S&E Glossary

Neues zur Bewertung von Schimmelpilzbefällen in Innenräumen 1. Hintergrundbelastung von Baustoffen Ist mir erst vor Kurzem passiert: das Telefon klingelt, ein aufgeregter Herr am anderen Ende. Noch bevor ich Luft holen und erklären konnte, dass ich an Nichtauftraggebern de nitiv keine Un- tersuchungsergebnisse herausgebe, gab es einen langen Vortrag darüber, dass besagter/besorgter Anrufer über Umwege zum Prüfbericht gekommen war und sich im Internet kundig gemacht hatte. Dabei auf den Leitfaden des Umweltbundesamtes gestoßen war, dort die Bewertungshilfe für Partikelsammlung (Holbach-Objektträger) aufmerksam gelesen hatte und sofort bemerkte, dass meine Bewertung der Spo- ren- und Partikelbelastung nicht korrekt war. Er hat nachgerechnet. Recht hat er. Es ergab sich nämlich, dass die Innenraumbelastungen deutlich höher als die der Außenluft und den Berechnungsfaktoren zufolge eine Innenraumquelle als wahrschein- lich anzusehen war. Nur stand im Prüfbericht: „Die Belastung entspricht normalen Verhält- nissen.“ Eine Innenraumquel- le hatte ich ausgeschlossen. Es bedurfte einiger Telefonate, um klarzustellen, dass richtig Rechnen und richtig Bewerten zwei Dinge sind und bei un- günstigen Wetterlagen nicht zusammenkommen. Denn ge- nau das war passiert: Die Refe- renzmessung außen wurde nach Niederschlag durchgeführt. Die Luftwäsche führte dazu, dass die Sporenbelastung außen so gering war, dass den Bewertungshilfen zufolge jeder Raum eine Innenraumquelle auf- weisen würde. Kurzum, die Außenmessung war nicht verwendbar und meine Bewertung musste daher auf Vergleichswerte anderer Messungen und Veröffentlichungen zur Hintergrundbela- stung der Außenluft fußen. Gott sei Dank sind Belastungswerte der Außenluft seit längerem ver- fügbar, z.B. aus der UFOPLAN-Studie von 2004 (1) oder eine sehr interessante Studie der Kollegen Kolk et al. aus dem Jahre 2009 (2) , die sich auch mit der Bakterien- und Endotoxinbelastung be- fassten und dabei die Studien anderer Autoren bis nach China zusammengefasst haben. Damit war die Kuh erst einmal vom Eis. Ins Schlittern kommt man aber schnell wie- der, wenn es um die Hintergrundbelastung bei Baustoffen geht. Bisher wurden die Erfahrungs- werte der jeweiligen Autoren und Labore heran- gezogen. Als richtungsweisend dürfte nun aber die im Juli auf der 17. Pilztagung in Bonn vorge- stellte neue UFOPLAN-Studie von Fischer et al. (3) sein. Leider liegt derzeit (zum Abgabetermin) kein Tagungsband vor, die nun folgenden Werte mussten schnell mitgeschrieben werden, daher bitte ich um Entschuldigung, falls sich Fehler eingeschlichen haben sollten. Sollten Korrek- turen notwendig sein, wird die Tabelle erneut veröffentlicht. In der Studie wurden die Hinter- grundbelastungen der Baustoffgruppen expan- dierter Polystyrol-Hartschaum (EPS), künstliche Mineralfasern (KMF), Putze (Kalkzement- und Gipsputze) sowie Holzwerkstoffe, wie OSB, in unterschiedlichen Situationen untersucht. Von Interesse war hierbei die mikrobielle Belastung im fabrikneuen Zustand, auf der Baustelle, im Neubau sowie im Altbau. Erfasst wurden sowohl Schimmelpilze als auch Bakterien. Eine gattungs- spezi sche Aufschlüsselung erfolgte nicht, was allgemein bemängelt wurde, aber durch die Au- toren der Studie nachgeholt werden soll. Tabelle 1 stellt dar, wie häu g in den Stich- proben Schimmelpilze nachgewiesen wurden, sagt jedoch nichts dazu aus, wie stark die Be- lastung jeweils war. Es ist aber erkennbar, dass mit zunehmendem Alter und Gebrauch die Anzahl an po- sitiven Nachweisen zunimmt, was nicht verwunderlich ist. Ausnahme bildet der neuver- baute Putz, hier sorgen die physikalisch-chemischen Be- dingungen beim Abbinde- prozess für eine kurzzeitige Keimfreiheit. Die Materialproben wurden unter de nierten Bedingungen, welche zukünftig von allen La- boren genutzt werden sollten, aufbereitet. Die Belastung wurde anschließend durch Anzüchtung der Mikroorganismen ermittelt. In der Tabelle2 ist das 95. Perzentil angegeben, d.h. 95% aller ermittelten KBE liegen unterhalb der hier angegebenen Werte. Auch hier ist er- kennbar, dass mit zunehmendem Alter und Ge- brauch der Baustoffe die Keimzahlen ansteigen. Man kann davon ausgehen, dass augenscheinlich befallsfreie Baustoffe analysiert wurden. Leider ist nicht bekannt, ob die beprobten Baustoffe auch mikroskopisch untersucht wurden, um die ermittelten Werte Kontaminationen oder (mi- kroskopischen) Befällen zuzuordnen. Interes- sant ist die um eine Größenordnung höhere Be- lastung von EPS im Vergleich mit den anderen Baustoffgruppen. Das hat Konsequenzen für die neue UBA-Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden, die nun für 12 Monate zur Diskussion steht. 2. Validierung der neuen Handlungs- empfehlung zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden Auf der 17. Pilztagung wurde ebenfalls die Handlungsempfehlung des Umweltbundesamtes zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußbö- den (4) vorgestellt. Dabei werden verschiedene Szenarien verwendet, welche als Entscheidungs- hilfe dienen sollen, um den vorliegenden Scha- densfall zu bewerten und Maßnahmen zur Sanie- rung festzulegen. Das ist eigentlich ganz einfach gestrickt: Es gibt nur zwei Bewertungsstufen. Doch wie immer, wenn die Lösung so einfach ist, liegt das Problem meist tiefer. Hier in den Unterkategorien der einzelnen Bewertungsstufen und der Kriterien, anhand derer die Einstufung vorzunehmen ist. Bild 2 zeigt das Schema zur Bewertung der Feuchteschäden. Bewertungsstufe 1 kommt gene- rell ohne mikrobiologische Untersuchungen aus, da hier anhand klarer Kriterien ein Ausbau als notwendig oder nicht erforderlich eingestuft wer- den kann. Über die einzelnen Kriterien kann man sich streiten, aus meiner Sicht werden jedoch die Fäkalschäden (wieder mal) zu lax bewertet. Glückwunsch, wer es mit seinem Schadensfall in die Bewertungsstufe 1 geschafft hat. In der Bewertungsstufe 2 wird es nämlich kompliziert und wer sich nur fragt, was dort die Kreise und Kuller sollen – hier die Au ösung: Je schwärzer der Kreis umso schlimmer die Situation. Heißt Fachbereiche Schimmelpilze Es schreibt für Sie: Dr. rer. nat. Constanze Messal Fachbereichs- leiterin Schimmelpilze Neubrandenburger Str. 33 18055 Rostock Telefon: (0381) 637-28280 Telefax: (0381) 637-28281 E-Mail: messal@dhbv.de Baustoff Fabrikneu Baustelle Neubau Altbau EPS 18 42 57 94 KMF 35 57 77 95 Putze 10 20 0 74 Holzwerkstoffe 20 10 45 69 Baustoff Fabrikneu Baustelle Neubau Altbau EPS <2,3×10 3 <6,0×10 2 <4,1×10 4 <3,2×10 5 KMF <1,4×10 3 <4,0×10 3 <5,0×10 3 <4,1×10 4 Putze <3,4×10 2 <1,0×10 3 — <8,4×10 4 Holzwerkstoffe <2,2×10 3 <3,0×10 2 <2,3×10 4 <6,2×10 4 Tabelle 1: Angabe in %, wie häu g Stichproben mit Schimmelpilzen belastet waren (nach Fischer et al. 2013). Tabelle 2: Darstellung des 95. Perzentils der kultivierbaren Schimmelpilze in Baustoffproben, Angabe in KBE/g (nach Fischer et al. 2013). Schützen & Erhalten · September 2013 · Seite 18

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