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Schützen & Erhalten · März 2007 · Seite 23 Es schreibt für Sie RA Albrecht W. Omankowsky Rechtsberatung für DHBV- Mitglieder: Jeden Dienstag 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr Weitere Fragen an: Albrecht W. Omankowsky Apostelstraße 9–11 50667 Köln Telefon: (02 21) 9 41 57 57 Telefax: (02 21) 9 41 57 59 RECHTSBERATUNG Die Streitverkündung In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass derjenige, dem ein Streit verkündet wird, über- rascht ist und mit dieser Pro- zesssituation zunächst nichts anfangen kann. Ausgangslage: Der Bauunternehmer hat einen Werkvertrag mit einem Bauherrn zur Errichtung eines Hauses geschlos- sen. Den Dachstuhl kann der Un- ternehmer nicht selbst errichten, sondern lässt ihn daher durch ei- nen Zimmermann als Subunterneh- mer erstellen. Nach der Fertigstel- lung behauptet der Bauherr nun, dass der Dachstuhl nicht stabil ge- nug sei und verklagt den Bauun- ternehmer auf Mängelbeseitigung. Für den Unternehmer stellt sich nun folgendes Problem: Wird er verurteilt, kann er seinerseits auf- grund des mit dem Zimmermann geschlossenen gesonderten (Sub- unternehmer) Werkvertrages An- sprüche gegen ihn wegen der von ihm zu vertretenen Mängel am Dachstuhl geltend machen. Interessenlage: Zum einen will der Bauunter- nehmer den Prozess gegen seinen Auftragnehmer nicht verlieren. Für den Fall, dass er den Prozess trotz- dem verliert, will er sich zumin- dest an seinem ehemaligen Sub- unternehmer schadlos halten. Eine Partei, die für den Fall des für sie ungünstigen Ausganges ei- nes Rechtsstreites einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadlos- haltung gegen einen Dritten erhe- ben zu können glaubt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits einem Dritten ge- richtlich den Streit verkünden. Unter Streitverkündung versteht man also die förmliche Benachrich- tigung eines Dritten vom Schwe- ben eines anhängigen Prozesses durch eine der beiden Parteien. Die Partei wird in diesem Fall als Streit- verkünder, der Dritte als Streitver- kündungsempfänger bezeichnet. In der Praxis wird die Streit- verkündung gewählt, wenn der Klä- ger sich nicht sicher ist, ob er ge- gen den Beklagten oder den Drit- ten einen Anspruch hat, er aber sicher ist, dass einer von beiden schuldet. Häufig wird mit der Streit- verkündung die Aufforderung an den Empfänger verbunden, dem Streitverkünder im Prozess als Streithelfer beizutreten. Notwen- dig ist dies aber nicht. Zu beachten ist, dass die Streit- verkündung als solche im Vorpro- zess keine weiteren Wirkungen hat. Der Streitverkündungsempfänger wird allein durch die Streitverkün- dung nicht Prozessbeteiligter, ihm können keine Kosten auferlegt werden. Der Prozess wird ohne Rücksicht auf den Streitverkün- dungsempfänger fortgesetzt. Anders ist dies nur, wenn der Streitverkündungsempfänger dem Streitverkünder oder aber auch der Gegenpartei als Streithelfer beitritt. Dann wird er Prozessbeteiligter, mit der Möglichkeit, Prozesshandlun- gen vorzunehmen und Rechtsmit- tel einzulegen. Zweck der Streitverkündung... ...ist vor allem die Bindung ei- nes Dritten im Nachfolgeprozess an die Ergebnisse des Vorprozesses. Die Streitverkündung soll eine wi- dersprechende Beurteilung dessel- ben Sachverhalts durch verschie- dene Richter verhindern und über- flüssige Prozesse vermeiden. Für unser Beispiel bedeutet dies: Wurde im Prozess nach Beweis- aufnahme durch einen Sachverstän- digen festgestellt, dass der Dach- stuhl mangelhaft ist, kann dieses Ergebnis in einem Folgeprozess nicht in Frage gestellt werden. Im Gegenteil: Auch das neue Gericht ist hieran gebunden. Der Streitverkünder wird also aufgrund der Streitverkündungswirkung seine Ansprüche wegen des mangelhaf- ten Dachstuhls gegen den Zimmer- mann durchsetzen können und muss nicht befürchten, dass im Folgeprozess das Gericht hinsicht- lich des Dachstuhls aufgrund ei- ner neuen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen kann, dass der Dachstuhl doch mängelfrei war. Zu beachten ist, dass die Streit- verkündung zum einen zur Verjäh- rungshemmung und zum anderen zum Erhalt von Gewährleistungs- recht führt. Praxistipp: In der Praxis macht eine Streit- verkündung dann Sinn, wenn der Kläger sich nicht ganz sicher sein kann, ob er gegen den Beklagten oder gegen einen Dritten einen Anspruch hat, sich aber sicher ist, zumindest gegen einen der beiden den Anspruch durchzusetzen. Nicht verwendetes Material – Ersparte Aufwendungen beim Werkunternehmer? Die Kosten für das Material, das der Werkunternehmer speziell für das Werk des Bestellers beschafft hat und das nicht in absehbarer und zumutbarer Zeit anderweitig verwendet werden kann, muss sich der Unternehmer nicht als erspar- te Aufwendungen anrechnen las- sen. Der Unternehmer ist allerdings verpflichtet dem Besteller auf dessen Verlangen hin das Material heraus- zugeben und zu übereignen (Ent- scheidung LG Köln, 7 O 247/99) Konsequenzen für die Praxis: Der Fall betrifft den gar nicht so seltenen Fall, dass speziell an- gefertigte und so anderweitig nicht zu verwendende Materialien zum Einbau beim Bauherrn vom Unter- nehmer zur Erfüllung einer Werk- leistung angeschafft wurden. Sie lassen sich nach einer Kün- digung des Bauherrn nicht mehr anderweitig verwenden. Abgezogen werden können nur die Kosten, die angefallen wären, um die Materialien einzubauen. Der Bauunternehmer kann nicht darauf verwiesen werden zu prü- fen, ob der Hersteller eventuell das Material zurücknimmt. Der Auftrag- nehmer ist kein Bittsteller, der dafür zu sorgen hat, dass der Auftrag- geber von den Kosten freigestellt wird. Aussergerichtliche Streitbeilegung im englischen Baurecht Während hierzulande die aus- sergerichtliche Konfliktbeilegung (Mediation) immer noch im Dorn- röschenschlaf liegt, tut sich in vie- len westeuropäischen Ländern der EU eine ganz andere Richtung auf. In Großbritannien gab es in den 80er und 90er Jahren im pri- vaten Baurecht ähnliche Probleme wie wir sie auch seit vielen Jah- ren in Deutschland haben: Zu viele Bauprozesse vor den Gerichten, die viel zu lange dauern, die viel zu viel kosten und die viel zu viel Kräf- te binden. Leidtragende dieses Problems sind in erster Linie Bauunterneh- mer und Subunternehmer, die wäh- rend eines überlangen Bauprozesses in Insolvenzgefahr geraten, insbe- sondere in wirtschaftlich schwie- rigen Zeiten. Die britische Regierung erkann- te allerdings den Handlungsbedarf und ließ eine Situationsanalyse und ein Reformmodell erstellen. Der Abschluß dieser Analyse war das im Jahre 1996 verabschiedete so genannte Adjudication Verfahren . Im privaten Baurecht war die- ses nicht nur eine Reform, sondern eine Revolution. Für eine große Anzahl von Bau- und Architektenverträgen wird bei Entstehen von vertraglichen Strei- tigkeiten zwingend ein so genann- tes Adjudication Verfahren vorge- schrieben. Dies endet mit einer vorläufig bindenden Entscheidung des Schlichters und zwar innerhalb kürzester Fristen, regelmässig je- doch innerhalb von 28 Tagen. Der jeweils unterliegenden Par- tei bleibt es jedoch unbenommen, vor einem staatlichen Gericht oder vor einem Schiedsgericht die Ent- scheidung des Schlichters anzugrei- fen und den Fall neu entscheiden zu lassen. In der Praxis hat die Er- fahrung jedoch gezeigt, dass die Entscheidungen des Schlichters nur selten angegriffen werden. Die Erfahrung in Großbritan- nien hat ferner gezeigt, dass die Zufriedenheit der Baubeteiligten mit diesem Verfahren nicht zu ver- kennen ist. Die Zahlungsvorgänge sind erheblich beschleunigt wor- den, die Zahl der Bauprozesse ist drastisch gesunken. Es bleibt abzuwarten, ob die- ses Modell in gleicher oder abge- änderter Form auch in Deutschland Zukunftsaussichten hat. Allen, die an einer schnellen Lösung von Konflikten interessiert sind, wäre dies zu wünschen.

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