcher Weg gegangen, sollte nicht vergessen werden, dem begünstigten Mitarbeiter dahingehend zu informieren, dass diese Leistungen nicht vom Staat bezahlt werden, sondern vom Arbeitge- ber direkt. Wie schon die Zahlungen einer Corona-Prämie gezeigt haben, sind viele Arbeitnehmer davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine staatliche Leistung handelt, die der Betrieb nur durchreicht. Dies hat in Einzelfällen dazu geführt, dass der Verdacht entstanden ist, der „Restbetrag“ wäre im Betrieb versickert, wenn nicht die gesamte Höhe vom Arbeitgeber ausgeschöpft wurde. Wie alle diese Beispiele aus der Praxis zeigen, ist das Thema des gerechten und angemessenen Lohns nach wie vor eine der anspruchsvollsten Herausforderun- gen der Mitarbeiterführung. Es schreibt für Sie: Diplom-Betriebswirt Wolfgang Krauß Seit über 25 Jahren in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Handwerks­ betrieben tätig Kolbing 35 · 83556 Griesstätt Telefon: (08039) 9097220 Mobil: (0172) 7499102 E-Mail: wolfgangkrauss-beratung@ t-online.de Internet: www.beratungfuershandwerk.de www.die-erfolgswerker.de Es schreibt für Sie: RA Andreas Becker Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Nienburger Str. 14a · 30167 Hannover Telefon: (0511) 1231370 Telefax: (0511) 12313720 E-Mail: info@becker-baurecht.de Internet: www.becker-baurecht.de Foto: Kanghyejin/Depositphotos.com Schützen & Erhalten · September 2023 · Seite 33

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