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Es schreibt für Sie: Dr. rer. nat. Constanze Messal Fachbereichs- leiterin Schimmelpilze Neubrandenburger Str. 33 18055 Rostock Telefon: (0381) 637-28280 Telefax: (0381) 637-28281 E-Mail: messal@dhbv.de Fachbereiche Schimmelpilze Wachstum und Aktivität von Mikroorga- nismen sind streng an das Vorhandensein von freiem Wasser gebunden. Nährstoffe, wie Kohlenhydrate oder Spurenelemente allein reichen nicht aus, um einen Befall, d. h. ein Auskeimen von Sporen und Ver- mehren von Zellen auszulösen. Daher tritt eine massive Entwicklung von Pilzbefällen erst nach Erreichen und Aufrechterhaltung einer bestimmten Wasseraktivität a W (Ge- halt an freiem Wasser) auf, obwohl eine ausreichende Kontamination mit Sporen und dormanten Zellen oftmals schon mit dem Einbau der Baustoffe gegeben ist. Masterfaktor Wasser Über die Wasserverfügbarkeit steuern sich sämtliche Lebensvorgänge der Mikroben. Es gilt: ohne Wasser keine mikrobielle Aktivität. Dabei ist Wasser nicht gleich Wasser, es muss in freier Form vorliegen. „Freies“ Was- ser bedeutet in diesem Fall – es hat die gleichen physi- kalischen Eigenschaften wie reines Wasser. Freies Wasser ist notwendig, damit Nähr- stoffe und Metabolite, aber auch Gase, die Zellmembranen passieren können. Der Wasser- bedarf von Mikroorganismen ist artspezifisch. Als Maß für diesen Wasserbedarf wird die Wasseraktivität a W angegeben. Die Wasseraktivität ist die Messung des Energiestatus des Wassers in einem System. Die Wasseraktivität gibt an, um wie viel der Wasserdampfpartialdruck (im Poren- und Kapillarraum) eines Baustoffes gegenüber dem Sättigungsdruck von reinem Wasser bei dersel- ben Temperatur vermindert ist. Ausgehend von der Gibbs’schen Fundamentalgleichung (1) mit U – innere Energie, T-Temperatur, S-Entropie, p-Druck, V-Volumen sowie µ – chemisches Po- tential und n-Stoffmenge (1) dU=TdS-pdV+ ∑ µ i dn i ergibt sich umgestellt nach dem chemischen Potential in Gleichung (2) die Beziehung zum Aktivitätskoeffizienten im Falle von wässrigen Systemen der Wasseraktivität (2) µ i = µ i o +R*T*ln a W Gibbs definierte das chemische Potential µ als die Möglichkeit eines Stoffes mit anderen Stoffen chemisch reagieren zu können, einen Phasenübergang vorzunehmen und sich im Raum verteilen zu können, was letztendlich als Diffu- sion zu bezeichnen ist. Das chemische Potenti- al ist demnach eine Funktion der Wasseraktivi- tät. Dabei können die Prozesse stattfinden, die Masterfaktor Wasser mit einer Absenkung des chemischen Potentials einhergehen. Es kann als eine grobe Vereinfachung ange- nommen werden, dass im Gleichgewichtszustand die rel. Feuchtigkeit der Raumluft in etwa dem a W -Wert des Bauteils entspricht, da ein beste- hendes Dampfdruckgefälle durch Wasserdampf- diffusion ausgeglichen wird. Das gilt für einen theoretischen Baustoff ohne Porenraum, ohne Grenzflächen und irgendeine Art von Wechsel- wirkung mit Wassermolekülen. Bei bauphysika- lischen Berechnungen wird von diesem Zustand ausgegangen. Berechnungen zur Ermittlung der Tautemperatur an der Bauteiloberfläche etc. geben hierbei die rel. Luftfeuchtigkeit an der Bauteiloberfläche wieder, jedoch nicht den a w - Wert des Baustoffes. Von Bedeutung sind die- se Berechnungen dennoch, da sie beschreiben, welches Feuchtereservoir dem Baustoff zur Ver- fügung steht. Eine mikrobielle Gefährdung lässt sich daraus zwar ableiten, ein Zwang zur Be- siedelung ergibt sich daraus aber nicht. Nun wird die Wasserakti- vität jedoch nicht ausschließ- lich von der Wasserdampfdif- fusion bestimmt. Die Verfüg- barkeit von freiem Wasser im Baustoff ist abhängig von den Stoffeigenschaften, wie Zu- sammensetzung, Kapillarität und Schichtung. Dabei kann Wasser durch Kapillarkräfte absorbiert, durch Adhäsion an Moleküloberflächen, durch Adsorption an Grenzflächen physikalisch oder als Kristallwasser chemisch gebunden werden. Derart fixiertes Wasser leistet zwar einen ent- scheidenden Beitrag zur Gesamtwasseraufnahme, steht aber nicht als freies Wasser zur Verfügung und wird auch nicht als freies Wasser erfasst. Zudem gibt es keinen Zusammenhang zwi- schen dem Absolutwassergehalt an sich und der Wasseraktivität a W , denn Letztere wird durch die innere Struktur der Baustoffe bestimmt, d.h. was an inneren Porenräumen zur Verfügung steht und wie das Partialdruckverhältnis (Gradient) korre- spondierender Dampfvolumina beschrieben ist. Die Wasseraktivität ist nicht mit der Gleichge- wichtsfeuchte identisch, nicht einmal im Gleich- gewichtszustand. Nach Lohmeyer und anderen ist die Ausgleichs- bzw. Gleichgewichtsfeuchte der Wassergehalt, der sich im Baustoff bei kon- stanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit einstellt, wenn alle Gradienten ausgeglichen sind [3,9] . Die Wasseraktivität im Gleichgewichtszustand wäre lediglich der Anteil des freien Wassers an diesem spezifischen Wassergehalt. Es finden sich in neu- eren Lehrbüchern und Veröffentlichungen Aus- sagen, in denen die Wasseraktivität und Gleich- gewichtsfeuchte gleichgesetzt werden. Das ist anscheinend ungeprüft aus der Lebensmittel- technik übernommen worden. Da Lebensmittel Schützen & Erhalten · Juni 2013 · Seite 23

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