S&E Glossary

Während in der industriellen Fertigung eine Planung durch vorgegebene Stück- zahlen und Abnahmezeitpunkt relativ zeitnah und gesichert erfolgen kann, machen in Baubetrieben Faktoren wie das Wetter, schwankende Auslastungsgrade und immer kürzer werdende Auftragsvor- laufzeiten eine Planung und Steuerung sehr schwierig. Nicht selten erfolgt die Unternehmenssteuerung über das Bankkonto oder den monatlichen steu- erlichen Aufzeichnungen (betriebswirtschaftliche Auswertung BWA der Datev). Diese beziehen sich auf einen abgelaufenen Zeitraum und sind für eine Steuerung nur wenig geeignet. Auch fehlen in diesen Darstellungen oft entscheidende Größen wie die Angefangenen Arbeiten (Teilfertige Arbeiten), die das „Betriebs- ergebnis“ wesentlich beeinflussen können. Des Weiteren muss beachtet werden, dass bspw. bei Einzelunternehmen die „Aufwendungen“ für den Unternehmer, seine Entnahmen, im ausgewiese- nen Ergebnis nicht berücksichtigt sind. Weitere Aufwendungen und Kosten, wie Abschreibungen oder Kosten der Bilanzerstellung, werden im Re- gelfall erst im Rahmen des Jahresabschlusses er- mittelt und unterjährig nicht aufgeführt. Oftmals kommt erst mit der Bilanzerstellung, Mitte des Folgejahres, das böse Erwachen, dass etwas schief gelaufen ist. Für korrigierende Maß- nahmen ist es dann zu spät. Nicht unkritisch ist es, wenn versucht wird auf Basis dieser Bilanz die Grundlagen der Kal- kulation abzuleiten. Wurden zwischenzeitlich Investitionen getätigt oder die Mitarbeiteran- zahl hat sich verändert, wirkt sich das direkt auf die Kostensituation und die Kalkulations- ansätze aus. Hat sich beispielsweise die Anzahl der produktiven Mitarbeiter reduziert, steigt in direkter Abhängigkeit die Kostenbelastung je Produktivstunde. Nach wie vor wird im Handwerk mit dem breiten Daumen kalkuliert, nicht selten mit dem Argument, dass der „Marktpreis“ akzeptiert werden muss. Generell ist es richtig, dass sich der Betrieb an den Marktgegebenheiten auszu- richten hat. Aber abgesehen von dem Umstand, dass bei der Nachfrage, was denn der ortsübliche Marktpreis sei, bei vier befragten Unternehmen vier unterschiedliche Angaben gemacht wer- den, ist es hilfreich seine individuelle preisli- che Schmerzgrenze zu kennen. Denn manchmal kann mehr Geld verdient werden, wenn man ei- nen Auftrag ablehnt. Erfahrungen im Maler- und Lackiererhandwerk zeigen beispielsweise auf, dass gerade 50% der Aufträge kostendeckend sind, bei 30% der Auf- träge der Betrieb drauflegt und nur 20% einen Gewinn erzielen. Diese 20% müssen dann die Verlustaufträge abdecken. So erklärt sich u.a., warum in diesem Gewerk die Wirtschaftlichkeit (Umsatzrentabilität) im Durchschnitt gerundet nur 3% beträgt. Der in der Theorie häufig zu lesende Ge- winnaufschlag in der Kalkulation von 10% hat seinen Ursprung mehr in der Einfachheit der Re- chenbarkeit dieser Größe, als in einer konkreten Kosten- und Ertragsberechnung. Werden dann den Mitarbeitern noch Zeit- vorgaben für die Baustelle mitgegeben, nicht selten in Form von Minutenwerten, erfüllt das betriebswirtschaftlich gesehen den Tatbestand einer vorgetäuschten Genauigkeit. Dass sich ein fehlendes Steuerungsinstrumen- tarium im betrieblichen Erfolg niederschlägt, be- legt auch eine Studie des Zentrums für Insolvenz und Sanierung Mannheim. In dieser Untersuchung wurden Insolvenzverwalter nach den wichtigsten Insolvenzursachen befragt. Hauptursache hier- bei, ein fehlendes Controlling. Auch wenn in Betrieben des Holz- und Bau- tenschutzes der Erhalt und die Sanierung im Vor- dergrund ihrer Tätigkeit stehen, betriebswirt- schaftlich gesehen werden nur Stunden verkauft. Je mehr Stunden am Markt, sprich dem Kunden, verkauft werden können, desto günstiger fällt das Betriebsergebnis aus. Ein handwerksgerechtes Controlling stellt da- her die Produktivstunden und deren Kostenbelas- tung in den Mittelpunkt der Steuerung. In einem ersten Schritt werden die voraus- sichtlich zur Verfügung stehenden Produktiv- stunden ermittelt. Hierbei geht die Anzahl der Mitarbeiter ebenso ein, wie die für das Planjahr anfallenden Feier- und Urlaubstage, an denen nicht gearbeitet wird. Des Weiteren wird der bisherige Krankenverlauf analysiert und zukünf- tig zu erwartende Ausfallzeiten durch Krankheit in die Berechnung einbezogen. Als Faustformel kann gelten, dass je produktivem Mitarbeiter und Jahr ein Krankenstand von durchschnittlich 7–8 Krankentagen als üblich angesehen werden kann (ohne Sondereinflüsse wie Arbeitsunfälle). In den weiteren Schritten wird dann die aktuelle Kosten- belastung je Produktivstunde berechnet. Es erfolgt eine Unterteilung der Kosten in sogenannte variable und fixe Kosten. Variable Kosten stehen in einem direkten Bezug zum Lohn (bspw. lohngebundene Kosten, wie die Sozialver- sicherungsbeiträge des Arbeitgebers); fixe Kosten (bspw. Miete), die auch zeitabhängige Kosten genannt werden, fallen in erster Linie für den Gesamtbetrieb an. Bei den fixen Kosten werden in der Planung Neuinvestitionen, Preisverteue- rungen oder Einsparungen berücksichtigt. Durch diese auf die zukünftige Kostenbe- lastung ausgerichtete Planung stehen dem Be- trieb alle notwendigen Informationen für die Steuerung zur Verfügung. Seine voraussichtliche Kapazität, die direkten Kosten, die anfallen, wenn gearbeitet wird und die Belastung durch fixe Kosten. Durch die Trennung der Kosten in variable und fixe Anteile können folgende unter- nehmerische Fragen beantwortet werden, bevor das Planjahr begonnen hat: – Wie groß muss, wie klein darf der Betrieb bei der jeweiligen Preissituation sein? – Wie wirken sich Investitionen auf das Er- gebnis aus, was kann sich der Betrieb nur leisten? – Wo liegt die preisliche Schmerzgrenze, wann lohnt es sich einen Auftrag abzulehnen? – Hat der Betrieb, ausgehend von seiner Kos- tenbelastung und der Marktpreissituation überhaupt eine Chance auf Gewinn? – Wann erreicht der Betrieb seine Gewinn- schwelle? Bitte blättern Sie um Betriebswirtschaft Steuern statt Blindflug, Controlling im Handwerk Anteile der Tätigkeiten an der Anwesenheitszeit auf Baustellen. Die wichtigsten Insolvenzursachen – Ergebnisse einer Faktorenanalyse. Schützen & Erhalten · September 2010 · Seite 25

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