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Schützen & Erhalten · März 2005 · Seite 25 Der Arbeitgeber hat auch dann das Arbeitslosengeld eines äl- teren ehemaligen Arbeitnehmers zu erstatten, wenn das Arbeits- verhältnis auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers durch Aufhebungsvertrag been- det wurde. Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2004 bestätigt, dass eine Erstattungspflicht des Ar- beitgebers bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer immer dann eintritt, wenn der Arbeit- geber zur Beendigung des Ar- beitsverhältnisses und damit zur Arbeitslosigkeit des älteren Ar- beitnehmers beigetragen hat. Die gesetzliche Regelung be- zweckt, Beschäftigungsverhält- nisse aufrechtzuerhalten und Frühverrentungen zu vermeiden. Die solidarisch finanzierte Ar- beitslosenversicherung soll nicht mit solchen Fällen belastet werden, in denen der Arbeitge- ber einen älteren Arbeitnehmer hätte weiterbeschäftigen kön- nen. Dem Urteil lag folgender Sach- verhalt zugrunde: Der 1939 geborene Arbeit- nehmer war seit 1977 bei dem Kläger beschäftigt. Am 18. Ja- nuar 1996 schlossen sie einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. Sep- tember 1996 aufgelöst werden sollte. Die maßgebende Kündi- gungsfrist von sechs Monaten wurde dabei eingehalten. Der Aufhebungsvertrag kam auf Wunsch des Klägers zustande, der beschlossen hatte, sich mit seiner Ehefrau im Ausland zur Ruhe zu setzen. Nach Beendi- gung des Arbeitsverhältnisses beantragte der Kläger Arbeits- losengeld. Aufgrund seiner Mit- wirkung an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses trat zu- nächst eine Sperrzeit für den Arbeitslosengeldbezug des Ar- beitnehmers ein. Mit Vollendung seines 58. Lebensjahres nahm die be- klagte Arbeitsverwaltung außer- dem den Kläger zur Erstattung des an den Arbeitnehmer nach Ablauf der Sperrzeit gezahlten Arbeitslosengeldes in Anspruch. Der Beklagte erhob Wider- spruch gegen die Leistungsbe- scheide und schließlich Klage. Er war der Ansicht, entspre- chend § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht zur Erstat- tung verpflichtet zu sein. Da- nach entfällt eine Erstattung, wenn der Arbeitslose das Ar- beitsverhältnis durch Kündigung beendet und keine Abfindung dafür im Gegenzug erhalten hat. Die Klage blieb in allen In- stanzen erfolglos. Dem Urteil sind folgende Leit- sätze zu entnehmen: 1. § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III kann grundsätzlich nicht dahin ausgelegt wer- den, dass auch auf Wunsch des Arbeitslosen geschlos- sene Aufhebungsvereinba- rungen die Erstattungs- pflicht entfallen lassen. Unerheblich ist, ob der Ar- beitslose ohnehin gekündigt hätte, wenn ein Aufhe- bungsvertrag nicht zustan- de gekommen wäre. 2. Die Beendigung des Arbeits- verhältnisses kommt bei einem Auflösungsvertrag nur deshalb zustande, weil so- wohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer den Auflö- sungsvertrag schließen. Daraus ergibt sich eine we- sentliche Verantwortung des Arbeitgebers für die späte- re Arbeitslosigkeit des Ar- beitnehmers. 3. Jeder ursächliche Beitrag des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses schließt eine Befreiung von der Erstattungspflicht aus, da eine andere Sichtweise die Erstattungsregelung praktisch entwerten würde. Das Urteil hat folgende prak- tische Auswirkungen: Das Urteil des Bundessozi- algerichts macht einmal mehr deutlich, dass der Arbeitgeber bei der Entlassung älterer Ar- beitnehmer Vorsicht walten las- sen muss. Dies gilt umso mehr, als die Erstattungsregelung des § 147 a SGB III zum 1. Januar 2004 erheblich verschärft wor- den ist. Im Hinblick darauf, dass der Arbeitslosengeldbezug für ältere Arbeitnehmer zum 1. Fe- bruar 2006 (Stichtag) von 32 auf 18 Monate gekürzt wird, soll durch die verschärfte Erstat- tungspflicht vermieden werden, dass Arbeitgeber ältere Arbeit- nehmer noch vor dem Stichtag entlassen, sodass diese noch in den Genuss des längeren Ar- beitslosengeldes kommen. Ist das Arbeitsverhältnis erst nach dem 26. September 2003 beendet worden und entstand oder entsteht der Arbeitslosen- geldanspruch nach dem 1. Ja- nuar 2004, tritt eine Erstat- tungspflicht bereits dann ein, wenn der Arbeitnehmer bei tat- sächlicher Beendigung der Be- schäftigung mindestens 55 Jah- re alt war und noch Arbeitslo- sengeld bezieht, wenn er das 57. Lebensjahr vollendet. Der Arbeitgeber hat dann ab dem 57. Lebensjahr das Arbeitslo- sengeld und die darauf entfal- lenden Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gegenüber der Arbeitsagentur zu erstatten. Die Erstattungs- dauer richtet sich nach der Dau- er des Arbeitslosengeldbezugs und kann im Extremfall 32 Mo- nate betragen. Ausgeschlossen sind lediglich Betriebe mit in der Regeln nicht mehr als 20 Beschäftigten. Die Erstattungs- regelung entfällt zum 1. Februar 2006 mit Absenkung der Dau- er des Arbeitslosengeldbezugs. In verschiedenen gesetzlich geregelten Fällen besteht kei- ne Erstattungspflicht des Arbeit- gebers: – bei sozialgerechtfertigter Kündigung – bei Vorliegen eines Grundes für eine fristlose Kündigung – bei drastischem Personalab- bau – bei einer Arbeitnehmerkün- digung ohne Zahlung einer Abfindung – bei Anspruch auf bestimm- te gesetzlich genannte Lei- stungen oder einer Rente wegen Berufsunfähigkeit – bei Insolvenzfähigkeit des Arbeitgebers Das Bundessozialgericht hat in seinem vorliegenden Urteil klar- gestellt, dass der Befreiungstat- bestand der Arbeitnehmerkün- digung ohne Abfindung eng auszulegen ist. Ein Aufhebungs- vertrag befreit den Arbeitgeber auch dann nicht von der Erstat- tungspflicht, wenn er allein auf Wunsch des Arbeitnehmers zu- stande gekommen ist. Ob da- neben eine Abfindung gezahlt worden ist oder nicht, ist un- erheblich. ARBEITS- UND SOZIALRECHT Erstattungspflicht des Arbeitgebers Arbeitslosenversicherung Urteil des Bundessozialgerichts – B 11 AL 5/04 R – vom 7. Oktober 2004.

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