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Schützen & Erhalten · September 2013 · Seite 14 Gedankliche Ansätze zur Ermittlung eines merkantilen Minderwertes bei Gebäuden von Dr. Harald Volze, Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt am Main Von einem merkantilen Minderwert spricht man dann, wenn der Verkaufswert z. B. einer Immobilie gemindert wird, obwohl ein technischer Mangel vollständig be- seitigt wurde, aber bei einem möglichen Kau nteressenten der Verdacht besteht, dass verborgene Mängel vorhanden sein können (BGH BauR 1979, S. 158; BauR 1995, S. 388, 389 ff.). Für den hochquali zierten technischen Sachver- ständigen ist diese Auffassung der Rechtspre- chung nur schwer verständlich, da es für ihn nur die Frage gibt, ob der Mangel nach den Regeln der Technik beseitigt ist oder nicht. Zum besseren Verständnis nachfolgender Fall, den der Verfasser vor mehreren Jahren vor dem Landgericht Frankfurt und anschlie- ßend dem Oberlandesgericht Frankfurt zu ver- treten hatte. Das angebaute Nachbarhaus des Klägers war aufgrund einer Gasexplosion in die Luft ge o- gen. Die Medien hatten sich mit diesem Scha- densfall intensiv beschäftigt. Der Schaden am Haus des Klägers war vollständig ersetzt worden mit Ausnahme eines merkantilen Minderwertes. Das Landgericht hatte zur Ermitt- lung dieses merkantilen Min- derwertes einen öffentlich be- stellten und vereidigten Sach- verständigen aus dem Bereich der Architektur und Baustatik beauftragt. Dieser hochquali - zierte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein tech- nischer Mangel nach seiner Einschätzung nicht mehr vor- handen sei, nachdem das Haus instand gesetzt worden ist. Erst in der zweiten Instanz gelang es, auf- grund des Gutachtens eines öffentlich bestell- ten und vereidigten Sachverständigen aus dem Bereich des Maklerwesens, herauszuarbeiten, dass allein aufgrund der Vielzahl der Presse- veröffentlichungen über den Schadensfall jeder mögliche Erwerber dieses Gebäudes sich die Frage stellen wird, ob nicht doch die gewaltige Explosion z. B. im Bereich der Fundamente Be- einträchtigungen herbeigeführt hat, die derzeit nicht feststellbar sind. In der mündlichen Verhandlung stellte das Gericht die zutreffende Frage, für welches Haus sich die Parteien entscheiden würden, wenn sie Kaufabsichten hätten; und zwar für a) das Haus des Klägers oder b) das identische Haus ca. 500m weiter ober- halb der ursprünglichen Schadenstelle. Allein die Fragestellung gibt bereits die Antwort. Es bleibt bei einem möglichen Kau nteressenten bei einem derart schweren Explosionsschaden einfach ein naturwissenschaft- lich nicht fassbares Unbeha- gen, das möglicherweise vom Kauf abhält oder jedenfalls sich in einer Kaufpreisreduzierung niederschlagen kann. Hier spricht man dann von einem merkantilen Min- derwert. Die Bestimmung dieses merkantilen Minderwertes ist mit Wertungen verbunden, muss aber nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Dabei sind folgende Ge- sichtspunkte zu berücksich- tigen: 1. Zunächst muss sich der Sachverständige die Frage stellen, ob der beseitigte Gebäudescha- den überhaupt Anlass gibt, über einen mer- kantilen Minderwert nachzudenken. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn durch einen Sturmschaden ein Dach abgedeckt und ein neues Dach errichtet wurde. Unabhängig von den ganz erheblichen Kosten für die Dacheindeckung ist hier nicht von einem merkantilen Minderwert auszuge- hen. Ein Kau nteressent wird vielmehr das neu eingedeckte Dach als eine Wertsteige- rung des Gebäudes ansehen. Der Fall liegt dann anders, wenn das Ge- bäude einen Hausschwamm hatte, der voll- ständig beseitigt wurde, bei dem Erwerber aber das Unbehagen belässt, dass dieser Hausschwamm möglicherweise doch in vie- len Jahren erneut auftreten könnte (Volze: „Ermittlung des merkantilen Minderwertes bei schwammbefallenen Gebäuden“ in der Zeit- schrift „Der Sachverständige“ Heft 3/2000, S. 29 ff.). Es ist also nur dann ein merkantiler Min- derwert zu berücksichtigen, wenn trotz der vollständigen Mängelbeseitigung ein na- turwissenschaftlich nicht näher fassbares Unbehagen bei dem Kau nteressenten ver- bleibt, dass der Schaden nicht vollständig beseitigt ist. 2. Weiterhin ist bei der Ermittlung des mer- kantilen Minderwertes zu berücksichtigen, inwieweit der Gebäudeschaden in Presse und Medien behandelt wurde. Das gilt auch dann, wenn ein Gebäude mit derart vielen Baumängeln bereits bei seiner Errichtung behaftet ist, dass es zum Tagesgespräch der Örtlichkeit geworden ist. Weiterhin ist von ganz entscheidender Bedeutung die Ermittlung der Schadenshö- he der möglichen Beseitigungskosten einer Sanierung bei einem möglichen Wiederauf- treten des Schadens. Liegen die möglichen Beseitigungsko- sten unter 10% des Verkehrswertes eines mangelfreien Gebäudes, dürfte ein merkan- tiler Minderwert bei einem Gebäude zu ver- neinen sein (in Anlehnung an das Urteil des KG VersR 1975, S. 664). 3. Zu berücksichtigen ist weiterhin die sub- jektive Minderbewertung, die allein darauf beruht, dass ein möglicher Käufer es für denkbar hält, dass die Sanierungsmaßnahme erfolglos gewesen sein könnte. Hier muss der Sachverständige den Markt erforschen − gegebenenfalls auch beim Mak- ler nachfragen − inwieweit dieses Unbeha- gen eines Kau nteressenten sich auf den Kaufpreis niederschlägt. Fachbereiche Sachverständige Es schreibt für Sie: Dr. Harald Volze Rechtsanwalt und Notar Fachanwalt für Bau- und Architekten- recht Fachanwalt für Versicherungs- recht Börsenplatz 1 60313 Frankfurt am Main Telefon: (069) 287850 Fax: (069) 291564 E-Mail: DrVolze@aol.com Web: www.drvolze.de Foto: Hammersmith & Fulham Council (CC BY-NC-ND 2.0) Ein Wohnhaus nach einer Gasexplosion – auch nach einer kompletten Instandsetzung bleibt ein „nicht fassbares Unbehagen“.
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