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AKADEMIE sehr in den Anfängen. MVOC umfassen unterschiedliche Stoffklassen, zu denen Aldehyde, Alkanole, Alkenole, Ether, Keto- ne und Terpene gehören. Da ein positiver Befund dieser Stoffklassen zum Teil aber auch eine andere Ursache haben kann, ist eine eindeutige Aussage alleinig auf dieser Messung basierend meist nicht möglich. Die Verfahren zur Bestimmung der Toxinbe- lastung in der Raumluft könnten an Bedeu- tung zunehmen, wenn diese sensibler und in ihrer Durchführung praktikabler werden und über eine gute Datenlage Rückschlüs- se zu deren Aussagekraft gemacht werden können. Welche Untersuchungsmethoden werden hier angewandt bzw. sind zu empfehlen? Gelegentlich kann man über einen leichten Überdruck in Bauteilen für eine geruchliche Wahrnehmung eines verdeckten Schadens sorgen oder einen Spürhund einsetzen. Auch können ATP-AMP-Schnelltests oder forensisches Licht in Verbindung mit ei- nem Videoskop helfen, einen verdeckten Schimmelbefall erkennen zu können. Da diese Verfahren aber nur Hinweisgeber sind, erfordert die Suche nach einem ver- deckten Befall meist aber nach wie vor Bau- teilöffnungen. Hierzu gehört insbesondere die Beprobung der Estrichdämmschicht, der Rückseiten von Gipskartonplatten und Plattenwerkstoffen aus Holz, der Innensei- ten von Hohlräumen, etc. Unbedingt bedenken sollte man, dass bei- spielsweise zweilagige Gipskartonplatten zwischen diesen erheblich mikrobiell be- fallen sein können. Zwar hatte ich noch keinen Fall, in dem der Schimmel durch die Platte gewachsen ist, allerdings kann die Feuchtigkeit in der Platte ausreichen, um die natürliche Kontamination der Platte auch auf deren Rückseite zum Leben zu er- wecken und in diesem geringen Hohlraum zwischen den Platten auszuwachsen. Gibt es Baumaterialien, welche die Schim- melgefahr reduzieren? Grundsätzlich gibt es drei Methoden die Gefahr eines mikrobiellen Befalls zu reduzieren. Zum einen kann man die Bauteiltemperatur im Verhältnis zur In- nenraumluft anheben, zum anderen die Feuchte der Raumluft senken. Weiterhin hilft Sauberkeit insbesondere in der histori- schen Bausubstanz enorm. Wird der Staub regelmäßig von den Oberflächen entfernt, ist wenig Nahrungsgrundlage und auch wenig Sporenmaterial auf den Oberflächen vorhanden. Da Pilze beim Wachstum gerne ungestört sind, helfen zusätzlich auch Klimawechsel und vor allem Luftbewegung (z. B. durch Thermik) vor dem Bauteil. Alle nachge- nannten weiteren Verfahren sind lediglich eine Ergänzung hierzu. Als zuverlässiges Baumaterial gegen Schimmel hat sich beispielsweise der reine Kalkputz erwiesen. Aufgrund seiner Struk- tur und seiner Möglichkeit, Spitzenfeuchte schnell zu speichern und zeitversetzt wie- der abzugeben und seinem geringen Nähr- stoffangebot ist dieser sehr zu empfehlen. Allerdings muss man unbedingt darauf achten, einen möglichst reinen Kalkputz zu verwenden. Putze die nur einen geringen Kalkanteil haben, besitzen diese schimmel- hemmende Eigenschaft meist nicht. Auch Silikatfarben können helfen. Auch sie be- sitzen - im Gegensatz zur Dispersionsfarbe - keine organischen Bestandteile. Da Schimmel im Regelfall immer von außen nach innen wächst, kann allerdings auch ein verschmutzter Kalkputz schimmeln. Schimmelsporen sind in der Natur ständig vorhanden. Passt das Klima und steht ein wenig Nahrung zur Verfügung können die Sporen auskeimen und dann ihr Umfeld ih- ren Bedürfnissen im Rahmen ihrer Möglich- keit anpassen. Daher entsteht ein Befall meist in Ablagerungen, welche mit Sporen kontaminiert sind. Und wenn keine ausreichende Optimie- rung der Bauphysik, der Baumaterialien, der Hygiene und des Klimas möglich ist, kann auch eine technische Behandlung der Raumluft mit Ionen und eine (taupunktge- steuerte) Strömungsoptimierung sehr gute Dienste leisten. Welches Ihrer Projekte ist Ihnen in beson- derer Erinnerung? Das ist schwierig zu beantworten. Bei his- torischen Bauten hat jedes Objekt seinen besonderen Reiz und seine individuellen Herausforderungen. In guter Erinnerung ist mir ein Schloss aus dem Neckartal, in dem im Lauf der jüngeren Zeit alles falsch gemacht wurde, was man aus bauphysika- lischer Sicht so falsch machen konnte. Die spannendsten Herausforderungen sind für mich seit Jahren die Sakralbauten. Hier die Bedürfnisse an finanziellen Möglichkeiten, Wohlbefinden, Umweltschutz, Energieein- sparung, Erhalt von Bauwerk und Inventar in Einklang zu bringen, ist jedes Mal wieder eine besondere Herausforderung. Solche Projekte gelingen nur in einer guten Zusam- menarbeit mit den Entscheidern, den Nut- zern und den ausführenden Firmen. Und wenn ich ein wenig dazu beitragen konn- te, dass ein ehrwürdiges, altes Gebäude wieder für viele Jahre fit gemacht werden konnte, ist das immer wieder ein beson- ders schönes Gefühl. Jörg-Michael Tappeser ist seit 1989 gutachterlich als Bausachverständiger und Baubiologe tätig. Als Sachverständiger beschäftigt er sich mit seinem Team unter anderem mit der Ursachenfeststellung, der Sanierung und Prävention von Feuchteschäden am Bau. Viel Erfahrungen hat er insbesondere mit den Beson- derheiten sakraler Bauten, aber auch mit Schlössern, Kelleranlagen und vielen anderen historischen Objekten sammeln können. Als Referent ist er unter anderem für die WTA tätig. Vertiefen Sie Ihre Kenntnisse und erfahren Sie mehr zum Thema in folgendem Seminar: „Schimmel an und im Bauwerk“ Termin: 17.11.2023, 9:00 - 17:00 Uhr Seminarort: IHK Haus der Wirtschaft, Lammstrasse 13‐17, 76133 Karlsruhe

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