S&E Glossary
Leider kaum realisierbar, die Archive sind randvoll. Fundkistenstapel stehen dicht an dicht, eine Luftzirkulation ist nicht möglich. Teilweise sind Zwischengänge nicht betretbar, eine Bepro- bung der begehbaren Bereiche zeigt meist nur die Spitze des Eisbergs… Und wenn dann noch vergessen wird, die Klimaanlage einzuschalten oder eine Havarie dazu kommt, dann ist der mi- krobielle Supergau vorprogrammiert… Bild 4: Überfüllte Archive: eigentlich sollten hier zur Decke 15cm Platz sein. Die Kisten wurden jedoch bis zur Decke gestapelt, eine Hinterlüftung ist nicht möglich, zudem sind an der Decke zahlreiche Feuch- teschäden erkennbar, die sich auf den Kartonagen ausbreiten. Mit den überfüllten und ungeeigneten Depots geht einher, dass Archivgut zwischen diversen Archiven/Depots hin und her verschoben wird. Dabei fehlt mitunter die Eingangskontrolle , ob die überführten Fundkisten bereits kontaminiert oder befallen sind. Auch wird bei den Funden selbst oftmals nicht auf mikrobielles Wachstum geachtet. So werden Holzfunde aus dem Unter- wasserbereich zum Schutz vor Austrocknung bis zur Konservierung in Stretchfolie gelagert, da- runter schimmelt es sich dann ganz fantastisch. Aber auch nur unzureichend gereinigte Boden- funde schleppen zahlreiche Keime an, die dann in den Depots ausgezeichnete Lebensbedingun- gen finden können. Gern erfolgt die Einlagerung von verschimmelten Kartonagen mit der Erläute- rung, dass ja alles trocken ist und nichts mehr wächst. Klar, bis jemand vergisst, das Fenster zu schließen und es reinregnet… Auch ist es, abgesehen von einzelnen Tex- tilfunden oder zu konservierenden Holzfunden, nicht üblich, Konservierungsmittel (persistente Biozide) zu verwenden. Dies wird mittlerweile abgelehnt, da die in früheren Zeiten großzügig eingesetzten Pestizide heute den Zugang zu eini- gen Depots nur noch in Schutzkleidung zulassen. Versuche, Depots mit Ethylendioxid zu begasen, waren nicht erfolgreich. (2) Eine Gemeinsamkeit mit unseren Erfahrungen zum Fogging… Das Dumme mit den Schimmelpilzen ist, dass sie erst zu sehen sind, wenn der Befall sich eta- blieren konnte, d. h. sich ausreichend Myzel und Sporenträger produzieren konnten. Damit ist es oftmals schwer, Mitarbeiter dafür zu sensibi- lisieren, dass die Klimageräte benutzt werden müssen, dass eine Eingangskontrolle neuer Ar- chivarien stattfinden muss und auch zwischen angestaubten Akten eine Mindesthygiene Pflicht ist. Und zwar, bevor Schimmelpilze auch mit bloßem Auge erkennbar sind und plötzlich das große Niesen einsetzt. Im Schadensfall Sobald in einem Archiv oder Depot Schim- melpilze auftreten, gilt die Biostoffverordnung. Durch den Umgang mit den Archivalien kommen die Mitarbeiter mit den Biostoffen in direkten Kontakt. Die Arbeiten werden als ungezielte Tä- tigkeiten bewertet. Damit muss der Arbeitgeber (der Archivmitarbeiter) eine Gefährdungsbeur- teilung erstellen, dazu wird er sich einer fach- kundigen Person bedienen, die nach TRBA 200 (10) auch ein Sachkundiger oder Sachverständiger des DHBVs sein kann. Wie in der Sanierungsbrache üblich, wird auch für Archive und Depots in Ermangelung eines eigenen technischen Kontrollwertes (TKW, früher MAK) der TKW der Abfallwirtschaft heran- gezogen. Dieser liegt bei 50.000 KBE/m³. (4) Nun steht in allen Arbeitshilfen und auch in der TRBA 240, dass kein Messzwang vorliegt. Das heißt nicht, dass auf eine Schimmelpilzdiagnostik ver- zichtet werden kann. Das heißt nur, dass auf eine Beprobung der Raumluft verzichtet werden kann, um zu prüfen, wie hoch die Belastung an kulti- vierbaren Schimmelpilzen pro m³ ist. Um nach Biostoffverordnung eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen zu können, müssen die Biostoffe auch in der neuen Fassung hinsichtlich ihrer Risiko- gruppe, vor allen aber ihrer sensibilisierenden und toxischen Wirkung bekannt sein. Dazu kann eine Probennahme vorgenommen werden, insbe- sondere dann, wenn das Schadensausmaß über- sehbar und die Depots gut zugänglich sind, so dass eine repräsentative Probenanzahl erhoben werden kann. Angesichts der überfüllten und nur schwer zugänglichen Depots und der Aus- sichtslosigkeit, auch eine ausreichende Anzahl an Fundkartons etc. beproben zu können, darf der Arbeitgeber die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen über die Biostoffe an anderer Stelle beschaffen. Dazu zählen wis- senschaftliche, arbeitsmedizinische und andere anerkannte Veröffentlichungen, von denen eine ausreichende Anzahl im Literaturverzeichnis zu finden ist. Hier sagen die Veröffentlichungen wiederum, dass es sich überwiegend um Organis- men der Risikogruppe 1 handelt und daher nach alter Biostoffverordnung in der Schutzstufe 1 zu arbeiten ist. Leider gibt es keine Publikationen nach 2013, in denen die neue Biostoffverord- nung schon berücksichtigt ist. Dies meint auch die derzeit noch gültige TRBA 240, Stand 2010. Das kann durch Einhaltung, bzw. Umsetzung der Mindesthygieneanforderungen der TRBA 500 umgesetzt werden. Vermutlich wird aber auch hier davon auszugehen sein, dass sobald eine Überarbeitung der TRBA 240 erfolgt, auch die Schutzstufenzuordnung wegfällt. Erstmaßnahmen Besteht der Verdacht auf einen Schimmel- pilzbefall, so ist als erste Maßnahme festzule- gen, dass die betroffenen Archive nur noch mit persönlicher Schutzausrüstung (Einweganzug mit Haarschutz Typ 5, Halbmaske mit Partikelfilter der Klassen FFP 2 oder besser FFP 3 mit Atemven- til, Schutzhandschuhe ungepudert, ggf. Schutz- brille) zu betreten sind. Auch sollte der Umfang und die Dauer des Aufenthaltes eingeschränkt werden. Bis zur Freigabe der Akten, Bilder und Funde muss die Herausgabe, Einsicht, Benut- zung und Verleihung untersagt werden, die be- troffenen Archivalien sind zu kennzeichnen, um eine versehentliche Entnahme zu vermeiden. (3, 4) Mitunter kann das Schadensausmaß nur nach und nach, nämlich bei Beräumung vollständig erfasst werden, daher sollte nach Möglichkeit über eine Schleuse mit verbundener Grobreini- gung (Absaugung, ggfs. Abwaschen) beginnend im wenig belasteten Bereich hin zum stark bela- steten Bereich beräumt werden. Dabei ist fest- zustellen, ob die als geringfügig kontaminiert eingestuften Funde oder Akten tatsächlich nur mit einfachen Maßnahmen aufbereitet und aus- gelagert bzw. in andere Depots überführt werden können. Dazu kann es ausreichend sein, konta- minierte Akteneinbände oder Fundkartons aus- zutauschen und zu entsorgen. Fundkisten aus Kunststoff können abgewaschen werden, auch nicht beschädigte, kontaminierte Fundbeutel können auf diese Weise vorgereinigt und bis zur Freigabe zwischengelagert werden. Stark belastetes Archivgut sollte bis zur vollständigen Aufarbeitung in einem Quarantä- neraum lagern (wenn vorhanden), mitunter sind aber auch andere Lösungen wie klimatisierte, be- lüftbare Container möglich. Bei großer Not kann auch erstmal eingefroren werden, ein Verfahren, dass bei Dendroproben (Holzbibliothek) und stark Fachbereiche Schimmelpilze Bild 5: Auch für die Holzwürmer ist was dabei. Die falsche Lagerung und fehlende Konservierung der Holzproben (Dendrochronologie) führt zum Wachstum von holzzerstörenden Pilzen, damit wird unwiderruflich Geschichte zerstört. Schützen & Erhalten · Dezember 2014 · Seite 30
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