S&E Glossary

sensiblen Innenbereich bekämpfend gegen Haus- bockbefall einsetzen zu können. Der Erfolg dieser Produktgruppe war ver- mutlich weniger ihrer Wirksamkeit geschuldet, sondern vielmehr der Tatsache, dass Bor bis vor wenigen Jahren ein nicht-kennzeichnungspflichti- ges Biozid war. Borprodukte konnten somit ohne Sachkundenachweis nach Gefahrstoffverordnung von jedermann verarbeitet werden. Diese Sicht- weise wird gestützt durch die Tatsache, dass die Bewertung aller Bor-Verbindungen im Rahmen der Biozid-Produkte-Verordnung eine allgemein nicht ausreichende Wirksamkeit gegenüber äl- teren Insektenlarven ergab. Holzschutzmittel mit Bor als einzigem Wirkstoff wurden für die Bekämpfung eines Insektenbefalls als ungeeig- net bewertet. [5] Zusammenfassung Das DIBt stellt beim Hausbockkäfer die lang- sam wirkenden Präparate über die Verlängerung der Prüfzeit auf ein Jahr mit den verzögert wir- kenden gleich und überlässt die Typisierung ein- fach dem Antragsteller. Beim Gemeinen Nagekä- fer wird langsam wirkenden Präparaten durch die Verdreifachung der Prüfzeit ein ganz erheblicher Vorteil eingeräumt. Diese Manipulation der Prüf- zeiten hebelt geltende Prüf- und Bewertungs- normen aus und konterkariert vollständig den Sinn der Bekämpfungsmittel-Typisierung. Sie schafft Wettbewerbsverzerrungen auf dem deut- schen Markt und verhindert Qualitätsvergleiche mit deutschen, nach RAL-GZ 830 bewerteten Bekämpfungsmitteln. Durch die Benachteiligung von korrekt nach DIN EN 14128 bewerteten Pro- dukte aus dem europäischen Ausland wird der freie Warenverkehr für Bauprodukte in Europa durch nicht-normkonforme Anforderungen be- hindert. Darüber hinaus enthalten die Prüfgrund- sätze eine äußerst unübliche Gleichstellung der Schadorganismen, die zum Versagen der bewer- teten Produkte gegenüber dem Gemeinen Nage- käfer und/oder dem Gescheckten Nagekäfer füh- ren kann. Es ist daher ausgesprochen fraglich, ob eine direkte Umsetzung der Prüfgrundsätze zu praxistauglichen Produkten führen würde. Da das DIBt die Bewertung der Wirksamkeit aber von erfahrenen und hochkompetenten Gutach- tern durchführen lässt, kann davon ausgegangen werden, dass durch diese Maßnahme ein „Selbst- heilungsprozess“ im Zulassungsverfahren statt- findet und meist Schlimmeres verhindert wird. Beim RAL-GZ 830 ist die insektenspezifische Auslobung der Wirksamkeit sowie die Übernah- me der Wirksamkeits-Anforderungen aus der DIN EN 14128 vorbildlich. Es werden lediglich die Produkttypen „schnell“ und „langsam“ wir- kend zu „schnell“ wirksam zusammen gefasst, alle anderen Typisierungen sind konform mit der DIN EN 14128 bzw. der DIN EN 1390. Die Gütegemeinschaft Holzschutzmittel E.V. ist ein Industrieverband, dem die Konformität mit eu- ropäischen Normen ein ernsthaftes – und auch wirtschaftliches – Anliegen ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die o. g. Zu- sammenfassung von Produkttypen zur Zeit durch die Bewertungspraxis des DIBt erzwungen wird. Würde der RAL-GZ 830 normkonform bewerten, dann wäre der RAL-Produkt-Typ „langsam wir- kend“ (Hausbock: 24 Wochen/Gemeiner Nagekä- fer: 16Wochen) nach außen hin mit dem DIBt- Produkt-Typ „langsam wirkend“ (Hausbock: 52 Wochen/Gemeiner Nagekäfer: 52 Wochen) gleich- gestellt. Zur Abgrenzung gegen diesen markt- regulierenden Eingriff des DIBt ist die modifi- zierte Bewertung des RAL-GZ 830 – zur Kon- fliktvermeidung – solange sinnvoll, bis sich das DIBt aus der Bewertung von Holzschutzmittel zurückgezogen hat. Beide in Deutschland etablierten Bewer- tungsverfahren für bekämpfend wirksame Holz- schutzmittel (RAL GZ-830 und DIBt) sind nicht konform mit den europäischen Anforderungen. Die Anforderungen an die jeweiligen Produkt- Typen sind bei RAL GZ-830 andere als die An- forderungen beim DIBt, und beide entsprechen nicht den Anforderungen gemäß DIN EN 14128. Damit weisen in Deutschland – bei identischer Produkt-Typisierung – die langsam und verzögert wirksamen Bekämpfungsmittel unterschiedliche und nicht miteinander vergleichbare Produktei- genschaften auf und beide sind wiederum nicht mit Produkten aus dem europäischen Ausland ver- gleichbar. Durch diese uneinheitlichen Typisie- rungskriterien fehlt eine vollständige Grundlage für eine korrekte und differenzierte Anpassung der Mittelauswahl an die vor Ort festgestellte Befallssituation sowie an die Resttragfähigkeit der befallenen Konstruktion. In noch höherem Maße betroffen ist die Maßnahmenplanung und Güterabwägung durch Planer und Sachverständi- ge. Diesen Entscheidern fehlen eindeutige und vergleichbare Sachinformationen zur korrekten Einbeziehung des gesundheitlichen Verbraucher­ schutzes sowie von umweltbezogenen und Ar- beitssicherheits-Aspekten. Die für eine Planungs­ sicherheit benötigten Detail-Informationen sind am ehesten aus der Bewertung der Gütege- meinschaft Holzschutzmittel e. V. zu ersehen. Voll umfänglich werden sie aber wahrscheinlich erst nach dem Rückzug des DIBt aus der Pro- duktbewertung und der Zulassung der Bekämp- fungsmittel im Rahmen der Biozid-Produkte- Verordnung zur Verfügung stehen. Derzeit sind sie in der Regel nur durch eine gezielte Anfrage unter Bezugnahme auf die DIN EN 14128 bei den Herstellern erhältlich. Dr. Michael Pallaske Kurt Obermeier GmbH & Co. KG Forschung und Entwicklung Bekämpfungsmittel, Bad Berleburg Literatur [1] DIN EN 14128: Anforderungen an Holzschutzmittel zur Bekämpfung von Holzzerstörenden Organismen wie sie durch biologische Prüfungen ermittelt wer- den. [2] Pallaske, M. (1995): Selektive Insektizide gegen definierte Entwicklungsstadien – Prüfmethodische Problemkinder beim Einsatz in Holzschutzmitteln. Holzzentralblatt 123, p2022 [3] Pallaske, M. (1997): Insect growth regulators: modes of action and mode of action-dependent peculiari- ties in the evaluation of the efficacy for their use in wood preservation. IRG/WP 97-30155 [4] RAL-GZ 830 (2007): Prüf- und Gütebestimmungen der Holzschutzmittel-Gütesicherung RAL-GZ 830. Gütegemeinschaft Holzschutzmittel E.V. [5] European Commission (2006): Boric Acid, Document I, Draft CA-report and Proposed Decision of The Ne- therlands in the context of the Possible inclusion of boric acid in Annex I of Council Directive 98/8/EC [6] Peylo, A. (2013): Bor – ein Nachruf? Schützen und Erhalten, pp20 [7] DIBt (2005): Zulassungsgrundsätze für Holzschutz- mittel, Anforderungen an die Prüfungen der biolo- gischen Wirksamkeit von Holzschutzmitteln für die Erteilung einen bauaufsichtlichen Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik. [8] Baker, J.M.: Berry, R.W. (1980):Synthetic pyrethro- id insecticides as replacements for chlorinated hy- drocarbons for the control of wood-boring insects. Holz als Roh- und Werkstoff 38, pp112 Fachbereiche Sachverständige Allen Sachverständigen und Mitgliedern des DHBV und Ihren Familien sowie den Lesern von Schützen & Erhalten wünschen wir ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und ein von Gesund- heit, Erfolg und Zufriedenheit geprägtes Jahr 2015. Georg Brückner und Michael Diehl Schützen & Erhalten · Dezember 2014 · Seite 25 Foto: Viktor Gladkov · 123rf.com

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=