S&E Glossary
Schützen & Erhalten · September 2006 · Seite 27 FORUM weiteren sollten Kontrollöffnungen für weitere Überprüfungen ange- legt und vorgehalten werden. Es war zu vermuten, daß zu- sätzliche Feuchtigkeit auch von der noch baufeuchten Stahlbetondecke in die Holzbalken-Zwischendecke ausstrahlte. Des weiteren war in den darunterliegenden Wohnräu- men bzw. deren Decken keine Dampfsperre angelegt, so daß in die Holzbalkendecke auch bereits früher Feuchtigkeit aus der Raum- luft diffundieren konnte. Folglich sollten die Decken der betroffenen Räume nach dem Verschließen sämtlicher Untersuchungs- und Trocknungsöffnungen neu tapeziert und zweifach mit einer Latexfar- be gestrichen werden, um fortan den Feuchtigkeitseintrag aus der Raumluft zu minimieren. Alternativ hätte die Holzbal- kendecke mit Schalung, Schüttung und Rabitzdecke komplett entfernt und durch eine abgefangene Trok- kenbaudecke ersetzt werden müs- sen. Somit wäre die Wohnung auf- grund der umfangreichen Bau- maßnahmen für einen längeren Zeitraum nicht bewohnbar gewe- sen, was auch für den Mieter M und seine Familie erhebliche Unan- nehmlichkeiten mit sich gebracht hätte. Folglich wurde eine mehrwö- chige Trocknungsmaßnahme mit zu- sätzlicher Aufheizung der Holzbal- kendecke durchgeführt, wodurch die Holzfeuchte erheblich reduziert werden konnte. Des weiteren un- tersuchte man die Holzbalkendecke im Bereich der weiteren Wohnungs- räume, wobei keinerlei Auffällig- keiten bzw. Pilzbefall feststellbar waren. Alle Trocknungsmaßnahmen wurden von regelmäßigen Messun- gen begleitet, die gewissenhaft dokumentiert wurden. Die Messun- gen wurden 3 Wochen sowie 6 Mo- nate nach Ablauf der Trocknungs- maßnahmen nochmals wiederholt; zudem war in den betroffenen Räu- men ein Gerät zur permanenten Messung und Aufzeichnung der re- lativen Luftfeuchte aufgestellt wor- den. Bei beiden Messungen lag die Holzfeuchte der Balkendecke deut- lich unter 15%. Somit konnte auf Dauer ausgeschlossen werden, daß der vorhandene passive Befall wie- der in einen aktiven Befall und damit in einen fortschreitenden Zerstörungsprozeß der Decke um- schlagen würde. Darüber hinaus war unter Ge- sundheitsaspekten zu beachten, daß Krankheiten und Allergien durch die Pilzsporen ausgelöst werden können, die auf dem Frucht- körper gebildet und in die Umge- bung abgegeben werden. Hier galt nach den Feststellungen des Sach- verständigen H jedoch die Be- sonderheit, daß der braune Keller- schwamm nur in seltenen Fällen einen Fruchtkörper bildet und seine Sporen daher kaum an die Umge- bung abgibt. Des weiteren sind holzzerstörende Pilze nicht in der Lage, Toxine zu produzieren, die Allergien bewirken können. Folg- lich ist eine gesundheitsschädli- che Wirkung des braunen Keller- schwamms in der Literatur und in Fachkreisen nicht bekannt. Auch unter dem Aspekt des Gesundheits- schutzes war es daher vorliegend nicht geboten, sämtliche Pilzrück- stände aus der Holzbalken-Zwi- schendecke zu entfernen, um ein Eindringen von Allergenen in die darunter befindlichen Wohnräume zu verhindern. Diese Besonderheit gilt jedoch selbstverständlich nicht immer. Jeder Pilzbefall muß daher genaue- stens analysiert werden. Neben den bautechnischen Aspekten sind dabei vor allem auch die Auswir- kungen auf die Gesundheit der Bewohner zu prüfen und bei den Folgemaßnahmen zu berücksichti- gen. Bei Ausschluß evtl. weiterer Schadenereignisse (z.B. erneuter Wasserschäden) und deren Folgen sowie unter der Voraussetzung einer weiterhin, wie auch bisher bestim- mungsgemäßen Nutzung der Woh- nung (richtiges Heizen und Lüften), konnte eine gesundheitliche und technische Gefährdung durch den vorliegenden Wasserschaden und dessen Folgen (brauner Keller- schwamm) auch für die Zukunft ausgeschlossen werden. Die Berufs-Haftpflichtversiche- rung des Architekten A übernahm sämtliche Sachverständigen-, Trock- nungs-, Sanierungs- und Mietaus- fallkosten, die sich auf über 10.000,00 EUR beliefen. Daran wurde der Architekt A im Rahmen seines vertraglichen Selbstbehal- tes entsprechend beteiligt. Durch das kooperative Zusam- menwirken der Schadenbeteiligten konnte eine kurzfristige und im Rahmen der allgemein geltenden Schadenminderungspflicht gebote- ne, wirtschaftliche Schadenbesei- tigung erreicht werden. Es wurde ein Zustand geschaffen, der auch weiterhin die volle und un einge- schränkte Nutzung der betroffenen Wohnräume gewährleistete. Der Fall zeigt, daß sich alle auf dem Bausektor Tätigen, gerade aber Architekten und Bauingenieure, mit dem Thema „Feuchtigkeit“ stets gewissenhaft auseinandersetzen müssen. Natürlich hat es schon immer Pilze, Schwämme und de- ren Sporen gegeben. Jedoch fin- den diese gerade in den Zeiten energiesparender, nahezu luftdich- ter Gebäudehüllen, durch die die Feuchtigkeit nicht entweichen kann, immer bessere Wachstums- bedingungen. Die Konsequenz sind zunehmende Gesundheitsschäden der Bewohner, aber auch Schäden an der Bausubstanz. Jedoch muß, wie der Fall zeigt, auch bei Bau- maßnahmen im Bestand stets daran gedacht werden, daß Feuchtigkeit beim Zusammentreffen mit be- stimmten Materialien oder Bau- werksteilen zum Befall durch Or- ganismen führen kann, so daß stets entsprechende Vorbeugungsmaß- nahmen oder – wenn diese versa- gen – Trocknungs- und sonstige Maßnahmen ergriffen werden müs- sen. Dies setzt voraus, daß die baulichen Gegebenheiten genau bekannt sind. Gerade bei älteren Gebäuden können die Bestandsplä- ne jedoch oft nur eine Orientie- rungshilfe sein, so daß häufig zur Bestandsaufnahme auch Bauteil- öffnungen vorgenommen werden müssen. Anderenfalls können erhebli- che Sanierungskosten anfallen, die im beschriebenen Fall z.B. bei ei- nem Befall mit Hausschwamm schnell 40.000 EUR und mehr hät- ten betragen können. Darüber hin- aus können auch gravierende Ge- sundheitsschäden bei Menschen eintreten, wenn sich z.B. toxinbil- dende Pilzorganismen ansiedeln. Dieser Verantwortung muß sich der für die Bauleitung Verantwortliche stets bewußt sein und sein Han- deln danach ausrichten. Oliver Krüger Im Dachgeschoßbereich aufgestocktes Gebäude. Trocknungsaggregat und Luftzuführung im Kinderzimmer. Mit braunen Kellerschwamm befallendes Holzmaterial. Wegführung der Abluft durch abgedichtete Fenster. Quelle: VHV Versicherungen – Haftung am Bau (L) –
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