S&E Glossary
Praxis Rissverpressung an der Zentralmoschee in Köln Herbert Voss, Geschäftsführer des DHBV- Mitgliedsunternehmens Dirk Hünninghaus GmbH, Wuppertal, hatte im September 2013 im Seebad Bansin anlässlich des 63. DHBV-Verbandstages das Verfahren „BICS®- Injektionstechnik“ vorgestellt. Dieses Verfahren kam nunmehr bei Instandset- zungsarbeiten der Zentralmoschee in Köln − ein Jahrhundertbauwerk des deutschen Architekten Paul Böhm – zum Einsatz. Ca. 700 lfd. m Risse, ca. 800 lfd. m undichte Arbeitsfugen sowie ca. 2.000 Stück undichte Schalungsanker wurden mit der ZTV-ING zuge lassenen BICS®-Injektionstechnik bearbeitet. Die besondere Herausforderung bestand darin, dass keine Verdämmarbeiten an der Außenseite vorgenommen werden durften. Die gesamte ge- stockte Betonfläche − ca. 4.200 m² − musste gereinigt und mit einer Spezialcreme hydro- phobiert werden. Durch die Verpressung mit der BICS®- Injektionstechnik war es möglich das Verfahren in einer Bauzeit von nur 9 Wochen abzuschließen. Der größte Zeitdruck lag dabei auf den Schultern der Gerüstbaufirma, die eine große Hürde durch die so schnelle Bearbeitung der Risse meistern musste. Das BICS®-Injektionstechnikverfahren kam zum Einsatz, da mit einem konventionellen Verfahren durch den höheren zeitlichen Aufwand und dem anstehenden Winter eine vergleichbare Instandsetzung nicht möglich gewesen wäre. Prinzip Luftballon Seit den 1980er-Jahren arbeitet die Dirk Hün- ninghaus GmbH in Wuppertal unter der Leitung von Herbert Voss sehr erfolgreich mit der BICS®- Injektionstechnik. Bei diesem Niederdruckver- fahren können Risse bis zu 0,02 Millimeter ver- presst werden. Das Prinzip des Verfahrens ähnelt einem gefüllten Luftballon, der einen kontrol- lierten Druckausgleich anstrebt. Im Labor des Chemiekonzerns Schering stieß Voss auf ein aus Japan stammendes Verfahren. Mit seiner Idee, dieses auch für die Rissverpressung von Betonbauteilen zu verwenden, war er seiner Zeit voraus, denn Mitte der 1980er-Jahre steckte die ZTV-Riss noch in ihrer Entstehungsphase. Schon 1977 bewährte sich unter Herbert Voss ein spezielles Injektionsverfahren mit ge- ringem Druck < 3 bar und einer besonderen Ver- dämmung bei einem Auftrag in Südafrika. Tech- nisch bedingt war hier ein Verpressen mit einem konventionellen Verfahren mit erhöhtem Druck gescheitert. Die Zeit war reif für eine neue Tech- nik. Die kontinuierliche Druckbegrenzung auf ca. 3 bar wird durch einen Gummischlauch erreicht, der sich beim Einfüllen des Füllmaterials wie ein Luftballon ausdehnt. Nachdem der Schlauch ge- füllt ist, hat das Gummi die Tendenz, sich wie- der zusammenzuziehen und drückt das Injekti- onsmittel selbstständig unter stetem Druck bis zum vollständigen Ausfüllen in den Riss. Eine Ballonfüllung umfasst etwa 40 ml Material. Ent- gegen der herkömmlichen Regelwerke, die vor- sehen, dass von einer Injektionsstelle aus so lange verpresst wird, bis das Material am näch- sten Stutzen austritt, werden bei der BICS®- Injektionstechnik alle Injektoren in beliebiger Reihenfolge bis zum oben beschriebenen Füll- stand unabhängig von austretendem Material be- füllt. Das stellt eine revolutionäre Neuerung dar. Bedenken von Prof. Dr.-Ing. György Iványi, dass dieses Verfahren bei gegenströmiger Injektion massive Lufteinschlüsse verursacht und somit nicht tauglich wäre, zerstreuten sich vollstän- dig bei den Prüfungen nach ZTV-Riss, die Voss bereits Ende der 1980er-Jahre bei Iványi an der damaligen Gesamthochschule Essen in Auftrag gegeben hatte, um sein „SHO-Bond-BICS“-Ver- fahren abzusichern. Das Prüfverfahren wurde in der Voruntersuchung und der Hauptprüfung mit summa cum laude bestanden. Die Rissverpres- sung war erfolgreich mit 100 % bei Rissweiten bis zu 0,02 mm. Gefordert werden 80 % bis zu 0,2 mm. Ein Nachverpressen ist bei diesem Ver- fahren nicht notwendig. Durch den niedrigen Druck wird die Luft in die umliegenden Beton- poren verdrängt. Stoppt der Injektionsprozess, obwohl der Schlauch noch halb voll ist, gilt das als Nachweis, dass der Riss komplett gefüllt ist. Auch vor dem Gremium des Bundesverkehrs- ministeriums wurde die Zustimmung für das Be- füllen der einzelnen Injektoren in beliebiger Reihenfolge anerkannt und somit zugelassen. Materialien und Anwendungsgebiete Vor der Injektion steht immer die Riss diagnostik und die Planung der Rissverpressung an, um entscheiden zu können, ob das Verfah- ren für den vorliegenden Fall geeignet ist und welches Verpressmaterial zum Einsatz kommen soll. Bei trockenen und feuchten Rissen ist die BICS®-Injektionstechnik ideal, bei nassen oder wasserführenden Rissen muss ein anderes Ver- fahren gewählt werden. Da sich der Verfüllprozess wegen des nied- rigen Drucks über mehrere Stunden hinziehen kann, muss das Material dünnflüssig sein und darf nicht zu schnell erhärten. Infrage kommen Epoxidharz-Materialien für kraftschlüssige Injek- tionen in trockene Risse in Beton (nach ZTV-Riss zugelassen) und Zementsuspensionen, u.a. aus Feinstzementen. Letztere eignen sich für das kraftschlüssige Verpressen von trockenen und feuchten Rissen in Beton und Mauerwerk. Vor kurzem ist außerdem ein PU-Material auf den Markt gekommen, das verzögert abbindet und sich daher auch für dieses abdichtende Verfah- ren eignet. Es kommt dort zum Einsatz, wo eine höhere Elastizität des Materials gefordert ist. Das Anwendungsspektrum des Verfahrens ist breit gefächert. Nicht nur schmale, auch brei- te Risse, die zusätzlich mit Ankern oder Dübeln gesichert werden, können damit kraftschlüssig verpresst werden. Einsatzgebiete sind zum Bei- spiel Ingenieurbauwerke wie Brücken, Tunnel oder Untergrundbahnen, alle Arten von Gebäu- den, Schornsteine und Maschinenfundamente, Kraftwerke und Staudämme, Schleusen und Dämme und sogar Start- und Landebahnen von Flughäfen. Spezielle Anwendungsmöglichkeiten sind außerdem hohlliegende Estriche oder auch hohlliegende Natursteinböden. Schützen & Erhalten · Dezember 2015 · Seite 26
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