S&E Glossary
1. Die horizontale Abdichtung einer Bodenplat- te gegen Dampfdiffusion war und ist nach den anerkannten Regeln der Technik nicht erforderlich, wenn die Bodenplatte aus was- serundurchlässigem Beton B 25 besteht, eine Wärmedämmung oberhalb der Bodenplatte aufgebracht ist und der Lastfall „Bodenfeuch- te“ vorliegt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 22. 2. 2011 – 23 U 218/09). 2. Die DIN 18195 ist für Bauteile aus was- serundurchlässigem Beton anzuwenden, wenn mehr als geringe Anforderungen an die Trockenheit der Raumluft bestehen und die Möglichkeit einer Schädigung des Fußbo- denaufbaus durch Feuchtigkeit besteht (Ab- grenzung zum Senatsurteil vom 22. 2. 2011 – 23 U 218/09). ZPO §§ 67, 71 Abs. 3, 128 Abs. 2; BGB a. F. §§ 633, 635 OLG Düsseldorf, Urteil v. 15.04.2011 – I 23 U 90/10-. BauR 12/2011, 1994 ff. Aus den Gründen: Die Architektenleistungen sind zu messen an den anerkannten Regeln der Technik zum Zeit- punkt der Planung, Ausführung und Abnahme der Architektenleistung. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. der Baukunst stellen da- bei die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerk- lichen Regeln dar, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind. Maßge- bend sind hier die im Jahre 2000 geltenden an- erkannten Regeln der Technik, weil die Planung des Beklagten und die Errichtung des Bauwerks in diesem Jahr erfolgten. Regelungen zur Abdichtung gegen Boden- feuchte auf einer Bodenplatte bei einem, wie hier, nicht unterkellerten Gebäude enthielt die DIN 18195 Teil 4 Stand 1983, die mit Wirkung ab August 2000 neu gefasst war. Es spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass DIN-Normen den anerkannten Stand der Technik wiederge- ben. Für Bodenplatten sahen die Regelungen der DIN 18195, Teil 4 die Abdichtung zur Ver- hinderung von Dampfdiffusion vor. Die aus dem Jahre 1983 stammende DIN machte hinsichtlich der Qualität der Bodenplatte keine Differenzie- rungen. Seit dem Jahre 1983 hatte sich die Qua- lität der Betonbodenplatte deutlich verbessert, insbesondere waren die Bodenplatten aus was- serundurchlässigem Beton (WU-Beton) weiter- entwickelt worden. Die Neufassung der DIN 18195 im August 2000 sah deshalb im Teil 1 zu den allgemeinen Grundsätzen eine Änderung vor, wonach diese Norm nicht gelten sollte, für „Bauteile, die so wasserundurchlässig sind, dass die Dauerhaftig- keit des Bauteils und die Nutzbarkeit des Bau- werks ohne weitere Abdichtung im Sinne dieser Norm gegeben sind. In diesem Sinne gilt sie auch nicht für Konstruktionen aus wasserundurch- lässigem Beton, wenn geringe Anforderungen an die Trockenheit der Raumluft bestehen und wenn der Fußbodenaufbau durch Feuchte nicht geschädigt wird.“ Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 22. 2. 2011 ausgeführt, dass es bei höheren Anforderungen an die Trockenheit der Raum- luft trotz der Wasserundurchlässigkeit der Be- tonplatte den anerkannten Regeln der Technik entsprach, Maßnahmen zur Abdichtung gegen Dampfdiffusion zu ergreifen. Die Sachverständige Dr. M. hat für den vor- liegenden Fall in mündlicher Anhörung ausge- führt, dass eine Abdichtung gegen Dampfdiffu- sion aus technischen Gründen nicht erforderlich war, wohl aber aus Vorsicht bzw. aufgrund der unbeschränkten Regelung der DIN 18195 (Stand 1983) weiterhin so gehandhabt wurde. Das ent- spricht den Ausführungen und Feststellungen, die der Sachverständige Dr. F. im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens getroffen hat. Kommentierung: Üblicherweise wird die Fehlerfreiheit einer Werkleistung nach geltender Regel der Technik beurteilt. Hierbei stellen die DIN-Normen das Maß der geltenden Regel der Technik dar, soweit sie nicht überholt sind. Da die DIN-Normen sich nicht ähnlich schnell ändern, wie die Erkennt- nisse der Bautechnik, die, wie die durchgesetz- Fachbereiche Sachverständige ten Erkenntnisse der Bautechnik, auch vor Ort praktiziert werden, ist hier im vorliegenden Fall eine Abweichung von der DIN gerade nicht als Fehler definiert worden. Die DIN 18195 – anwendungsfähig für Bau- teile aus wasserundurchlässigem Beton – ist auf dampfdiffusionsunsichere Bodenplatten dann nicht anwendungsfähig, wenn eine Abdichtung gegen Dampfdiffusion aus technischen Gründen nicht erforderlich ist. Damit bestätigt sich vom Grundsatz her die ständige Rechtsprechung, dass DIN-Vorschriften zwar die Vermutung der Bauge- rechtigkeit in sich tragen, diese aber nicht dazu benutzt werden dürfen, um den bautechnischen Fortschritt gleichsam zu hemmen. Verbessert sich deshalb die Bautechnik und sind diese Verbesserungen in einer Norm noch nicht erfasst, dann kann die Nichteinhaltung der Norm gleichwohl keinen Fehler darstellen. Es ist dann darzustellen und – wie hier – durch Sachverständigengutachten zu begründen (be- weisen), dass die Normabweichung keinen Bau- fehler objektbezogen darstellt. Quelle: HDI-Gerling, INGLetter, 03/2012, Autor der Kommentierung: RA Prof. Dr. jur. Hans Rudolf Sangenstedt Abdichtung einer Bodenplatte gegen Dampfdiffusion Foto: BetonBild Schützen & Erhalten · Juni 2012 · Seite 23
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