S&E Glossary

Fachbereiche Sachverständige In der Regel haben vom Gericht ernannte Sachverständige weniger mit diesem Pa- ragrafen zu tun. Kommen sie doch einmal mit ihm näher in Kontakt, kann es sehr unangenehm werden. „ § 839a BGB (1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sach- verständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbetei- ligten durch eine gerichtliche Entscheidung ent- steht, die auf diesem Gutachten beruht. (2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzu- wenden.“ „§ 839 BGB Haftung bei Amtspflichtverletzung [...] (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unter- lassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.“ „Vorsätzlich“, das ist eindeutig, aber es stellt sich die Frage, was ist „grob fahrlässig“, oder besser, was verstehen Gerichte heute unter „grob fahrlässig“? Das LG Mühlhausen hat hierzu in einer Bau- sache eine Entscheidung gegen einen gericht- lich beauftragten Sachverständigen getroffen. Dieses Urteil wurde vom OLG in Jena mit Urteil vom 07.11.2012 (Az.: 2 U 135/12) bestätigt. Hierzu gibt es einen sehr interessanten Ar- tikel in der Zeitschrift „IfS-Informationen“, Aus- gabe 2/13 auf den Seiten 6–11, „Grobe Fahrläs- sigkeit wegen Nichtbeachtung der DIN-Vorgaben“. Zum Sachverhalt: Das Gericht hat einen Sachverständigen be- auftragt, im Rahmen eines selbstständigen Be- weisverfahrens die Frage zu beantworten, wa- rum es auf den Fußböden von drei neu errich- teten Garagen zur Bildung von Pfützen kam. Der Sachverständige stellte in seinem Gutach- ten und einem Ergänzungsgutachten fest, dass Werkmängel bei der Estrichverlegung in Form von Toleranzüberschreitungen die Ursache für die Pfützenbildungen sei. Aufgrund der Aussagen in den Gutachten wurde der Estrichverleger zur Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 11.000 € zur Mängelbeseitigung verurteilt. „Seine Beru- fung wurde trotz Vorlage eines anders lautenden Privatgutachtens“, in dem festgestellt wurde, dass dem Gerichtssachverständigen erhebliche methodische Fehler unterlaufen sind „und der mündlichen Vernehmung des Gerichtsgutachters zurückgewiesen“ („IfS-Informationen“, Ausgabe 2/13). Die Nichtberücksichtigung des Privatgut- achtens wurde durch das Gericht mit einem zu späten Vorbringen begründet. Der Estrichverleger erhob im Nachgang Scha- densersatzklage gegen den Gerichtssachverstän- digen auf Grundlage des § 839a BGB und das mit Erfolg. In diesem Klageprozess hat sich der Estrichverleger auf das o. g. Privatgutachten ge- stützt, in dem nachgewiesen wurde, dass der Ge- richtssachverständige die von ihm aufgezeigten Toleranzüberschreitungen auf Grundlage eines von ihm falsch angesetzten Metermesspunkt- abstandes ermittelt hat. Die so ermittelten To- leranzüberschreitungen haben tatsächlich gar nicht bzw. nur in sehr geringem Maße vorgelegen. „Das Landgericht Mühlhausen hat der Kla- ge größtenteils stattgegeben. Es hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe grob fahrlässig im Sinne des § 839a BGB ein fehlerhaftes Sachver- ständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten im selbstständigen Beweisverfahren 5 OH 22/02 vor dem Landgericht Mühlhausen abgegeben“ („IfS-Informationen“, Ausgabe 2/13). Das Gericht begründet seine Entscheidung in seinem Urteil wie folgt: „Der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, weil er zum einen spä- tere Verformungen nicht berücksichtigt und zum anderen einen unzutreffenden Maßstab zur Er- mittlung der zulässigen Unebenheitstoleranzen angenommen habe.“ In der weiteren Begründung des Urteils heißt es: „Bei Zugrundelegung des korrekten Bezugsmaß- stabes seien nur wenige, auf einer Linie liegende Toleranzüberschreitungen in Garage II festzustel- len. Garage I weise lediglich eine Toleranzüber- schreitung auf, die 1 mm betrage. In Garage III lägen nur zwei Toleranzüberschreitungen vor, wo- bei eine 1 mm und eine 2 mm betrage. Die vier Unebenheiten in Garage I seien zwar als Mangel zu bewerten, der zu beseitigen sei, hierdurch ent- stünden aber lediglich Nachbesserungskosten in Höhe von 500 e netto. Selbst bei einer Beseiti- gung sei aber keine Pfützenfreiheit zu erreichen.“ Das Gericht bezieht sich dabei auf das von Klägerseite (Estrichleger) vorgebrachte Privat- gutachten, in dem u. a. ausgeführt wird, dass der beklagte Sachverständige entgegen der Vor- gaben „der DIN 18201 nicht geprüft habe, ob und in welchem Umfang es fünf Jahre nach Fer- tigstellung zu nutzungsbedingten Verformungen gekommen sei“. Weiter wird in dem Privatgut- achten die Messmethodik des Gerichtssachver- ständigen als falsch eingestuft: „Diese sei „ohne das erforderliche Stichmaß-Verständnis sowohl in den Flächen als auch an den Rändern erfolgt“ (S. 10). Der Beklagte habe in seinem Gutachten vom 26.11.2002 die „gemäß DIN 18202 heranzu- ziehenden Ebenheitstoleranzen »falsch« ausgelegt (S. 6). Richtigerweise müssten „die Bewertungen des aufgenommenen Nivellement-Rasters auf der Festlegung von Stichmaßen als Grenzwerte in Mil- limeter bei unterschiedlichen Messpunktabständen basieren“ (S. 6). Bei korrekter Anwendung des Messpunktrasters hätte der Beklagte in Anwen- dung der DIN 18202 bezüglich der drei streitge- genständlichen Garagen lediglich folgende Tole- ranzabweichungen ermitteln können: „Garage 1: 3 Abweichungsstellen (bis maximal 4mm), Ga- rage 2: Keine Abweichungsstelle, Garage 3: Keine Abweichungsstelle.“ Das OLG Jena ist den Ausführungen des LG Mühlhausen gefolgt. In seiner Begründung schreibt es u.a.: „4. Der Beklagte hat auch grob fahrlässig gehandelt. Hierfür erforderlich ist eine Pflichtverletzung, die nicht nur in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht besonders schwer wiegt. Maßstab ist das für einen ordent- lichen Sachverständigen im jeweiligen Fachgebiet maßgebende Pflichtenprogramm (Wagner/Thole, FPR 2003, 521, 522). (...) Es muss von jedem Gerichtssachverstän- digen, der von einem Gericht mit der Prüfung beauftragt wird, ob ein Estrich ordnungsgemäß verlegt worden ist, erwartet werden, dass er die einschlägigen DIN-Vorgaben kennt und die erfor- derlichen Messungen fehlerfrei vornimmt. (...) Die korrekte Vornahme von Toleranz- messungen stellt das Grundhandwerkszeug eines Sachverständigen dar. Vorliegend hat der Beklagte nicht aufgrund eines Versehens einen Messfehler vorgenommen, sondern methodisch falsch gear- beitet. Dass der Beklagte dasjenige außer Acht gelassen hat, was jedem Sachverständigen in der betreffenden Situation hätte einleuchten müs- sen, wird auch dadurch dokumentiert, dass der Beklagte unberücksichtigt ließ, dass zwischen der Fertigstellung des Estrichs und der Begutachtung bereits einige Jahre vergangen waren, von daher die Frage im Raum stand, ob Verformungen nicht nutzungsbedingt waren. Es ist auch nicht nachvoll- ziehbar, weshalb der Beklagte weder im selbstän- digen Beweisverfahren noch bei seiner Anhörung im Termin vom 12.04.2005 von sich aus darauf hingewiesen hat, dass die Pfützenbildungen auch dann verbleiben würden, wenn die Unebenheiten im Estrich beseitigt wären, weil der Unterbau des Fußbodens – vom Kläger nicht zu verantworten – waagerecht ausgeführt war.“ In Zusammenhang mit dem zuvor dargestell- ten Fall wird an dieser Stelle auf die vom IfS he- rausgegebene Broschüre „Die Haftung des Sach- verständigen für fehlerhafte Gutachten“ (ISBN 3-928 528-16-5), 1. Auflage 2002, verwiesen, die Teil der aktiv genutzten Literatur von Sach- verständigen sein sollte. Kennen Sie den §839a BGB Haftung des gerichtlichen Sachverständigen? Schützen & Erhalten · Juni 2013 · Seite 22

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