S&E Glossary
Schützen & Erhalten · Juni 2016 · Seite 20 Fachbereiche Schimmelpilze Sanierungsziel bewertet wird, sondern poten- tielle Gefährdungen auf dem Weg dahin. Daher ist es nicht Aufgabe des DGUV-Leitfadens, das beste Verfahren herauszustellen, mit dem man Schimmel wegbekommt, sondern die beste ver- fügbare Technik, um die Exposition der Ausfüh- renden zu minimieren. Und hier muss von obiger Eselsbrücke abgewichen werden: Nicht ein Mehr an Schutzmaßnahmen ist entscheidend, sondern die Kombination aus technischen und organi- satorischen Maßnahmen, um die persönliche Schutzausrüstung zu minimieren. Zielgruppe und Anwendungsbereich Alle sind verantwortlich. Mit dabei sind die Bauherrenschaft, der Planer, der Sanierer und auch der Schimmelgutachter. Bisher wurde in der BGI 858 nur die Verantwortlichkeiten des Sanie- rers besprochen. So verändert sich zwangsläufig auch der Anwendungsbereich. Ging es vormals nur um den Ausbau befallener Materialien, er- streckt sich die Zuständigkeit nunmehr von der Schadensaufnahme bis zur Sanierungskontroll- messung, der eine Feinreinigung voranging und ebenfalls unter dem Aspekt zu bewerten ist, ob hier noch eine Gefährdung besteht oder nicht. Und so geht es nicht darum, festzulegen, welche Messungen zur Schadensfeststellung notwen- dig sind oder wann das Sanierungsziel erreicht ist – es geht um die Gefährdung des Sachver- ständigen bei der Probennahme und des Bau- tentrockners beim Anlegen von Zugängen zur Trocknung oder des Reinigungsunternehmens bei der Feinreinigung (10). Aus der Vielzahl der Beteiligten folgt auch die Notwendigkeit der Koordination der einzelnen Gewerke. Schließlich ist der Elektriker nicht nur der natürliche Feind der luftdichten Schicht, sondern mitunter auch einer erfolgreichen Sanierungskontrollmessung. Fachkundig eine Gefährdung beurteilen Das muss nun bewertet werden, aber wie? Laut BioStoffV nach Identität, infektiöser Wir- kung, allergenem und toxischem Potential so- wie Dauer und Höhe der Exposition. Dazu muss man fachkundig sein, das regelt jetzt die TRBA 200 (8). Und dort steht eben auch drin, welche Anforderungen die Fachkunde im Arbeitsschutz beinhaltet. Damit das auch zum Ausführenden passt, sind in der DGUV-I Inhalte aufgeführt, die der Fachkundige drauf haben muss. Muss er sich das über eine Qualifizierungsmaßnahme erwerben, sind Mindeststunden aufgeführt, die notwendig erscheinen, um die Fachkunde im Arbeitsschutz erfolgreich vermitteln zu können. Wer die Schimmel-Module beim DHBV e. V. be- sucht, kann sicher sein, dass diese Anforderun- gen erfüllt sind! Der nunmehr Fachkundige ist in der Lage, seine Tätigkeiten entsprechend zu bewerten. Er weiß, dass er bei der Entfernung schimmelbelas teten Materials Schimmelpilze als „Leitorganis- men“ ansetzen kann, die selten die Risikogrup- pe 1 überschreiten (Ausnahme Fäkalschäden). Er weiß, dass das Infektionsrisiko für Normal- gesunde sehr gering ist. Im Vordergrund steht das sensibilisierende Potential, welches unab- hängig von der Einordnung in Risikogruppen zu bewerten ist. Vielmehr ist entscheidend, welche Freisetzung auftreten kann (Exposition) und wie lange die Tätigkeiten andauern. Daher darf vereinfachend als Bewertungsgrundlage Dauer der Tätigkeit und Höhe der Exposition angesetzt werden (1, 10). Neudefinition der Gefährdungsklassen Und hier hat sich nun Einiges geändert. In der BGI 858 war noch von Schwach, Mittel und Stark die Rede (1). Abhängig von der Dauer der Tätigkeit wurde eine Gefährdungsklasse ermit- telt, die von ohne Gefährdung (gern auch mal als GK 0 bezeichnet) bis zu Gefährdungsklasse 3 ging. Daran hat sich insofern etwas geändert, dass die Exposition in Überarbeitung der TRBAs als „Erhöht – Hoch – Sehr Hoch“ bewertet wird. Auch erfolgt eine Neubezeichnung der Gefähr- dungsklassen in Gefährdungsklasse 1 (ehemals ohne Gefährdung), 2a und 2b (hoch, kleiner bzw. länger als 2 Stunden) und 3 (sehr hoch) (10). Die Zuordnung nach dem Zeitfaktor (als Folge der Tragezeitbegrenzung für Halb- und Vollmas- ken) wurde beibehalten, doch die jeweilige Zu- ordnung nach der Exposition resultiert aus den technischen Kontrollwerten für Biostoffe aus der TRBA 214 sowie aus den Staubgrenzwerten der TRGS 900: „erhöhte Exposition“ – – Schimmelpilzkonzentration <50.000KBE/m 3 und – – Einhaltung des Allgemeinen Staubgrenz- wertes (TRGS 900) Alveolengängige Fraktion < 1,25 mg/m³ Einatembare Fraktion < 10 mg/m 3 „hohe Exposition“ – – 50.000 KBE/m³ < Schimmelpilzkonzen- tration < 500.000 KBE/m 3 – – Alveolengängige Fraktion < 12,5 mg/m³ Einatembare Fraktion < 100 mg/m 3 „sehr hohe Exposition“ – – Schimmelpilzkonzentration >500.000 KBE/ m 3 – – Alveolengängige Fraktion > 12,5 mg/m³ Einatembare Fraktion > 100 mg/m 3 Damit ist auch die GefStoffV ausreichend berück- sichtigt. Diese begegnet uns jedoch häufiger, so auch bei der Schadensaufnahme, wenn plötzlich andere Innenraumschadstoffe wie Asbest oder PAK auftreten oder wie gleich noch ausführlicher besprochen im Falle der Anwendung von Desin- fektionsmitteln. Exposition bei typischen Tätigkeiten in der Sanierung von Schimmel- schäden Nun soll die DGUV-Information wie schon die alte BGI 858 helfen, die Exposition bei der Sanierung ohne eigene Messungen abschätzen und bewerten zu können. Bereits in der alten BGI gab es hierzu eine Tabelle im Anhang 2, in der beispielhafte Tätigkeiten aufgelistet waren. Diese Tabelle wurde nun stark erweitert und mit aktuellen Messwerten aus dem ständigen Mes- sprogramm der BG aktualisiert. Dabei wurde das Ampel-Farbkonzept der Expositionsstufen bei- behalten, was die Gefährdung durch Biostoffe und Stäube auch visuell nachvollziehbar macht. Hinweise zur Baustelleneinrichtung Aus der zu erwartenden Exposition mit Bio stoffen und Stäuben und der Dauer der Tätig- keiten sind dann die Schutzmaßnahmen abzu- leiten. Dabei gilt das TOP-Prinzip, also tech- nische und organisatorische Maßnahmen sollen die Belastung signifikant reduzieren und nur das „Restrisiko“ ist durch die persönliche Schutzaus- rüstung (PSA) abzusichern. Denn PSA stellt eine Belastung für den Ausführenden dar. Je höher die Schutzanforderung im Arbeitsschutz, umso hö- her auch die Belastung für den Organismus, was Lungenfunktion oder Körpertemperatur betrifft. Zusätzliches Gewicht muss mit rumgeschleppt werden und dann ist auch noch die Sicht einge- schränkt. Es ist daher eine sportliche Herausfor- derung, den Sanierungsbereich so zu gestalten und staubarme Verfahren auszuwählen, die eine Belastung durch die PSA minimieren. Hilfreich hierbei sind konkrete Anweisungen für die Baustelleneinrichtung, was den Aufbau von Schleusen oder den neu definierten Über- gangsbereichen betrifft. Letztere sind vor allem dann von Bedeutung, wenn nur eine Abtrennung oder Abschottung gefordert ist, die noch keinen komplizierten Schleusenaufbau notwendig ma- chen, also in den Gefährdungsklassen 1 sowie 2a und 2b. Auch die Luftführung im Sanierungs- Beispielhafte Tätigkeiten Zu erwartende Exposition erhöht hoch sehr hoch Putz trocken entfernen – Abstemmen ohne staubbindende Maßnahmen Putzfräse mit Absaugung *) Putzfräse mit Absaugung und lokaler Absau- gung des unmittelbaren Arbeitsbereiches *) *) Abhängig von der Untergrundbeschaffenheit Bild 3: Im Anhang 2 kann der Sanierer für typische Sanierungstätigkeiten die zu erwartende Exposition ablesen. Hier dargestellt am Beispiel „Putz entfernen“ (*nach Beschaffenheit des Untergrundes). Dabei zeigt sich, dass je nach eingesetztem Verfahren für die gleiche Aufgabenstellung unterschiedliche Expositionen zu erwarten sind, der Sanierer ist angehalten, danach geeignete Arbeitsverfahren auszuwählen, aus Bonner 2016 (10).
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