S&E Glossary
Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Schwerpunkt LBV-Tipps zu Spechten Frau Dipl.-Ing. (FH) Sylvia Weber vom Lan- desbund für Vogelschutz (LVB) in München kennt das Verhalten von Spechten sehr genau und weiß um die Aspekte rund um Spechte an Hausfassaden, auch mit Blick auf den Artenschutz: Frau Weber, welches Verhalten liegt einem „Klop- fen“ zugrunde? S.W.: Spechte gelangen meist im Zuge der Nahrungssuche an Fassaden. Sie greifen Insek- ten und Spinnentiere, die auf Fassaden sitzen, ab und untersuchen dann die Fassade nach tiefer liegenden Insektenlarven, indem sie den Putz, aufhacken. Dies entspricht dem natürlichen Verhalten an Bäumen und findet sowohl an ge- dämmten als auch an nicht gedämmten Fassaden statt. Eine gedämmte Fassade klingt aber beim Hacken hohl und signalisiert dem Specht damit „Totholz“, also einen schnellen Hackerfolg; so entsteht ein Anreiz, hier nicht nur nach Nah- rung zu suchen, sondern auch Höhlen zu bauen. Sind die Schäden durch den Specht immer ein- deutig als „großes“ Loch erkennbar? S.W.: Nicht jede Hackstelle wird zur Schlaf- oder Bruthöhle ausgebaut. Um Fassadenschäden umfänglich zu beseitigen, sollte man das Augen- merk auch auf kleinere Schadstellen richten, denn auch hierkann Feuchtigkeit ins Wärmedämmver- bundsystem eindringen und es schädigen. Wie weit sollte eine Vergrämung Ihrer Ansicht nach in der Fläche an der Fassade ansetzen? S.W.: Damit ein Specht nach dem Verschluss nicht erneut Höhlen hackt, sollte im Zuge der Reparaturarbeiten unbedingt eine möglichst großflächige Vergrämung angebracht werden. Vorsorglich sollte man auch bisher unbehackte Ecken und fensterlose Bereiche schützen. Spechte sitzen vor dem Anflug an ein Gebäude gerne in einem Baum oder Großstrauch und prüfen, ob „die Luft rein ist“ oder ob Gefahren drohen. Auf kürzestem Weg fliegen sie von diesem Ansitz an die Fassade. Am Umfeld und an der Fassadenglie- derung kann man also schon erkennen, welche Bereiche behackt werden könnten. Welche Vergrämungsmaßnahmen sind Ihrer Er- fahrung nach erfolgreich? S.W.: Bewegliche Abwehrmaßnahmen wie z.B. Vorhänge aus flatternden Bändern oder CD-Ketten haben bislang öfter Erfolg gezeigt als Attrappen von Feinden oder Konkurrenten. Diese verhalten sich nicht „natürlich“ und es tritt bald ein Ge- wöhnungseffekt ein. Bei allen Abwehrmaßnah- men ist es wichtig, dass sie großflächig ange- bracht werden, um ein Ausweichen des Spech- tes in nicht vergrämte Bereiche zu vermeiden. Grundsätzlich gilt aber: Jeder Specht reagiert anders. Deshalb sollte man bei ausbleibendem Erfolg auch mal eine andere Methode auspro- bieren. Da Spechte wie die meisten anderen Vo- gelarten unter Naturschutz stehen, darf die Ver- grämung dem Tier keinen körperlichen Schaden zufügen. Netze aus Nylon oder Stacheln bergen eine hohe Verletzungsgefahr für Spechte und an- dere geschützte Wildvogelarten, als Spechtab- wehr kommen sie daher nicht infrage. Im Frühjahr dürfen Hecken mit Rücksicht auf brü- tende Vögel nur bis zu einem bestimmten Zeit- punkt geschnitten werden. Sind da Parallelen zu möglichen Bruten in Spechtlöchern? S.W.: Ja. Nicht nur Spechte brüten in Ein- zelfällen in Fassadenhöhlen. Auch viele andere Tierarten nutzen das Höhlenangebot, als Un- terschlupf und Fortpflanzungsstätte, vor allem, wenn die Schadstellen schon vor längerer Zeit entstanden sind. Wir empfehlen darum, kleinere Hackschäden sofort wieder zu verschließen, be- vor sie zu einer komfortablen Höhle ausgebaut werden. Fertige Höhlen sollten aber keinesfalls in der Vogelschutzzeit (März mit September) verschlossen werden. Auch außerhalb dieser Zeit muss umsichtig gearbeitet werden, denn z. B. Fledermäuse können ihren Winterschlaf in Fassadenhöhlen verbringen. Vor dem Verschluss muss also immer geprüft werden, ob sich Tiere in den Fassadenhöhlen befinden. In diesem Fall müssen die Arbeiten sofort eingestellt werden. Wie kann man zweifelsfrei feststellen, ob sich kein Gelege oder Jungvögel hinter der Fassade befin- den, geht es hier alleinig um Spechte? S.W.: Fassadenhöhlen können sehr umfang- reiche Ausmaße annehmen und um eine Hause- cke herumreichen. Nester, Gelege und Jungtiere befinden sich immer versteckt am hinteren Ende der Höhle. Nur manchmal gelingt es, bei einer Sichtkontrolle mit Taschenlampe und Spiegel den gesamten Hohlraum zu erfassen. Mit einer Schlauch- oder Endoskopkamera erzielt man si- chere Ergebnisse. Man kann die Putzschicht auch vorsichtig aufschneiden und zur Seite biegen, um das gesamte Innere einzusehen. Findet man Tiere in der Höhle, wird der Schnitt mit einem Textilklebeband schnell wieder verschlossen. Organisches Material (z. B. Nistmaterial oder Kot) muss aus den Höhlen entfernt werden, be- vor sie fachgerecht verschlossen werden. Saugt man dieses Material ohne vorherige Prüfung aus dem Loch heraus, hat man keine Kontrolle, ob man dabei Tiere schädigt. Wann empfehlen Sie, mit der Vergrämung des Spechtes zu warten? S.W. Nicht nur die Tiere selbst, sondern auch ihre Gelege sind gesetzlich geschützt! Befinden sich Gelege oder Tiere in einer Höhle, müssen die Arbeiten zurückgestellt werden, bis die Tiere die Höhle von selbst verlassen haben. Bei Jungvö- geln kann das je nach Art und Entwicklungsstand schon nach 2 bis 3 Wochen der Fall sein. Junge Eichhörnchen bleiben insgesamt etwa 10 bis 12 Wochen im Nest. Auch im Herbst und Winter ist Vorsicht geboten: Winterschlafende Fledermäu- se dürfen nicht gestört werden! Sie verlassen die Höhlen im Frühjahr, etwa ab April. Wird eine Fassade von Tieren „bewohnt“, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Experten der Naturschutz- organisationen oder der Naturschutzbehörden. Sie können auch Aussagen über Ersatzquartiere machen, die bei einigen Arten gesetzlich vor- geschrieben sind. Fragen Gabriele Flingelli Der LBV betreibt mit Unterstützung der Landes- hauptstadt München das Projekt „Artenschutz an Gebäuden“. Hierbei geht es um den Schutz von Gebäudebrütern und Fledermäusen. Näheres und ein umfassender und fachlich hilfreicher Ratgeber zur Spechtthematik unter www.lbv-muenchen.de/download_broschueren Immer zu bedenken! Specht- höhlen werden auch von weiteren Vögeln (z. B. Staren) genutzt. Bei Gefahr halten die Küken still, das macht es nicht einfacher, auch lässt sich die tatsächliche Windung der Höhle hinter der Fassade von außen kaum beurteilen… …oftmals tritt ein tief verborgenes Nest wie hier von Sperlingen erst mit dem Aufschneiden der Fassade zu Tage! Foto: ©A_Lein – fotolia.com Fotos: Sylvia Weber
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