S&E Glossary

Schützen & Erhalten · September 2003 · Seite 16 folgt. Abschließend sind hier- über Vereinbarungen zu treffen. Merkmal der Schlichtung ist, dass bei gezielter Auswahl des Schlichters eine hohe Motivation des Schlichters vorausgesetzt, das einzige Ziel eine interessens- gerechte Lösung ist. Bei Gegen- überstellung der gerichtlichen Verfahren zum Schlichtungsvor- gang stellt sich bei genauer Betrachtung heraus, dass die Verfahrensdauer bei einer Schlichtung in der Regel auch bei komplexeren Sachverhalten nicht länger als sechs Wochen beträgt. Oft können die Ausein- andersetzungen im Rahmen ei- ner ad hoc Schlichtung auch innerhalb weniger Tage beige- legt werden. Weitere Merkma- le sind, dass die durch den Schlichter angeregte Kommuni- kation, die keinem förmlichen Verfahren unterliegt, Spannun- gen beseitigt und die Zufrieden- heit mit der so entstehenden Situation als Gewinn für beide Seiten gesehen wird. Hieraus er- gibt sich die These, dass Kon- flikte in vielen Fällen nur bei- gelegt werden können, wenn auch außerhalb des Rechts lie- gende Umstände berücksichtigt werden. Zur geschichtlichen Entwick- lung wurde ausgeführt, dass die Schlichtung seit Anfang der 80er Jahre, insbesondere im Zusam- menhang mit familienrechtli- chen Auseinandersetzungen in den Rechtsbereich Einfluss ge- funden hat. Zwischenzeitlich wird die Schlichtung auch in anderen Bereichen der Wirt- schaft erfolgreich angewendet. Entwickelt wurde die Schlichtung bzw. Mediation in den USA, wobei mehr als die Hälfte der US-Bundesgerichte heute Mediation anbieten bzw. diese sogar teilweise vorschrei- ben. Nach Untersuchungen be- trägt die Erfolgsquote zwischen 70 und 90 Prozent, mit der Fol- ge, dass wesentliche Rechts- streite heute in den Staaten nicht mehr vor öffentlichen Gerichten, sondern im Rahmen von Schlichtungs-/ Mediations- verfahren beigelegt werden. Die sieben Rollen des Schlichters Von dem Schlichter werden eine Vielzahl von Eigenschaf- ten erwartet, denen er zur erfolgreichen Schlichtung ge- recht werden muss. Er sollte Analytiker sein, der den Sach- verhalt aufklärt und die Wahr- nehmungen der Parteien be- schreibt; er sollte Erfinder sein, der Lösungsvorschläge erarbei- tet, der ein kreatives Klima schafft; er sollte Hofnarr sein, der in der Lage ist, die Situa- tion aufzulockern; er sollte Kauf- mann sein, der in der Lage ist, die Konsequenzen auch in kauf- männischer Hinsicht darzulegen; er sollte Seelenarzt sein, der in der Lage ist, nicht rechtlich re- levante Tatsachen anzuhören; er sollte Übersetzer sein, der in der Lage ist, Kommunikations- probleme zwischen den Partei- en zu klären; er sollte Bote sein, in dem er die gemeinsam erar- beiteten Angebote und Ergeb- nisse dem jeweils Anderen über- sendet. Ergebnis so eines Verhaltens ist, dass der Konsens als höchste Ergebnisstufe der Schlichtung anzusehen ist. Am Beispiel des zerbrochenen Spiegels wird deutlich, dass im Anfang der Konfliktbewältigung jede Par- tei in einen Teilbereich hinein- schauen will, der ihr nur einen verzerrten und nicht vollstän- digen Einblick gewährt. Die Aufgabe des Schlichters ist es, den Spiegel wieder zusammen- zusetzen, damit jede Partei dadurch den anderen besser versteht und Missverständnis- se beseitigt werden. Nach die- sem Prozess können sich ganz neue Beziehungen ergeben. Vor diesem Hintergrund ist die Befriedung der Parteien das höchste Ziel der Schlichtung. Diese Ziele einer echten Lösung lassen sich wie folgt unterteilen: – Die Konflikte nicht ver- drängen, sondern aufar- beiten. – Echte nachhaltige Lösun- gen finden. – Keine Sieger, sondern Gewinner produzieren, Gewinnsituation für beide erzeugen. – Den Kuchen durch kreative Lösungen vergrößern. – Blockaden aufbrechen – Die Arbeitsbedingungen in der Zukunft erhalten oder sogar verbessern. Rein methodisch lässt sich die Bauschlichtung in sieben Pha- sen unterteilen: Der Vorphase – der Öffnung – der Beschreibung der Streit- punkt – der Konfliktbearbeitung – der Konfliktlösung – der Ent- scheidung – und dem Abschluss. Es ergab sich vor diesem Hintergrund nicht zuletzt in der Diskussion, dass zur Durchfüh- rung einer erfolgreichen Schlich- tung nicht nur rechtliche und technische, sondern auch psychologische Kenntnisse vor- handen sein müssen. Ein ent- sprechendes Fortbildungsange- bot steht z. Zt. den Juristen zur Verfügung. Mit dem Hinweis, auf das Schlichtungsverfahren nach der SOBau, deutet Herr Rechts- anwalt Immoor an, dass hier auf Seiten der Rechtsanwälte ein entsprechender Bedarf an Sach- verständigen mit entsprechen- der Ausbildung vorhanden ist. In der Diskussion wurde die Überlegung angestellt, ob Schlichtung durch „Nichtrechts- anwälte“ im kleineren Rahmen, so wie sie täglich im Baugesche- hen vorkommt, mit dem Rechts- beratungsgesetz in Konflikt kommt. Dazu wurde die Meinung vertreten, dass eine Schlichtung z.B. durch Sachverständige im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ne- benpflicht zulässig sei. Empfoh- len wurde jedoch, bei Unsicher- heit auf jeden Fall anwaltliche Hilfe hinzuzuziehen, damit nicht unnötige Haftungsrisiken ein- gegangen werden. Am Ende einer Schlichtung sollte eine Vereinbarung stehen, welche ju- ristisch möglichst keinen Inter- pretationsspielraum läßt. Um die Rolle des Sachver- ständigen in der Bauschlichtung auf ein solides Grundwissen zu stellen, sind Fortbildungen not- wendig. Um die Befriedung der Parteien zu erreichen, sind psy- chologisches und rechtliches Grundwissen von entscheiden- der Bedeutung, um so die Rol- le des Schlichters zu einer ent- sprechenden Akzeptanz bei den Parteien sicherzustellen. Hier werden Kollegen gesucht, die bereit sind, sich in diesem Be- reich fortzubilden und aus dieser Sicht ein Netzwerk von Sach- verständigen innerhalb der Re- publik in enger Zusammenarbeit mit der ARGE Baurecht sowie den bestellenden Kammern auf- zubauen. Frank Deitschun, ö.b.u.v. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Bremen Kontaktadresse: bau- sv.deitschun@t-online.de DIE FACHBEREICHE Sachverständige

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=